Gedränge am Bahnsteig
Symbolpolitik trifft auf Realität: Mit dem 9-Euro-Ticket tut sich der Staat als Verkehrsunternehmer keinen Gefallen / dpa

9-Euro-Ticket - Eine Scheinlösung ersetzt politische Entscheidungen

Dieser Nahverkehr schreckt ab. Wer jetzt vom Auto auf die Bahn umsteigt, erlebt Überfüllung, Gedränge, Verspätung. Mit dem 9-Euro-Ticket haben die Regierungsvertreter abermals auf eine symbolpolitische Maßnahme gesetzt, anstatt sich um die jahrzehntealten Probleme eines maroden Systems zu kümmern.

Markus Karp

Autoreninfo

Markus Karp ist an der Technischen Hochschule Wildau Professor für Public Management und Staatssekretär a.D.

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Wer hätte das ahnen können! Kurz vor Pfingsten wurde das 9-Euro-Ticket eingeführt. Und am langen Wochenende waren dann die Züge so voll, dass Fahrgäste zurückblieben und die Bundespolizei das heillos überforderte Zugpersonal unterstützen oder Züge sogar räumen musste. Dabei war das Ticket, welches effektiv die handstreichartige Verwirklichung des alten Spontitraums von den kostenlosen Öffis bedeutet, mit der sagenhaften Vorlaufzeit von drei Monaten beschlossen worden. Aus der Sicht des Koalitionsausschusses der Regierungsparteien offenkundig mehr als genug Zeit, die jahrzehntelangen Negativfolgen von verpatzten Bahnreformen, Sparmaßnahmen und Kürzungen, sowie den aktuellen Mangel an Arbeitskräften innerhalb und rund um die ÖPNV-Infrastruktur zu überwinden.

Fatale Folgen

Die Realität des 9-Euro-Tickets sieht aber anders aus: Dieser Nahverkehr schreckt ab. Wer jetzt vom Auto auf die Bahn umsteigt, erlebt Überfüllung, Gedränge, Verspätung. Es ist ja auch nicht so, dass die vom Ticket zum symbolischen Preis angelockten Massen auf eine prinzipiell intakte Struktur getroffen wären. „Noch nie gab es auf dem deutschen Streckennetz so viele Baustellen wie heute“, sagte der Bahnchef nur eine Woche vor Pfingsten. Ursächlich ist kein rasanter Netzausbau, sondern massiver Sanierungsstau.

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Christa Wallau | Di., 7. Juni 2022 - 17:54

mit Scheinlösungen, die teuer sind und mehr schaden als nutzen, dann sollten wir doch auch so weiter machen, oder, Herr Karp?
Unsere Regierung bleibt sich treu - das hat etwas sehr Solides an sich, meinen Sie nicht auch?
AKTIONISMUS heißt in Deutschland das Gebot der Stunde - n i c h t überlegtes, in die Zukunft gerichtetes Handeln.
Ob das die Corona-Lage ist o. die Energie-Krise: Unseren klugen Politikern fallen immer richtige "Knaller" ein! Vor allem schauen sie dabei nicht auf die Kosten. Das wäre falsch. Nicht kleckern, sondern klotzen - so lautet die Devise.
Wir haben's ja!!!
Langfristig sinnvoll oder nicht - egal!
Hauptsache: Es werden rasch Maßnahmen ergriffen, damit die Leute immer etwas zu tun haben und nicht auf dumme Gedanken kommen (z. B. "Spaziergänge"!). Da sollen sie doch lieber in vollgestopften Zügen von A nach B fahren.
Vor unserer Haustür herrscht Krieg, doch wir verjubeln den Sommer mit den 9-Euro-Tickets! Danach folgt zwar der Katzenjammer, aber was soll's?

Sie drücken sich aber heute sehr milde in ihrer Argumentation aus, liebe Frau Wallau :-))
Aber der Plan der Politiker geht wie meist voll auf.

Katzenjammer?
Die meisten bekommen doch gar nichts mit oder wollen auch nichts mitbekommen.
Meiste Antwort in Gesprächsrunden - ich kann doch sowie so nichts ändern!

Ja, wer nicht sehen & hören will, der sieht & hört auch nichts & will auch an diesem Zustand nichts ändern. Da könnten selbst Aliens vorm Hause landen,
wem interessiert es?

SELBST-STÄNDIG denken, analysieren & handeln, vielleicht noch gegen die Partei/Staats-Doktrin - NEIN DANKE

Das kostet doch Kraft, gegen den Strom zu schwimmen & vor allem keine Bonus-Punkte für das Colosseum.

Also machen fast alle dieses sinnlose Gesellschaftsspiel mit, obwohl ein jeder genau weiß, dass er am Ast, auf den er sitzt - sägt - na dann Prost
Die Masse bleibt beim totalen wegsehen & totalen nichts hören,
egal welches Thema draußen stürmt.

Erst wenn was Einschneidendes passiert, wird aufgewacht?

Sie haben fast alles gesagt, was man zu diesem Thema noch sagen kann. Heute Morgen titelt die BILD, das Zugunglück in Garmisch könnte auf marode Gleisanlagen zurückzuführen sein, deren Reparatur diesen Monat geplant gewesen sei. Man habe schon drei "Verdächtige" (Bauernopfer) ins Visier genommen. Die Bahn hätte Sanierungsstau und halte 14 Mill. zurück und behindere quasi selbst die Sanierungen. Die Wähler jubeln angeblich über das 9 € Ticket, den Rentnern und den auf dem Land lebenden hilfts es gar nicht. Und werden die vielen Fehlentscheidungen irgendwelche politischen Konsequenzen haben? Natürlich nicht. Die Menschen lassen sich weiter blenden und huldigen die nachhaltigen Transportmittel korrekt mit Maske im Abteil und Abstand? Die links-grüne Klientel in den Großstädten freut es. Endlich fahren für fast "umme". Und gleich weiter nach Sylt. Das hat was. Sie haben völlig recht Frau Wallau. Die Regierung hat sich ewige Treue auf uneffektive und teure Scheinlösungen geschworen.

Dieter Schimanek | Di., 7. Juni 2022 - 18:17

Meine Nebenkosten haben sich um 90€ pro Mon. erhöht, Mehrbelastung durch Strom nicht eingerechnet. Als Rentner gibt es auch sonst keinen Ausgleich. Da ist doch so ein 9€ Ticket eine echte Bereicherung. Energie kam pünktlich und vertragsgemäß aus Rußland, aus moralischen Gründen geht das nicht mehr. Ich frage mich, wem das mehr schadet? Putin verkauft das an andere Abnehmer und führt den Krieg weiter. Jetzt warte ich auf die Blackouts die unweigerlich kommen werden.

Ingo Frank | Di., 7. Juni 2022 - 21:18

Ein Sammelsurium von ehemaligen Bundestagsabgeordneten um diese bis zur endgültigen Verrentung mit einem fürstlichen Salär zu versorgen. Und die die vom „Managerfach“ waren, sich aber bei anderen Großprojekten ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckerten, waren ebenfalls für die Bahn gut genug. Außerdem wurden die Anlagen kaputtgespart. Sehen wir uns die Bahnhöfen an. Übrig geblieben, ein vollgemülltes zugiges Wartehäuschen ohne Toilette. Das Gelände um den Bahnsteig sieht einem verwuchernden Ökoparadies ähnlich und hat mit der früher gepflegten Bahnanlage, nichts mehr zu tun.
Es ist wie überall: Der Fisch stinkt vom Kopf u. nicht vom Schwanz her.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Sabine Jung | Di., 7. Juni 2022 - 21:23

wie unsere Ricarda Lang an der grünen Macht sind, nichts gelernt oder studiert und noch nie im Leben gearbeitet, aber große Töne spucken, da wird es nie anders. Das ist unsere Regierung, etwas aus dem Ärmel zaubern, was vollkommen sinnfrei ist. Was wird nach den 3 Monaten? Staatschulden werden immer höher, normalerweise müsste unsere Jugend auf die Straße gehen, denn sie sind es einmal, die es theroretisch abarbeiten müssten...... Hauptsache alles ist grün, der Strom wird unbezahlbar, das Benzin und Diesel ebenfalls und nicht nur wegen dem Krieg. Nein, man hätte sich durchaus Zeit lassen können um nach Alternativen zu suchen für Strom+Gasausstieg, aber da kam der Krieg gerade Recht zum Ausstieg. Oh ich bin so begeistert von unserer Regierung........

Frieda Frey | Mi., 8. Juni 2022 - 09:03

Mein Mann ist Pendler und zahlt für gewöhnlich ca. 350 Euro (Monatsticket für ca. 200 km Zugstrecke hin und zurück, Monatsticket für S- oder U-Bahn) monatlich. Wenn man das 9 Euro Ticket nur aus der Perspektive des Anreizes für Neukunden sieht, ist es wohl suboptimal. Für Dauernutzer aber angesichts der sehr hohen Bahn- und ÖPNV-Preise eine Wohltat. Es muss günstiger werden.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 8. Juni 2022 - 09:13

aus, dass ich zumeist anderer Meinung bin.
Für die Sommermonate die Bevölkerung wieder an die Bahn zu gewöhnen, mag etwas kosten, in den Synergieeffekten (Tourismus/gesellschaftliche Mobilität) jedoch eine Trendwende bewerkstelligen können.
Eine Staatsbahn klingt für mich abschreckend, eine reine privatwirtschaftliche auch.
Bietet sich da nicht so etwas wie ein öffentlicher Raum an, wie bei den Krankenkassen, dem ÖRR? Könnte man dort auch Wahlen/Mitbestimmung einführen?
Gesellschaftliche Selbstorganisierung ist unbezahlbar für einen Staat und auch förderlich für die Privatwirtschaft, da mag es vielfältige Kooperationen geben.
There is such thing as society.

gabriele bondzio | Mi., 8. Juni 2022 - 14:27

Das diese Initiative zu Chaos führt, was die Bahn schon seit Jahren kultiviert.
Konnte ich mir mit absoluter Sicherheit ausrechnen.

Chaos, dein Name ist Poltik in DE, fern aller Überlegungen.