Christian Lindner und sein Baukredit - Ein Skandal, der keiner ist

Christian Lindner hat, bevor er Bundesfinanzminister wurde, einen Baukredit für sein Eigenheim aufgenommen. Jetzt fordern der „Spiegel“ und Transparency International, er möge darlegen, dass er dabei keine Vorzugskonditionen bekommen hat. Damit wird die Beweislast umgekehrt: Nicht der Vorwurf muss belegt werden, sondern der „Angeklagte“ soll seine Unschuld beweisen. Wenn das Schule macht, dann gute Nacht Rechtsstaat.

Wie verdächtig hätte er sich erst gemacht, wenn er ohne Schulden gebaut hätte: Christian Lindner / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

So erreichen Sie Hugo Müller-Vogg:

Anzeige

Christian Lindner hat Anfang 2021 ein Haus gekauft. Dazu benötigte er einen Kredit. Da war er noch nicht Bundesfinanzminister und wusste auch nicht, ob er es jemals werden würde. Baugeld war übrigens damals äußerst preiswert: Hypothekenzinsen von unter einem Prozent waren da noch üblich.

Der Bauherr Lindner hat sich den Kredit bei der BBBank besorgt, einem genossenschaftlichen Institut in Karlsruhe. Das lag einerseits nahe. Denn der FDP-Politiker hatte bei der Bank schon öfters Vorträge gehalten; man kannte sich also. Das Geld bekam er zu „absolut marktüblichen Konditionen“, wie Lindners Anwalt betont. Dafür, dass die Bank zu Lasten ihrer Eigentümer, also der Genossenschaftsmitglieder, Lindner etwas geschenkt haben könnte, gibt es keinerlei Belege. Das spielt aber keine Rolle, wenn der Spiegel einen Skandal entdeckt zu haben glaubt. Dafür reicht die Vermutung beziehungsweise Unterstellung.

„Transparency International“ hat sich ebenfalls des „Falls Lindner“ angenommen. Die selbsternannten Tugendwächter verlangen vom Bundesfinanzminister, „Vorwürfe über mögliche Vorzugskonditionen proaktiv aus dem Weg (zu) räumen“. Denn die Verbindung Lindners zur Bank habe „zumindest ein Geschmäckle“, wie es Margarete Bause formuliert, stellvertretende „Transparency“-Vorsitzende in Deutschland.

Ein „Geschmäckle“ hat die Aufforderung der Grünen

Dazu muss man wissen: Bause war viele Jahre lang die Nummer eins der bayerischen Grünen. Sie säße noch heute im Bundestag, wenn sie 2021 bei der parteiinternen Kandidatenaufstellung nicht gescheitert wäre. Ihr Blick auf den FDP-Mann Lindner dürfte also nicht so objektiv und neutral sein, wie „Transparency“ sich gerne gibt.

Ein „Geschmäckle“ hat zweifellos die Aufforderung der Grünen, Lindner möge sich zu „möglichen Vorzugskonditionen“ äußern. Es gibt nicht den geringsten Beweis, dass ihm von der Bank besonders günstige Konditionen eingeräumt wurden. Da offenbart sich ein seltsames Verständnis von „Transparenz“: Nicht der Vorwurf muss belegt werden, vielmehr wird die Beweislast umgekehrt: Der „Angeklagte“ hat gefälligst seine Unschuld zu beweisen. Wenn das Schule macht, dann gute Nacht Rechtsstaat.

 

Mehr von Hugo Müller-Vogg:

 

Lindners Hauskauf wird obendrein noch zusätzlich „skandalisiert“, weil er bei einem Kaufpreis von 1,65 Millionen Euro sich von der Bank insgesamt 2,8 Millionen Euro lieh. Nun ist Lindner nicht der erste Hauskäufer, der sich mehr Geld leiht, als er für den Erwerb der Immobilie benötigt. Denn die Sanierung des neuen Heims kann viel Geld verschlingen und die entsprechende Ausstattung ebenso. Warum also nicht kräftig zulangen, wenn es das Geld wie bis vor kurzem zu sehr geringen Zinsen gibt?

Wer sucht, der findet immer etwas, das sich skandalisieren lässt

Das Risiko, dass die BBBank im Frühjahr 2021 mit ihrem Engagement bei Lindner einging, war überdies überschaubar. Als Fraktionsvorsitzender kam Lindner damals auf rund 20.000 Euro an Diäten im Monat, plus einer steuerfreien Aufwandsentschädigung von 4500 Euro. Das entspricht einem Bruttoeinkommen von 360.000 Euro im Jahr. Wäre er nicht Minister geworden, wäre er zweifellos Fraktionschef geblieben. Da Lindner außerdem ein guter und gefragter Redner ist, kamen vor seiner Ministerzeit noch stattliche Honorare hinzu. Man darf also davon ausgehen, dass die BBBank ebenso wie alle anderen Kreditinstitute schlechtere Risiken als Lindner in ihren Büchern hat.

Nicht alles, was als Skandal bezeichnet wird, ist ein Skandal, selbst wenn sich der Spiegel bei der Produktion solcher Fälle stets viel Mühe gibt. Lindner wäre freilich gut beraten gewesen, es sich zweimal zu überlegen, wo er seine Hypothek aufnimmt. Wer bei der BBBank schon mehr als einen Vortrag gehalten hat, macht es natürlich denen sehr leicht, nach „Beweisen“ zu rufen, nicht bevorzugt worden zu sein. Freilich dürfte Lindner – wie andere führende Politiker auch – schon bei sehr vielen Geldinstituten Vorträge gehalten, an Veranstaltungen teilgenommen und Grußworte übermittelt haben.

Nehmen wir einmal an, Lindner hätte sich irgendeine Bank gesucht, mit der er noch nie zu tun gehabt hatte – weder als Privatmann noch als Politiker. Auch dann hätte sich ein „Skandal“ daraus konstruieren lassen, dass sich ein Politiker so hohe Verbindlichkeiten leisten kann. Und wie verdächtig hätte sich Lindner erst gemacht, wenn er ohne Schulden gebaut hätte!

Wer sucht, der findet halt immer etwas, das sich skandalisieren lässt. Und auf eines können diese „Aufklärer“ und Hersteller von „Transparenz“ immer bauen – dass in jedem Fall etwas hängen bleibt, auch bei Fällen, die gar keine „Fälle“ sind.

Anzeige