Verschwundene E-Mails im Cum-Ex-Skandal - SPD-Filz in Hamburg: „Das sind mafiöse Strukturen“

Brisante Beweismittel, die Bundeskanzler Olaf Scholz in Bedrängnis bringen könnten, sind in Hamburg zwischenzeitlich aus einem Tresor verschwunden. Enthüllungsjournalist Oliver Schröm, der seit Jahren im Cum-Ex-Skandal recherchiert, ist fassungslos und sagt: „Palermo liegt an der Alster“.

Olaf Scholz, damals Erster Bürgermeister, bei einer Sitzung der Hamburger Bürgerschaft mit seinem Nachfolger Peter Tschentscher, damals Finanzsenator (2013) / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Oliver Schröm ist Investigativjournalist und arbeitet unter anderem für den „Stern“. In seinem Buch „Die Cum-Ex-Files“ beschreibt er seine umfangreichen Recherchen zu dem Steuerbetrugsskandal. Zuletzt veröffentlichte er zusammen mit Oliver Hollenstein „Die Akte Scholz“. In dem Bestseller beleuchten sie die Rolle des Bundeskanzlers in der Cum-Ex-Affäre der Hamburger Privatbank M.M. Warburg. 

Herr Schröm, Sie haben einen neuen Skandal im Skandal aufgedeckt. In Hamburg waren zwei Wochen lang E-Mails verschwunden, die dem dortigen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Cum-Ex-Verstrickungen zur Verfügung gestellt wurden. Was hat es damit auf sich?

Diese E-Mails, mehr als 731.000, sind hochbrisant. Die Opposition im Untersuchungsausschuss hat monatelang dafür gekämpft, dass sie diese Beweismittel bekommt. Sie stammen aus dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln gegen eine Hamburger Steuerbeamtin und zwei SPD-Politiker, darunter der Ex-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. Es geht um deren Beteiligung an dem Steuerskandal der Hamburger Privatbank M.M. Warburg, für die Kahrs und ein weiter SPD-Mann Lobbyarbeit betrieben. Der Verdacht lautet Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Bei ihren Ermittlungen hat die Kölner Staatsanwaltschaft Razzien in Hamburg durchgeführt, sowohl privat bei den Beschuldigten als auch in der Finanzbehörde. Und in der Folge hat die Staatsanwaltschaft E-Mail-Postfächer von Politikern und Beamten sichergestellt, unter anderem vom Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher. Auch ein Rest-E-Mail-Account von Olaf Scholz aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister und das E-Mail-Postfach seiner Vertrauten und Büroleiterin Jeanette Schwamberger. 

Das Strafverfahren, aus dem diese E-Mails stammen, läuft noch?

Ja, die Verfahren gegen die Hamburger Finanzbeamtin und gegen den früheren Vizebürgermeister Hamburgs Alfons Pawelczyk sowie gegen Johannes Kahrs laufen noch. 

Und der Untersuchungsausschuss in Hamburg beschäftigt sich mit denselben Fragen, mit dem sich auch die Staatsanwaltschaft in Köln beschäftigt?

Es gibt natürlich Überschneidungen, aber die Staatsanwaltschaft in Köln ermittelt nicht gegen Olaf Scholz und nicht gegen Peter Tschentscher, sondern nur gegen die Finanzbeamtin und die zwei Politiker. Und da geht es um Begünstigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Im Fall der Finanzbeamten geht es auch noch um Untreue, um Geldwäsche. Der Hamburger Untersuchungsausschuss ist ein politisches Gremium und kein strafrechtliches. Er geht der Frage nach, ob politisch Einfluss genommen wurde auf eine Steuerentscheidung zugunsten der Warburg-Bank, allen voran durch den damaligen Bürgermeister Olaf Scholz und seinem damaligen Finanzsenator und heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher.

Oliver Schröm

Denn die Warburg-Bank hat mit kriminellen Cum-Ex-Geschäften über 170 Millionen Euro aus der Staats- und Stadtkasse gestohlen. Die Staatsanwaltschaft in Köln kam ihr auf die Schliche. Danach wollten Betriebsprüfer aus dem Finanzamt in Hamburg das gestohlene Geld zurückhaben. Daraufhin haben sich die Bankinhaber Unterstützung von den damals noch sehr einflußreichen SPD-Männern Pawelczyk und Kahrs geholt. Die haben Lobbyarbeit betrieben, bei der Bafin, beim Bundesfinanzministerium und auch die Tür aufgemacht zu Olaf Scholz, es kam zu mehreren Treffen zwischen den Bankiers und Olaf Scholz.

Zu dieser Zeit wurde gegen die Bankiers bereits ermittelt. Bürgermeister Scholz hat sich trotzdem mit ihnen getroffen, auch telefoniert und mit den Beschuldigten über ihr Steuerstrafverfahren gesprochen, ihnen sogar noch Tipps gegeben. Zum Beispiel, dass sie sich an Peter Tschentscher, den damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister halten sollen. Das geschah dann auch umgehend. Kurz darauf hat Hamburg auf die Rückforderung eines Teilbetrags, der zur Verjährung anstand, verzichtet und das Geld war aus damaliger Sicht weg. 

Diese Finanzbeamtin, gegen die jetzt das Strafverfahren läuft, hat damals diese Entscheidung getroffen. Aber die Vermutung ist, dass das nicht ohne Rückendeckung von oben oder ganz oben, nämlich von Olaf Scholz, geschehen ist?

Es ist noch viel fragwürdiger und deutlicher. Diese Finanzbeamtin hatte sich zunächst der Empfehlung ihrer Betriebsprüfer angeschlossen und war dafür, dass man das Geld zurückholt. Dann kam es zu den Treffen zwischen Olaf Scholz und den Bankiers. Dann wurde Peter Tschentscher, damaliger Finanzsenator, eingeschaltet. Dann wurde die Finanzbeamtin in die Finanzbehörde, also ins Ministerium bestellt. Und da hat man dann entschieden, das Geld nicht zurückzuholen. Und zwar kurz nachdem Olaf Scholz sich mit den beiden Privatbankiers getroffen und einen der Inhaber proaktiv angerufen hatte, um ihm ans Herz zu legen, den damaligen Finanzsenator Tschtscher einzuschalten. Unmittelbar vor dem Telefonat, das wie gesagt von Scholz ausging, hatte Scholz noch mit Tschentscher telefoniert, wie aus dessen Kalender hervorgeht. 

Und diese über 731.000 E-Mails, die jetzt verschwunden waren, wollte der Untersuchungsausschuss in Hamburg von der Staatsanwaltschaft Köln bekommen und hat dafür sehr lange gebraucht.

Ja, das ist auch ein Novum. Der Justizminister in Nordrhein Westfalen, Benjamin Limbach, ein Grüner und früherer SPDler, hat sich sehr lange geweigert, dass die sichergestellten E-Mails nach Hamburg kommen. Meist bekommt ein Untersuchungsausschuss nur die E-Mails, die für das Strafverfahren relevant sind. Die anderen E-Mails muss die Staatsanwaltschaft irgendwann löschen. Aber die Staatsanwaltschaft hat natürlich einen ganz anderen Blickwinkel auf solche E-Mails, einen rein strafrechtlichen. Und die Aufklärer in Hamburg haben natürlich einen politischen Blickwinkel und hoffen auf E-Mails zu stoßen, die auf ganz andere Fragen Antworten geben, die für die Staatsanwaltschaft gar nicht relevant sind. Deshalb wollten sie alles bekommen und das war lange umstritten. Erst als Richard Seelmaecker von der CDU mit einer Klage gegen den Justizminister von Nordrhein-Westfalen gedroht hatte, gab er nach. Anfang Oktober hat er zwei Laptops nach Hamburg bringen lassen, auf denen jeweils die 731.000 E-Mails sind. Damit die Abgeordnete in diesen Laptops recherchieren können. 

Wer ist die Opposition in Hamburg? 

Die Opposition in Hamburg besteht aus der CDU, aus den Linken und aus der AfD. Und diesen Untersuchungsausschuss gibt es nur, weil die Linken und die CDU an einem Strick gezogen haben. 

Für die Aufbewahrung dieser Laptops sowie weitere vertrauliche Unterlagen gibt es einen speziell gesicherten Raum. Aber dann wurden die Laptops entwendet und waren fast zwei Wochen lang verschwunden. Niemand wusste, wo sie waren.

Genau. Solche sensiblen Daten müssen in einem speziell gesicherten Raum gelagert werden. In diesem Raum ist ein Tresor, in dem die ganz heiklen Dokumente deponiert werden müssen, wozu eindeutig die Laptops mit den 731.000 von der Staatsanwaltschaft sichergestellten Mails gehören. Die Abgeordneten haben keinen Zugang zu diesem speziell gesicherten Raum, geschweige zu dem Tresor. Wenn sie die Dokumente lesen wollen, müssen Mitarbeiter aus dem Arbeitsstab in den Sicherheitsraum, die Dokumente oder die Laptops herausholen und nach Gebrauch wieder dorthin bringen und wegschließen. Aber die Laptops fehlten fast seit zwei Wochen.

Zuvor hatten Abgeordnete angefangen, in den 731.000 Mails zu recherchieren, dann hat die SPD das sofort gestoppt. Sie hat geschrien: „Moment, das sind ja private Dinge auf dem Laptop, da darf man nicht länger suchen. Wir müssen klären, wer da überhaupt suchen darf.“ Es wurde dazu ein Gesprächstermin mit der Opposition anberaumt, der erst am vergangenen Freitag stattgefunden hat. Aber der Chef des Arbeitsstabs, das ist die Ermittlungsgruppe des Ausschusses, hat nach unseren Recherchen zuvor eigenmächtig die beiden Laptops an sich genommen und sie verschwinden lassen. Sie waren jedenfalls fast zwei Wochen nicht mehr in dem Sicherheitsraum beziehungsweise nicht in dem Safe. 

Warum hat er das gemacht? Was ist Ihre Vermutung? 

Die Motive liegen im Dunkeln, ich könnte jetzt nur spekulieren. Offiziell heißt es nun, der Chefermittler sollte sich einen Überblick verschaffen, welche der 731.000 E-Mails für den Untersuchungsausschuss relevant sind beziehungsweise durch den Untersuchungsauftrag gedeckt sind. Aber das ist eigentlich von einer oder auch zwei Personen gar nicht leistbar. Nun muss man wissen, dass der Chefermittler kein unbeschriebenes Blatt ist und selbst der SPD angehört und von seiner Partei für diesen sensiblen Job eingesetzt wurde. Das ist ohnehin schon grotesk, weil quasi die SPD gegen sich selbst ermitteln soll.

Wer ist dieser Chefermittler?

Der Mann heißt Steffen Jänicke, arbeitet für den Senat in Hamburg, ist wie gesagt langjähriges SPD-Mitglied und bevor er diesen Job bekommen hat, wurde er vom Verfassungsschutz sicherheitsüberprüft. Der Leiter wie auch seine beiden Stellvertreter der Ermittlungsgruppe, das sind in der Regel Staatsanwälte, Juristen, mussten sicherheitsüberprüft werden, weil sie mit hochsensiblen, geheimen Dokumenten zu tun haben und auch allein Zugang zu dem Tresor haben. Und ausgerechnet der Chefermittler hat die Sicherheitsüberprüfung nicht bestanden. Der Hamburger Verfassungsschutz hat wegen einer privaten Russlandverbindung große Bedenken gegen Jänicke geäußert und hat davon abgeraten, dass er diesen Job bekommt. Aber die von der SPD geführte Bürgerschaft in Hamburg hat sich über die Empfehlung des Verfassungsschutzes hinweggesetzt und hat den Mann mit geheimen Unterlagen arbeiten lassen. Die SPD hat es nicht mal für nötig erachtet, die Opposition zu informieren, dass es Sicherheitsbedenken des Verfassungsschutzes gibt. Das ist erst durch unsere Recherchen aufgeflogen. Und dieser Mann hatte jetzt die Laptops an sich genommen.

Wenn man die Bedenken des Verfassungsschutzes ernst nimmt, könnten die E-Mails, die womöglich für Kanzler Scholz gefährlich sind, jetzt bei Putin sein.

(lacht) Das wollen wir mal nicht hoffen. Auf jeden Fall wird es irgendeinen Grund haben, warum dieser Mensch diese Laptops aus dem Sicherheitsraum nimmt, in dem sie sicher sind. 

Glauben Sie, es wurden Daten gelöscht? 

Ganze Datensätze zu löschen, würde auffallen. Aber wenn einzelne E-Mails verändert werden, fällt dies nicht ohne weiteres festzustellen, ebenso wenig, wenn Kopien gemacht werden. Aber wer zwei Wochen lang diese Laptops hat, hat gegenüber den Aufklärern der Opposition einen Vorteil. Sie müssen sich vor Augen führen, dass selbst die Betroffenen nicht genau wissen, was in den sichergestellten E-Mails steht. Man hätte einen entscheidenden Wissensvorsprung, um zu antizipieren, mit welchen belastenden Fakten die SPD und letztlich der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher wie auch Bundeskanzler Olaf Scholz noch zu rechnen haben. 

Trauen Sie das dem Chefermittler etwa zu?

Wir wissen nicht, wer Zugang zu den Laptops in den vergangenen zwei Wochen hatte. Die Geräte waren ja nicht mehr sicher weggeschlossen in dem dafür vorgesehenen Tresor, zu dem nur ganz wenige Personen Zugang haben.

Der Ausschussvorsitzende Mathias Petersen, ebenfalls SPD, sagte nun, die Laptops wurden die ganze Zeit über „unter Einhaltung der Geheimhaltungsvorschriften aufbewahrt“.

(lacht) Nach unseren Enthüllungen im Stern und in der WAZ hat der Chefermittler gegenüber den Obleuten des Untersuchungsausschusses behauptet, die Laptops waren in den vergangen zwei Wochen in seinem Büro eingeschlossen und dies gehöre zum Sicherheitsbereich des Arbeitsstabes. Nun muss man wissen, dass sich das Büro nicht in dem Sicherheitstrakt des Arbeitsstabes befindet, sondern in einem ganz anderen Gebäudekomplex. Dort befinden sich Sitzungs- und Konferenzräume und das Gebäude ist tagsüber öffentlich zugänglich. Und in dem Büro des Chefermittlers befindet sich auch kein Tresor, sondern ganz normale Büroausstattung mit einer abschließbaren Anrichte. 

Und wo befindet sich der Tresor?

Der Tresor befindet sich im Sicherheitsraum des Arbeitsstabes, in einem – wie gesagt - ganz anderen Gebäude, das nicht öffentlich zugänglich ist. Selbst Abgeordnete können die Räume nicht so einfach betreten, müssen klingeln und werden von Mitarbeitern des Arbeitsstabes an der Tür abgeholt, wen sie im Leseraum Dokumente anschauen wollen. Und für den Sicherheitsraum, wo vertrauliche Beweismaterialien aufbewahrt werden, wozu die 731.000 Mails ohne Zweifel gehören, gab es strenge Vorgaben der Senatskanzlei. Zu den Auflagen gehört etwa, dass der Sicherheitsraum für die vertraulichen Unterlagen ein „physisch umschlossener Raum“ sein muss, den außer Mitarbeiter des Arbeitsstabes niemand betreten darf, auch keine Abgeordneten. Und dort steht auch der Tresor. Wenn der Ausschussvorsitzende Mathias Petersen zusammen mit seinem Genossen Steffen Jänicke uns nun Glauben machen will, das Büro des Chefermittlers mit seinem abschließbarer Anrichte würde den Geheimhaltungsvorschriften entsprechen, ist das ein schlechter Witz.

Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Herr Schröm, Sie leben ja in Hamburg. Von außen betrachtet klingt das eher nach Süditalien.

Palermo liegt an der Alster. 

Ja?

Obwohl ich seit 30 Jahren mit Unterbrechungen in Hamburg lebe, habe ich mich hier nie mit der Lokalpolitik beschäftigt. Ich kannte natürlich das geflügelte Wort vom roten Filz in Hamburg, aber mir war die Tragweite nicht klar. Erst nachdem ich im Besitz der Tagebücher des Cum-Ex-Bankiers Olearius kam, aus denen seine Beziehung zu Olaf Scholz hervorging, habe ich angefangen, mich mit Hamburg auseinanderzusetzen. Ich bin jetzt seit 40 Jahren investigativer Journalist. Und man denkt schon, dass man so langsam alles gesehen hat. Aber was ich da die letzten drei Jahre erlebt habe, macht mich schon fassungslos. Diesen Methoden und Machenschaften, das ist unglaublich. Ich hätte gedacht, so etwas ist in Deutschland nicht möglich. Das sind schon mafiöse Strukturen, die da in der Politik des Stadtstaates Hamburg sichtbar werden.
 

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Nur ein Beispiel: Der SPD-Mann Pawelcyzk hat für seine Lobbyarbeit von der Warburg-Bank 60.000 Euro in zwei Tranchen bekommen. Auf Nachfrage von dem damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Kahrs flossen 45.500 Euro Parteispenden aus dem Firmengeflecht der Warburg-Bank an die SPD und zwar zu einem Zeitpunkt, als schon längst gegen die Bank ermittelt wurde, was öffentlich bekannt war. Man hatte jedoch bei der SPD kein Problem gehabt, diese Gelder anzunehmen. Von einer Bank, gegen deren Eigentümer und weitere Manager wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wird, weil sie die Staats- und Stadtkasse mithilfe von illegalen Cum-ex-Geschäften ausgeraubt hat. Das ist unglaublich. Die Spendengelder wurden übrigens bis heute nicht zurückgegeben.

Und das Interessante ist der Personenkreis in der Hamburger SPD, der die Gelder angenommen hat. Dazu zählen der Ausschussvorsitzende Mathias Petersen und der SPD-Obmann des Untersuchungsausschusses, Milan Pein. Die haben zugestimmt, diese schmutzige Spende anzunehmen. Und die beiden sitzen nun zusammen in führenden Rollen im Untersuchungsaussschuss und sollen aufklären, ob etwas falsch gelaufen ist und es politischen Einfluss von den SPD-Politkern Peter Tschentscher und Olaf Scholz auf eine Steuereintscheidung zugunsten der Warburg-Bank gegeben hat. Das alles ist eine Groteske. Eigentlich denkt man als Journalist ständig, dass man in eine Satiresendung gestolpert ist, weil das alles so unfassbar ist.

Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass Olaf Scholz oder Vertraute von ihm noch die Finger im Spiel haben?

Die SPD versucht hier im Ausschuss Nebelkerzen zu zünden, wo es nur geht. Da wird natürlich eng mit den SPD-Leuten im Kanzleramt zusammengearbeitet. Dafür habe ich mehrere Hinweise. Aber da will ich jetzt noch nicht ins Detail gehen. Klar ist: Es geht in dieser Geschichte um Olaf Scholz und um sonst niemanden. Dass die SPD alle Mittel in Bewegung setzt, um ihren Kanzler zu schützen, überrascht dann nicht so sehr.

Die Kölner Staatsanwältin, die den Cum-Ex-Skandal ins Rollen gebracht hat, sollte auch schon ausgebremst werden. Das hat der von Ihnen bereits erwähnte Landesjustizminister Benjamin Limbach versucht.

Versuche, die Staatsanwältin Anne Brorhilker auszubremsen, gab es in den letzten zehn Jahren öfters. Beispielsweise wollte sie schon 2020 in Hamburg durchsuchen, hatte sogar schon den Durchsuchungsbeschluss des Gerichts. Dann haben ihre Vorgesetzten das verhindert. Ihre Durchsuchungspläne wurden öffentlich und damit war hier in Hamburg den Betroffenen klar, dass sie im Visier sind. Die verdächtigen Herrschaften waren also gewarnt. Ein Jahr später bekam die Oberstaatsanwältin einen neuen Vorgesetzten, beziehungsweise einen neuen Minister. Der war von der CDU. Sie durfte dann durchsuchen, zwei Tage nach der Bundestagswahl, und musste feststellen, dass viele E-Mails gelöscht waren. Es wurde nämlich Korrespondenz gefunden, in der ein Behördenmitarbeiter eine Anleitung verschickt, wie man richtig löscht. Das Schöne allerdings ist, dass man im digitalen Zeitalter trotzdem noch Spuren hinterlässt. Die eine oder andere Spur habe die Ermittler gefunden. Und sie haben sich auch mittlerweile auch noch um E-Mail-Postfächer gekümmert, von denen die Betroffenen keine Ahnung hatten, dass die konfisziert werden. Zum Beispiel das der Vertrauten und Büroleiterin von Olaf Scholz, Jeanette Schwamberger.

Wissen Sie, was in diesen E-Mails steht?

Ich kenne ein paar E-Mails und habe die bereits im „Stern“ und in unserem Buch „Die Akte Scholz“ veröffentlicht. Die Mails sind von Brisanz, denn daraus geht zum Beispiel hervor, wie sich Scholz‘ damalige und heutige Bürochefin Jeanette Schwamberger mit dem damaligen Staatssekretär und heutigen Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, ebenfalls SPD, ausgetauscht hat, welche Unterlagen man dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung stellt. Man kann es auch umgekehrt lesen: welche Unterlagen man nicht zur Verfügung stellt. Denn das Zitat in der E-Mail lautet: Es sei „mit Olaf zu diskutieren,“ wie man die Termine „einsortieren“ solle. Das Verb einsortieren ist in Anführungsstriche gesetzt. Es geht um die Treffen von Olaf Scholz mit den heute Beschuldigten Johannes Kahrs und Alfons Pawelcyk.

Allein diese E-Mail spricht bereits Bände. Und man kann davon ausgehen, dass es noch mehr derartige Korrespondenzen gibt. Ansonsten würden die Herrschaften nicht alles in Bewegung setzen, um dafür zu sorgen, dass diese E-Mails nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken.

Welchen Schluss ziehen Sie aus Ihren Recherchen, etwa zu dieser Laptop-Affäre?

Der Vorfall zeigt, dass der Hamburger Untersuchungsausschuss leider zu einem Instrument zu verkommen droht, welches die Aufklärung nachhaltig verhindert, anstatt sie zu leisten. Es wäre wünschenswert, dass es auch im Bundestag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kommt. Das hat die SPD allerdings erst einmal mit Stimmen der FDP und Grünen verhindert. Die Union klagt dagegen in Karlsruhe.

Das Gespräch führt Daniel Gräber.

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