Imam-Entsendungen aus der Türkei beendet - „Dieser Schritt wird an den Problemen nichts ändern“

Künftig sollen keine Imame mehr aus der Türkei nach Deutschland entsendet, sondern durch den Moscheeverband Ditib hierzulande ausgebildet werden. Was Bundesinnenministerin Nancy Faeser als politischen Erfolg verkaufen möchte, ist in Wahrheit eine gefährliche Mogelpackung, findet Christoph de Vries im Interview.

Imam Ali Erbas betet mit Recep Tayyip Erdogan bei der Eröffnung der Ditib-Zentralmoschee in Köln / dpa
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Clemens Traub ist Buchautor und Cicero-Volontär. Zuletzt erschien sein Buch „Future for Fridays?“ im Quadriga-Verlag.

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Christoph de Vries (CDU) kommt aus Hamburg und ist Abgeordneter des Deutschen Bundestags. Als Mitglied des Innenausschusses beschäftigt er sich intensiv mit dem zunehmend einflussreicher werdenden politischen Islam in Deutschland.

Herr de Vries, Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat mit der Religionsbehörde Ditib vereinbart, dass keine Imame mehr aus der Türkei zu uns entsendet werden. Die Ausbildung der Imame soll künftig durch Ditib in Deutschland erfolgen. Hierfür bietet Ditib eigene Ausbildungsprogramme an. Die Bundesregierung sieht dies als Loslösung des Verbandes von der Türkei. Wie bewerten Sie die Neuregelung?

Grundsätzlich ist das ein richtiger Schritt. Wir haben in unserer Regierungszeit auch schon dafür gesorgt, dass ausländische Imame Mindestsprachkenntnisse mitbringen müssen, wenn sie nach Deutschland einreisen. Aber wir dürfen uns keine Illusionen machen. Dieser Schritt wird an den grundlegenden Problemen nichts ändern. Es ist nicht entscheidend, wo die Imame ausgebildet werden, sondern wer sie ausbildet. Solange Ditib in Deutschland weiterhin vollständig aus der Türkei und von der Religionsbehörde Diyanet gesteuert wird, die wiederum Präsident Erdogan untersteht, wird sich an diesem Problem leider überhaupt nichts ändern.

Es ist wichtig zu wissen: Die Ditib-Moscheen unterstehen unmittelbar dem türkischen Staat, weil sie von den türkischen Religionsattaches vereinsrechtlich kontrolliert werden. Das sind die Chefs von Ditib in Deutschland. Unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit finden in den Moscheen mitten in Deutschland türkischer Wahlkampf, Kriegsverherrlichung, Antisemitismus und die Bespitzelung von Oppositionellen statt.

Christoph de Vries / dpa

Dies bedroht das friedliche Zusammenleben in unserem Land und wird durch die neue Regelung des Bundesinnenministeriums nicht verhindert. Diese ausländische Einflussnahme, dieser Missbrauch der Religionsfreiheit für politische Zwecke ist gefährlich. Wir als CDU/CSU wollen, dass er ein Ende hat. Auch die scheußlichen Aussagen des Diyanet-Chefs Ali Erbas hätten dem Bundesinnenministerium zu denken geben müssen.

Was meinen Sie?

Ali Erbas hat als Vorsitzender der Religionsbehörde Diyanet und damit auch Chef der Ditib schlimmste antisemitische Propaganda verbreitet. Er hat Israel als „rostigen Dolch im Herzen der islamischen Geographie“ und das Judentum als „schmutzigen, perversen Glauben“ bezeichnet. Die Ausmaße dieser Feindseligkeiten müssen wir uns vergegenwärtigen.

Erbas hat in den Ditib-Moscheen jeden Freitag einen Einfluss auf die rund zwei Millionen in Deutschland lebenden Muslime. In Ditib-Moscheen wird seit Jahren mitten in unseren Kommunen auch Hass gegen Juden, Christen und Menschen ohne Glaubensbekenntnis verbreitet. Diesen Missbrauch der Religionsfreiheit können wir nicht länger dulden. Wir brauchen eine radikale Neuausrichtung in der Islampolitik und der Imamausbildung.

Warum verkauft das Bundesinnenministerium die Entscheidung trotzdem als politischen Erfolg?

Die Wahrheit ist, dass die Bekämpfung des politischen Islam ein weißer Fleck auf der politischen Agenda von Nancy Faeser und der gesamten Ampelregierung ist. Es gibt keine einzige Maßnahme, die sie bisher ergriffen hat, um den politischen Islam in Deutschland zu bekämpfen. Die Bekämpfung des politischen Islams spielt keine Rolle im Koalitionsvertrag und auch nicht bei den Eckwerten im Demokratiefördergesetz.

Wir haben einen umfassenden Aktionsplan Rechtsextremismus, der völlig richtig ist. Aber warum gibt es das nicht im Bereich des Islamismus, obwohl das islamistische Bedrohungspotenzial in Deutschland gewaltig ist und nach Aussage der Bundesinnenministerin selbst sogar noch wachsen wird? Diese Ignoranz ist fahrlässig.

Wie müssen wir die Imamausbildung in Deutschland organisieren, sodass sich der Einfluss ausländischer Regierungen und die Verbreitung eines konservativen Islams hierzulande verhindern lassen?

Unsere Forderung als Union ist, dass wir keinem Geistlichen mehr ein Visum aushändigen möchten, der von ausländischen Regierungen geschickt wird. Außerdem müssen wir an die Finanzierungsquellen aus dem Ausland ran, die dringend beendet gehören. Imame sollten bei uns in Deutschland an unabhängigen und politisch neutralen Instituten ausgebildet werden.

 

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Wenn an Universitäten in Berlin oder Freiburg Lehrstühle für islamische Theologie vergeben werden, sitzen auch Islamverbände wie Ditib am Tisch. Diese sorgen natürlich dafür, dass konservative und nicht liberale Professoren zum Zug kommen. Das gilt gleichermaßen für Schulen. Diese Praxis gilt es tunlichst zu beenden. Unser Ziel ist ein deutscher Islam mit Religionsgemeinschaften, die sich zu unserem Land und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und keine Loyalität zu ausländischen Regierungschefs haben.

Welche Rolle spielt Ditib in der Deutschlandpolitik des türkischen Staatspräsidenten Erdogan?

Ditib gibt es schon seit vielen Jahrzehnten in Deutschland, schon lange vor Erdogans Amtszeit. In der kemalistischen Zeit hatte Ditib durchaus einen mäßigenden und integrativen Einfluss auf türkischstämmige Migranten. Das hat sich mit dem Amtsantritt des türkischen Präsidenten Erdogan massiv geändert. Staatspräsident Erdogan hat parallel zur Islamisierung der Türkei eine Islamisierung der türkischen Community in Deutschland vorangetrieben. 

Ditib ist damit nicht einfach eine Religionsgemeinschaft, sie ist vor allem auch politisches Mittel im Portfolio eines Präsidenten, der türkischen Nationalismus mit Islamismus verbindet. Erdogan betrachtet die in Deutschland lebenden Türken als Wähler und Erpressungspotenzial gegenüber dem deutschen Staat. Er lässt Oppositionelle im Dunstkreis von Ditib bespitzeln und verfolgen.

Wir waren zu lange nur Zaungäste dieser Entwicklung. Es muss in unserem ureigenen Interesse sein, diese ausländische Beeinflussung zu beenden. Ich bin mir sicher: Wenn wir religiösen Organisationen wie Ditib unmissverständlich ihre Grenzen aufzeigen, werden sich auch neue Organisationen bilden, welche die muslimische Community in Deutschland besser repräsentieren und mit denen unser Staat vertrauensvoller zusammenarbeiten kann.

Wir wissen doch bereits seit Jahren, dass die Ditib-Moscheen ein verlängerter Arm Erdogans in Deutschland sind. Warum hat der deutsche Staat die massive Einflussnahme der Türkei schlichtweg geduldet?

Der deutsche Staat und seine Vertreter haben über lange Zeit gedacht, dass wir mit den islamischen Religionsgemeinschaften und damit auch Ditib so umgehen müssen, wie wir das auch im Umgang mit den christlichen Kirchen kennen. Das war und ist ein fundamentaler Irrglaube. Islamische Organisationen wie Ditib haben unsere Religionsfreiheit in Deutschland systematisch für ihre politischen Zwecke ausgenutzt.

Dazu gehört auch der Zentralrat der Muslime, der in seinen Reihen die türkischen Rechtsextremisten Atib, die Muslimbrüder der DMG oder das Islamische Zentrum in Hamburg in seinen Reihen als Mitglieder geduldet hat. Seine Vertreter werden hofiert und dadurch erst salonfähig gemacht. Es kann nicht sein, dass Verächter unseres Systems auf Empfängen des Bundespräsidenten oder wie im Fall Aiman Mazyek in Talkshows eingeladen werden.

Diese Verbände und Organisationen versuchen nicht nur unsere freiheitliche Grundordnung zu unterwandern, sondern repräsentieren nicht einmal 20 Prozent der Muslime in Deutschland. Das Problem sind nicht die Muslime in Deutschland, die hier ganz überwiegend friedlich leben, sondern ihre Repräsentanten.

CDU-Innenpolitiker äußerten vor zwei Wochen die Befürchtung, dass es zur Gründung einer türkisch-islamischen Partei in Deutschland kommen könnte. Für wie wahrscheinlich halten Sie dieses Szenario?

Bisher gab es eher den Versuch, über etablierte Parteien auf unser Land Einfluss zu nehmen. Dies ändert sich nun offensichtlich. Wenn wir in westdeutsche Städte mit vielen muslimischen Migranten schauen, sehen wir, dass die Moscheegemeinden oft eine herausragende Rolle für die islamische Community in unserem Land spielen. Daraus erwächst die sehr reale Gefahr, dass sich eine türkische oder islamistische Partei bildet. Das wissen Islamisten nur zu gut. Mit dem Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) gibt es bereits einen AKP-Ableger als islamisch geprägte Partei, die u.a. bei Wahlen in Hamburg und NRW angetreten ist.

Dieses Potenzial wird sich mit dem von der Ampel geplanten Turbo-Einbürgerungsrecht massiv erhöhen, weil es die Verleihung der deutschen Staatbürgerschaft mit verkürzten Einbürgerungsfristen für mehrere Millionen Ausländer überwiegend muslimischen Glaubens ermöglicht. Wir müssen davon ausgehen, dass viele dieser Menschen aus den arabischen Staaten empfänglich sind für eine islamistische Partei, die sich als Fundamentalopposition zur Bundesrepublik Deutschland mit all ihren liberalen Werten versteht. Wir halten das Staatsbürgerschaftsrecht vor diesem Hintergrund für völlig deplatziert und plädieren als CDU dafür, die verkürzten Einbürgerungsfristen nicht durchzusetzen.

Wie kann der deutsche Staat den Aufbau organisatorischer und repräsentativer Strukturen für liberale Muslime in unserem Land besser unterstützen?

So sympathisch mir dieses Anliegen auch ist, es ist verfassungsrechtlich nicht Aufgabe des Staates, eigene islamische Religionsgemeinschaften oder Vereine zu gründen. Politisch können wir nur Unterstützung und Anlaufhilfe gewähren. Der Impuls zur Gründung neuer Vereine und Verbände muss von den Muslimen selbst ausgehen. Vor diesem Hintergrund finde ich es auch ein Trauerspiel, dass die liberale Ibn Rushd-Goethe Moschee von Seyran Ates in Berlin aufgrund ständiger Bedrohungen und Anfeindungen schließen musste.

Ich selbst habe in unserer Regierungszeit liberale Vereine angeschrieben und sie ermuntert, Bundesmittel für eine weitere Professionalisierung ihrer Strukturen zu beantragen. Das ist bislang aber leider nicht in größerem Umfang gelungen.

Sie sprechen die Schließung der liberalen Moschee von Seyran Ates in Berlin an. Gehört es nicht auch zur schonungslosen Wahrheit, dass die deutsche Politik den Schutz liberaler Muslime notorisch vernachlässigt und damit die Etablierung progressiver Organisationen in Deutschland verunmöglicht hat?

Ich bin mit progressiven Muslimen wie Seyran Ates und Ahmad Mansour seit Jahren in Kontakt. Alle diese Vertreter eines liberalen Islams sind im Grunde ständigen Bedrohungen in Deutschland ausgesetzt und können öffentliche Veranstaltungen nur unter Polizeischutz durchführen. Glauben Sie mir, zu hören, unter welchen Umständen diese Kritiker eines konservativen Islams hierzulande Leben müssen, macht mich sehr traurig.

Es ist geboten, dass sich die Spitzen der Politik demonstrativ hinter liberale Muslime stellen und sie fördern. Denn genau das sind die Muslime, die wir in Deutschland brauchen und die einen modernen Islam repräsentieren.

Das Gespräch führte Clemens Traub.

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