
- Bayerische Notgemeinschaft
Auf dem Parteitag der CSU haben sich wieder alle lieb. Markus Söder und Horst Seehofer liegen sich in den Armen, als habe es den Machtkampf zwischen ihnen nie gegeben. Doch wie lange hält der Parteifriede?
Da saßen sie also Seit an Seit. Der CSU-Parteitag in Nürnberg war am Freitag offiziell noch gar nicht eröffnet worden, da waren die entscheidenden Bilder schon im Kasten. Horst Seehofer und Markus Söder in trauter Eintracht, miteinander tuschelnd, miteinander scherzend. So als habe es das tiefe Zerwürfnis zwischen ihnen beiden nie gegeben und auch nicht den brutalen Machtkampf, der die Partei seit der Bundestagswahl zerrissen hatte.
Am Samstag folgte dann die doppelte Inthronisierung. Erst wurde Horst Seehofer im Amt des Parteivorsitzenden bestätigt, mit ordentlichen 83,73 Prozent der Delegiertenstimmen. Anschließend wurde Markus Söder für das Amt des Ministerpräsidenten nominiert, per Akklamation. Dazu lobten sich die beiden CSU-Granden gegenseitig über den grünen Klee. Die Inszenierung der beiden CSU-Politiker, deren gegenseitige Wertschätzung bekanntermaßen gering ist, war gelungen.
Söder nicht zu stark, Seehofer nicht zu schwach
Die CSU geht also mit einer Doppelspitze in den für sie überlebenswichtigen Landtagswahlkampf im kommenden Jahr. Die tief gespaltene Partei teilt die Macht. Söder ist zwar der kommende Mann in der Partei, zumindest für die kommenden zehn Monate. Aber er ist nicht so stark, dass er die ganze Macht in der Partei hätte an sich reißen können. Seehofer war nicht so geschwächt, dass die Partei sich getraut hätte, ihn ganz vom Sockel zu stoßen. Dabei half auch, dass Söder nicht nur viele Freunde in der Partei hat, sondern auch viele erbitterte Gegner.
So verständigte man sich recht pragmatisch auf eine Arbeitsteilung. Söder ist zukünftig für die Landespolitik zuständig, Seehofer für den Bund. Bei den Sondierungsgesprächen zu einer Großen Koalition der Union mit der SPD in Berlin hat Seehofer für die CSU das letzte Wort. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird er, sollte es zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommen, in der nächsten Bundesregierung noch einmal Minister. Es ist ein Zweckbündnis zwischen Söder und Seehofer, ein Zweckbündnis auf Zeit zwischen den beiden verfeindeten Lagern, eine bayerische Notgemeinschaft.
Geschlossenheit in der Not
Bis zur Landtagswahl im September 2018 wird diese bayerische Notgemeinschaft ohne Zweifel halten. Schließlich hat die Bundestagswahl am 24. September die CSU in einen Abgrund blicken lassen. Die Partei war auf 38,8 Prozent abgestürzt, hat mit der AfD rechtsaußen politische Konkurrenz bekommen und fürchtet seitdem um den Verlust der absoluten Mehrheit im bayerischen Landtag sowie die Sonderstellung im bundesdeutschen Parteiensystem.
Der anschließende Streit hat die Partei sogar noch ein paar Schritte näher an den Abgrund herangeführt. So groß die Not war, so groß war auch das Erschrecken. Also wird in der CSU jetzt die Geschlossenheit beschworen. Jeder, der in den kommenden Monaten mit Querschüssen den Parteifrieden stört, wird von der Partei abgestraft werden. Not diszipliniert.
Merkel wird hofiert
Und weil man schon dabei war, wurde auf dem Parteitag in Nürnberg auch noch die große Versöhnung mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel inszeniert, mit vielen warmen Worten, Blumen und kleinen Scherzen. Vor zwei Jahren, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, war Merkel auf dem CSU-Parteitag mit Eiseskälte empfangen und von Horst Seehofer auf offener Bühne gedemütigt wurden. Jetzt wurde sie von Seehofer hofiert und von den Delegierten gefeiert. Denn noch etwas haben die Christsozialen in den vergangenen Monaten schmerzhaft lernen müssen: Dem Wähler gefällt es vielleicht, wenn die Bayern gelegentlich gegen Berlin sticheln, aber es gefällt Ihnen überhaupt nicht, wenn sich die beiden Schwesterparteien bekriegen.
Die Angst vor instabilen Verhältnissen
So wie die CSU innerparteiliche Geschlossenheit braucht, braucht sie auch Ruhe in Berlin, um einen erfolgreichen Landtagswahlkampf zu bestreiten. Deshalb stützten die Chefs plötzlich Merkel und deshalb drängen sie auch darauf, dass es nach dem ganzen Jamaika-Hickhack nun schnell zu einer Verständigung mit der SPD kommt. Denn nichts fürchtet die CSU mehr als instabile Verhältnisse in Berlin oder gar baldige Neuwahlen zum Bundestag. Beides würde ihr den Landtagswahlkampf verhageln.
Die inszenierte Geschlossenheit, die Versöhnung mit der Kanzlerin und die Fortsetzung der Groko in Berlin: Reicht das alles, um die absolute Mehrheit in Bayern zu verteidigen? Reicht das, um verlorenes Vertrauen beim Wähler zurückzugewinnen? Reicht das, um im Vergleich zur Bundestagswahl in Bayern 10 Prozentpunkte zuzulegen? Reicht das, um die AfD wieder unter die Fünf-Prozent-Hürde zu drücken? Es darf bezweifelt werden.
Der Erfolg wird zum Problem
Die vergangenen beiden Jahre haben die strukturellen Probleme der CSU offengelegt, auch in Bayern sind die Wähler flexibler geworden, ihre Wechselbereitschaft ist sogar noch größer als in den meisten anderen westdeutschen Bundesländern.
Gleichzeitig wird in Bayern der Erfolg für die CSU zum Problem. Bayern boomt, die Wirtschaft wächst, die Landeskassen sind gut gefüllt, es gibt fast Vollbeschäftigung. Aber die Wähler wählen Parteien nicht wegen der Lorbeeren der Vergangenheit, sondern wegen ihrer Erwartungen an die Zukunft. Da gibt es in Bayern nicht die zwei drei großen politische Projekte, mit denen sich die Wähler mobilisieren ließen.
Stattdessen gibt es erstens einen bunten Strauß an Themen, bei denen sich die Menschen in Bayern über die Politik der Landespolitik aufregen. Sei es die Wohnungsnot in den bayerischen Großstädten oder die Zersiedelung auf dem Land, sei es ein Skilift, den die Landesregierung durch ein Naturschutzgebiet bauen lassen will, oder sei es, dass die Digitalisierung der ländlichen Räume stockt.
Hinzu kommt zweitens, dass viele Menschen trotz der guten wirtschaftlichen Lage Zukunftsängste umtreiben, die Ahnung, dass es nicht immer so weiter geht, dass der nächste Abschwung zwangsläufig folgt und dann offenbar wird, dass in Deutschland und in Bayern viele strukturelle Probleme ausgesessen wurden.
Drittens wird die CSU aus Berlin im Wahlkampf auch Gegenwind spüren, der Preis für ein Bündnis mit der SPD werden Zugeständnisse nach links sein. Bei der Flüchtlingspolitik oder der Sozialpolitik. Da wird es der CSU schwerer fallen, die rechte Flanke zu schließen und die AfD zurückzudrängen.
Abgerechnet wird nach der Landtagswahl
Es beginnen in Bayern nun neun spannende Monate. Und nach der Landtagswahl wird in der CSU abgerechnet. Dann wird die bayerische Notgemeinschaft aufgekündigt werden. Entweder Markus Söder wird als erfolgreicher Wahlkämpfer dann die ganze Macht in der Partei einfordern, den Seehoferflügel der Partei an den Rand drängen. Wahrscheinlicher ist, dass es anschließend in der CSU erst richtig zu Sache gehen wird. Verfehlt Markus Söder die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl, werden die tiefen Gräben, die sich in der CSU aufgetan haben, wieder aufbrechen. Dann war der innerparteiliche Machtkampf der vergangenen Wochen nur ein Vorspiel gewesen auf den Krieg, der in der Partei ausbrechen könnte.
Die inszenierte Versöhnung von Nürnberg mag der CSU eine Verschnaufpause verschafft haben. Aber der Überlebenskampf der CSU ist nicht vorbei, er hat gerade erst begonnen.