Carsten Linnemann folgt Mario Czaja als CDU-Generalsekretär  - Der Meister der Hauptsätze

Mit der Berufung von Carsten Linnemann gelingt CDU-Parteichef Friedrich Merz ein Befreiungsschlag. Mit seinem Elan und seiner Energie kann der neue Generalsekretär die Partei aus der gefühlten Krise führen. Doch die Berufung ist nicht ohne Risiken. 

Vorgänger und Nachfolger: Carsten Linnemann (li.) und Mario Czaja. /dpa
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Carsten Linnemann hat etwas, das gar nicht mehr so üblich ist in der Politik: echte Leidenschaft. In der aktuellen öffentlichen Stimmung ist das nicht ungefährlich. Wer mit galoppierender Begeisterung bei der Sache ist, macht sich angreifbarer in Talkshows und auf den nervösen Social-Media-Kanälen. Doch das hält Linnemann nicht auf. Der neue Generalsekretär der CDU, den der Parteivorsitzende Friedrich Merz heute an die Stelle des als glücklos bewerteten Mario Czaja gesetzt hat, wird dem überlieferten Bild eines Generalsekretärs wieder mehr gerecht. Angriff und Attacke!

Während Czaja meist bewusst die Zuspitzung gemieden hat, ist Linnemann der Meister der griffigen Wortwahl, der Prophet der Hauptsätze. „Die Bürger wollen Problemlöser und keine Moralapostel“, schreibt er dann zum Beispiel in der Welt. Oder: „Der Staat ist für die Menschen da, nicht umgekehrt.“

Personalie als Befreiungsschlag

Für Merz ist die Berufung von Linnemann ein Befreiungsschlag, der zwar nicht ohne Risiken ist, aber dann doch auch unausweichlich war. Dabei muss die überraschende Personalrochade zum Anfang der Sommerpause Dreifaches leisten: bessere Umfragen für die CDU, Kampagnenfähigkeit der Partei und Geschlossenheit trotz unterschiedlicher Strömungen.

Den Eindruck, die Union profitiere nicht genug von der Krise der Ampel-Regierung, hatten zuletzt nicht nur Merz-Kritiker in der Partei, sondern auch seine Unterstützer. Der Wechsel des „GS“, wie es parteiintern heißt, ist sozusagen eine der wenigen großen Leuchtraketen, die ein Vorsitzender in der Opposition zünden kann, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Allerdings: Viel mehr hat er auch nicht. Linnemann muss liefern, das heißt: Wahlerfolge für die ganze Partei. 

Quadratur des CDU-Kreises

Außerdem muss die Personalie Linnemann die Merz-Fans in seiner Partei beglücken, die sich durch den oft mehr abwägenden Kurs des Parteivorsitzenden enttäuscht sehen. Linnemann nennt sich „konservativ“, wo andere in der Partei schon mit dem Wort vorsichtig umgehen und betonen, die CDU sei „nicht nur“ eine konservative Partei. Linnemann zählt sich offensiv zum wirtschaftsliberalen Flügel der Partei, fordert Deutschpflicht für Schulanfänger und verschreckt den Sozialflügel bisweilen mit Vorschlägen für Leistungskürzungen. 

Doch die Klare-Kante-Sehnsüchte der Konservativen kann er nur befriedigen, wenn er die anderen Teile der Partei dabei nicht vernachlässigt. Es ist eine typische Quadratur des CDU-Kreises: Bandbreite und Profilierung zugleich. Linnemann darf die CDU in den Ländern, die dort teilweise erfolgreich mit den Grünen regiert, nicht andauernd vor den Kopf stoßen, und zugleich muss er die Grünen als „Hauptgegner“ in Berlin  attackieren. „Wir brauchen erst mal 100 Prozent CDU“, lautet dann so ein Linnemann-Hauptsatz. Kompromisse und Koalitionen kommen später. 

 

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Schließlich muss  die Personalie auch eine gewisse Dysfunktionalität der Parteizentrale beenden. Mit Czaja als Generalsekretär und Linnemann als Programmchef war schon eine schwelende Unklarheit grundgelegt, aber es gibt noch weitere Webfehler im Teppich des Adenauer-Hauses, die Linnemann nun ausbügeln muss, um die Kampagnenfähigkeit der CDU mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen zu erhöhen. Dabei kommt Linnemann seine Vernetzung in der Partei zugute, die sein Vorgänger sich erst erarbeiten musste. 

Besser vernetzt in der Partei

Carsten Linnemann kommt aus Paderborn, sitzt seit 2009 im Bundestag. Er stammt damit aus dem CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen, was ihm aus Proporzgründen Anfang 2021 beim Regimechange von Armin Laschet zu Merz den Weg ins Amt versperrte. Doch die Verwurzelung in der NRW-CDU und auch seine Kontakte in die jüngere Generation dürften ihm jetzt helfen.

Mit Ministerpräsident Hendrik Wüst und NRW-Generalsekretär Paul Ziemiak werden nun im besten Fall Absprachen leichter und gemeinsame Strategiefestlegungen effizienter gelingen. Sowohl Merz als auch Czaja waren bislang im konkreten Geschäft zu weit weg von den neuen Machteliten der Partei.

Die Empörungs-Bombe

Das größte Risiko in der Personalie Linnemann liegt eben auch in seiner größten Stärke. Seine leidenschaftliches Charisma und sein Talent zur Zuspitzung bieten in der aufgeheizten politischen Großwetterlage ein ideales Angriffsfeld für den politischen Gegner. Schon kurz nach seiner Berufung kursierten im Netz die Linnemann-Zitate, die den unter diskurstechnischem Rechtsverdacht stehenden Hans-Georg Maaßen als zur Partei gehörig schützen.

Maaßen selbst sollte aus der Partei ausgeschlossen werden, doch ausgerechnet heute hat das Kreisparteigericht in Thüringen den Rauswurf des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten abgelehnt. Voller Triumph forderte Maaßen auf Twitter von Merz nun „personelle Konsequenzen“. Kurze Zeit später verkündet Merz den Wechsel im Amt des Generalsekretärs. Da lässt sich natürlich in der Twitter-Logik leicht eine Empörungs-Bombe zünden.

Carsten Linnemann muss einen Weg finden, auf den Skandalisierungswellen zu surfen und zugleich der Eskalationslogik des politischen Gegners zu entgehen. Dabei wird entscheidend sein, wieviel rhetorische Beinfreiheit ihm sein Vorsitzender lässt (daran mangelte es bisweilen in der Merkel-Zeit) und auch, wieviel Zuspitzung die anderen Kraftfelder der Partei, etwa in Düsseldorf und Kiel, dem neuen General zugestehen. Seine unermüdliche Leidenschaft wird ihm helfen.

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