Einbürgerung - Die Pfundsnation

Die Ampelregierung erleichtert den Erwerb des deutschen Passes. Doch dahinter verbirgt sich mehr: Die Einbürgerung soll auf wundersame Weise aus Zugereisten Bürger machen. Ein trügerischer Trick.

Deutscher Pass als Wucher? / picture alliance
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Frank A. Meyer ist Journalist und Kolumnist des Magazins Cicero. Er arbeitet seit vielen Jahren für den Ringier-Verlag und lebt in Berlin.

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Einbürgern: So lautet das Zauberwort. Es öffnet, wie man das von Zauberwörtern nun mal erwartet, eine Tür – die Tür zum ersehnten Ziel, zwar nicht gerade ins Paradies, aber immerhin nach Deutschland, was so manchen Migranten paradiesisch vorkommen muss, haben sie doch riskante Reisewege hinter sich, häufig in kaum seetüchtigen Booten übers lebensgefährliche Meer. Was man nicht alles auf sich nimmt, um möglichst zügig Deutscher zu werden! 

Jetzt soll das Sesam-öffne-Dich noch rascher wirken: Schon nach fünf Jahren, statt wie bisher nach acht, ist gemäß Plänen der Ampelregierung die Mutation vom Migranten zum Mitbürger möglich, für ehrenamtlich Engagierte sogar nach drei Jahren, ebenso für beruflich Erfolgreiche. Die Fristen sind abgesessen, ehe man sich’s versieht. Deutschland, offenes Land. Deutschland, gelobtes Land.

Deutlich mehr als Zahlenzauber

Die sozialdemokratische Innenministerin Nancy Faeser sieht das nicht ganz so feierlich: „Die deutsche Staatsangehörigkeit ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können im Wettbewerb um die hoch qualifizierten Arbeitskräfte.“ Die deutsche Staatsbürgerschaft – „ein Pfund“? Wer es so betrachtet, sieht Deutschland ganz und gar ökonomisch, seine Demokratie als Folge wirtschaftlicher Effizienz, die Staatsangehörigkeit als Folge von Bienenfleiß. Darf es nicht vielleicht ein bisschen anspruchsvoller sein – auch wenn die Geschichte der Nation einen bescheidenen Auftritt empfiehlt? Im Verb „einbürgern“ steckt beim näheren Hinsehen deutlich mehr als Zahlenzauber. 

Was, zum Beispiel, bedeutet der Begriff Bürger? Doch wohl nichts weniger als die Zugehörigkeit zu einer Volkskultur der Bürgerlichkeit, also einer Gesellschaft, die sich zu Hause fühlt in bürgerlichen Verhältnissen wie Gleichheit in Freiheit in sozialer Solidarität, aber auch Verantwortung für den Grundgesetzstaat, der Verirrungen der Vergangenheit fürderhin im Vorhinein verhindern soll. Bürger sein bedeutet unter anderem: Endlich stolz sein dürfen auf dieses Deutschland. 

Freilich erklärt auch Faeser: „Deutscher Staatsangehöriger kann nur werden, wer sich zur freiheitlich-­demokratischen Grundordnung bekennt.“ Genügt für dieses Bekennen ein Lippenbekenntnis? Die Bedingung wäre doch das Verwurzeltsein in dieser späten Aufklärungsgesellschaft. 

Fragwürdige, weil rechtspopulistische Parole

Über Wurzeln in der Demokratie lässt sich trefflich sinnieren. Dabei stößt der empfindsame Bürger vielleicht sogar auf den Begriff Heimat – ein höchst umstrittenes Wort im politischen Sprachschatz der Republik, allzu gern diffamiert als fragwürdige, weil rechtspopulistische Parole. 
 

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Heimatgefühle kann auch eine vielfach gebrochene Geschichte wecken, vielleicht sogar gerade sie: Deutscher sein, verwachsen sein mit einer deutschen Wirklichkeit, einer deutschen Generationenabfolge entstammen, sich als Teil des großen Landes namens Bundesrepublik empfinden, das keine Unterwerfung kennt oder duldet, weder durch Ideologie noch Religion. Säkularität also – als unverzichtbare Verbindlichkeit im Geiste Karl Poppers, des wohl dezidiertesten Demokratie-Denkers dieser Zeit. Dessen „offene Gesellschaft“ gilt es alltäglich zu leben – zu beleben mit Bürgersinn. In der Tat, das klingt romantisch. Ist es Schwärmerei? Nichtiger Nationalismus? Pathetischer Patriotismus? 

Für viele Erfolgreiche der Leistungsgesellschaft ist Vaterlandsliebe als gefühlige Hinwendung zur Heimat konservativer Kitsch. Ihnen genügt die Zugehörigkeit zum universitären Zirkel, zur zivilgesellschaftlichen NGO-Zunft, zur kulturellen Szene – zu jener spannenden Lebenswelt, in der wohlsituierte Gebildete ihren beruflichen und privaten Alltag zubringen. Man ist polyglott und multikulturell und allem Fremden zugetan – was wiederum Migrationsbegeisterung zur Folge hat.

An den Fronten der Freiheit

Ja, so sind sie, die endlich guten Deutschen! Europa kann aufatmen! In Zeiten friedlicher Bedenkenlosigkeit mag solcherlei Deutschsein unbedenklich erscheinen: kein existenzieller Konflikt in Sicht – Beliebigkeit als Grundhaltung. Doch seit kurzem herrscht Krieg, gleich um die Ecke in der Ukraine, losgetreten vom russischen Verbrecherregime. Täglich sterben einige Hundert Kilometer entfernt Menschen an den Fronten der Freiheit – für die Freiheit. Auch für die der Deutschen. 

Die Gefährdung der freien westlichen Welt ist plötzlich Alltagswirklichkeit, stündlich auf den neuesten Stand gebracht in jeder Nachrichtensendung. Es fallen Bomben, es drohen Kampfdrohnen, es schlagen Artilleriegeschosse ein. Und neben der Ukraine steht nun auch Israel in einem Krieg – die terrorbedrohte Westnation im Nahen Osten. 

Joschka Fischer fordert die atomare Aufrüstung der Europäischen Union; von Deutschland erwartet er größere Bereitschaft zu konventioneller Abschreckung. Der grüne Ex-Außenminister mahnt die Bereitschaft zum Krieg an: zur schlimmstmöglichen Wendung des Geschehens! 

Linksgrün-evangelische Sittlichkeit

Wenn Krieg zur politischen Kategorie wird, führt das zu einer schrecklich simplen Frage: Wer wären die Soldaten für den tödlichen Ernstfall? Einfache Bürger, verwurzelt in ihrer Heimat – der modernsten und erfolgreichsten deutschen Nation, die es je gab. Der deutsche Pass – nichts als ein Pfund zum Wuchern um Arbeitskräfte? Ein Papier, das ins Haus flattert, wenn der Zugereiste gerade mal fünf Jahre deutsche Luft geatmet hat? Ein Sesam-öffne-Dich, das man sich ersitzen kann? Deutschland als Regenbogen, an dessen Ende die Schüssel mit den goldenen Schlüsseln steht. 

Wäre nicht etwas mehr Sorge geboten um dieses Land, dessen Freiheit so mühselig errungen werden musste? Etwas mehr Vorsicht bezüglich der voraufklärerischen Herkunft vieler Zugewanderter? Wozu bekennen sich mehr als die Hälfte der Türken in Deutschland, wenn sie Erdogan wählen? Was macht das Grundgesetz mit frisch gebackenen Pass-Bürgern, deren kulturelle Prägung in einem anderen Jahrhundert wurzelt? Was, wenn in Millionen Köpfen Koran und Überlieferungen und Scharia in Konkurrenz mit dem Grundgesetz stehen? Aber darf man überhaupt so fragen – verstößt das nicht gegen die linksgrün-evangelische Sittlichkeit? 

Die migrationsnärrischen Einbürgerer

Seit der tödlichen Messerattacke auf einen Bundesbürger in Paris, begangen von einem in Frankreich geborenen islamischen Terrortäter, beraten EU-Minister laut Tagesspiegel über die Frage: „Wie gefährdet ist die Sicherheit in Europa?“ Und die Süddeutsche Zeitung stellt fest: „Die Sorge vor weiterem Terror in Frankreich wächst.“ 
Man muss sich also um Frankreich Sorgen machen. Und um Deutschland, wöchentlich, bisweilen täglich von Migrantengewalt heimgesucht? Da gilt: Rasch das Bürgerrecht vergeben, dann folgt die Bürgerlichkeit auf dem Fuß. 

Das ist allerspätester Spätmarxismus: Wenn die Arbeitskräfte-Ökonomie stimmt, lösen sich die kulturellen Unverträglichkeiten in Luft auf – denn die sind, ganz nach Marx, lediglich „Nebenwidersprüche“, von der Frauenverachtung über die Homophobie bis zur Gewaltbereitschaft.

So soll die Willkommenskultur vollendet werden, deren Katalysator Merkels kulturelle Unbedarftheit war. Es geht ja nur um „das Pfund“ der Staatsbürgerschaft im Tausch gegen „hoch qualifizierte Arbeitskräfte“ – um nichts als einen Deal. Die migrationsnärrischen Einbürgerer spielen mit der Nation – die sie womöglich gar nicht mehr wollen.
 

 

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