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() Jörg Schönbohm
Der letzte Konservative der CDU

In der CDU gärt es.

Knorrig war er immer, der General. Ein Reaktionär, sagen Jörg Schönbohms Feinde. Ein gebildeter, kultivierter Mann mit Vaterlandsliebe und Familiensinn, versichern seine Freunde. In jedem Fall war der bald Siebzigjährige stets eher Soldat als Politiker, der klaren Sprache und schnellen Reaktion mehr zugeneigt als diplomatischen Floskeln und taktischem Kalkül. Einer, an dem man sich reibt – die politischen Gegner allemal, aber auch die CDU, in die er erst 1994 eintrat, um als Innensenator in Berlin und später als Innenminister und Parteichef in Brandenburg Dienst zu tun. Kurz vor dem Ende seiner politischen Laufbahn allerdings wird Schönbohm noch zu einem Symbol: In seiner Partei wird er von all denen als einzig verlässliche Größe genannt, die mit dem Modernisierungskurs von Angela Merkel nicht Schritt halten möchten. „Ich bin selbst überrascht, dass mir die Rolle als einer der letzten Konservativen in der CDU zugewachsen ist“, sagt er. Teile der CDU leiden. Nicht nur diejenigen, die auf einen wirtschaftsliberalen Kurs setzen, aber keine Hoffnung auf seine Realisierung mehr hegen. Viele sehen in ihrer Partei Werte vernachlässigt, deretwegen sie sich der Union zugehörig fühlten: das traditionelle Gesellschaftsbild, zu dem auch die Kinder erziehende Hausfrau gehören darf. Das durchaus mit maßvollem Pathos verbundene Bekenntnis zur Nation. Das Eintreten für die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens ohne Relativierung zugunsten der Forschungsfreiheit. Das Christliche, dessen man sich vor allem durch die Nähe zur katholischen Kirche sicher wähnte. All das ist nicht erst erodiert, seit Angela Merkel die alte Garde der CDU-Granden beiseiteschob. Alfred Dregger oder Karl Carstens haben in der CDU nie wirkliche Nachfolger gefunden. Dass das beklagte Vakuum jedoch lange nicht sichtbar wurde, lag an der Empathie Helmut Kohls, an seiner Fähigkeit, bindend und integrierend auf die immer vorhandenen Fliehkräfte zu wirken. Die­se Gabe besitzt Angela Merkel nicht. Sie ist nüchtern – auch dann, wenn sie von ihrer Kindheit erzählt, ja, selbst wenn sie über ihren Glauben spricht. „Politik braucht Persönlichkeiten, die die Fantasie anregen“, sagt Schönbohm. „Die heute üblichen klassischen Parteikarrieren aber schleifen Profil ab. Wer sich nicht anpasst, wird nichts. Das liegt in Teilen auch an den Gesetzmäßigkeiten des Mediengeschäfts.“ Nicht allein die Medien sind schuld: Querköpfe mit eigenem Ansinnen und auch eigenem Machtanspruch wurden und werden in der CDU nicht gefördert – bisweilen sogar ausgebremst. In der Folge wird Friedrich Merz schmerzlich vermisst und ratlos Roland Kochs Wandlung vom vermeintlich harten Knochen zum Konsensmann im Mittelfeld beobachtet. Selbst wenn Merkel wollte, sie könnte sich überhaupt nicht allein auf die traditionelle CDU-Klientel stützen, argumentieren ihre Anhänger. Nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung waren 1990 noch 19 Prozent der Wähler sichere Stammwähler von CDU und CSU, 2001 nur noch zehn Prozent. Merkel müsse also die Partei für neue Wählerschichten öffnen. Tut sie es zu rabiat? Edmund Stoiber und seine CSU jedenfalls präsentieren sich gern als Symbiose aus Modernität und Tradition – und damit als Garant für wahre Unionswerte. Bislang hatten frustrierte CDU-Wähler weitgehend nur die Alternative, in die Wahlenthaltung zu flüchten, wollten sie mit ihrer Stimme nicht den rechten Rand stärken. Das will sich Udo Ulfkotte jetzt zunutze machen. Der ehemalige FAZ-Redakteur und Buchautor reist durchs Land, steht mit leicht konspirativer Attitüde zum Beispiel vor Christdemokraten aus Berlin-Wannsee und fragt immer wieder: „Wollen Sie das?“ Gemeint ist die aus seiner Sicht „unerträgliche Islamisierung“ Deutschlands. „Europa ist bereits ein Schlachtfeld der Kulturen“, ruft er atemlos und fordert Priorität für die christlich-abendländische Kultur. In den nächsten Wochen will Ulfkotte eine neue Partei gründen, eine, die sich der Wahrung der traditionellen Werte verpflichtet fühlt. Jan Timke, der für „Bürger in Wut“ bei der Bremer Landtagswahl ein beachtliches Ergebnis erzielte, wurde bereits von Ulfkotte munitioniert. Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg im nächsten Jahr will er selbst antreten. Tausende von Mails bekomme er, die ihn ermunterten, seinen Weg weiterzugehen. Könnte eine Anti-Islampartei zur Gefahr für die Union werden? Als Schönbohm Ende der neunziger Jahre die Leitkultur-Debatte anstieß, weil da bereits Unmut gärte, bekam er keine Unterstützung von den Parteioberen. Merz ging es später ähnlich. Mittlerweile findet sich das Stichwort Leitkultur sogar im Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm. Philipp Mißfelder, der Vorsitzende der Jungen Union, der mittlerweile bei einigen schon als konservativer Hoffnungsträger gilt, fordert nachdrücklich: „Hier muss die Union klare Positionen vertreten und sich in der Großen Koalition abgrenzen. Das ist unseren Stammwählern wichtig.“ Doch ob das allein ausreicht, um das Heimatgefühl in der Partei wiederzubeleben? „Zusammenhalt einer Partei beruht neben der Freiwilligkeit auf Verlässlichkeit und so etwas wie Kameradschaft“, sagt Schönbohm. „Das ist in der CDU nicht immer erkennbar.“ Kein Wunder, denn diese Kohl-Vokabel ist keine Kategorie von Angela Merkel. Martina Fietz ist Parlamentarische Korrespondentin bei Cicero

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