Bundesregierung will Standort sichern - Trotz Maßnahmenpaket: Keine Entwarnung für PCK Schwedt

Für die Raffinerie in Schwedt hat die Bundesregierung jetzt zum großen Befreiungsschlag ausgeholt. Die russischen Anteilseigner wurden unter Treuhandverwaltung gestellt und ein großes Maßnahmenpaket angekündigt. Aber reicht das, um die Kraftstoffversorgung und den Standort tatsächlich abzusichern?

Noch läuft die Raffinerie PCK Schwedt auf vollen Touren. Aber wie lange noch? /dpa
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Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Die Bundesregierung versucht mit allen Mitteln, den Weiterbetrieb der PCK-Raffinerie in Schwedt (Brandenburg) zu sichern. Am Freitagvormittag teilte die Regierung mit, dass die Rosneft Deutschland GmbH und die RN Refining & Marketing GmbH unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt werden. Der Jurist und Betriebswirt Christoph Morgen wurde als Geschäftsführer der deutschen Rosneft-Gruppe eingesetzt. Morgen sei ein „ausgewiesener Krisenmanager mit umfassender Erfahrung in verschiedensten Branchen, unter anderem auch im Energiesektor“, teilte die Bundesnetzagentur am Freitag in Bonn mit. Die deutschen Tochterfirmen des russischen Staatskonzerns Rosneft sind Mehrheitseigner am PCK Schwedt sowie an den Raffinerien Miro in Karlsruhe und Bayernoil in Vohburg beteiligt.

Komplizierter Umstellungsprozess 

Mit diesem Schritt sollen die Weichen dafür gestellt werden, dass der Betrieb in Schwedt auch nach dem angekündigten Beginn des Ölembargos gegen Russland am 1. Januar 2023 weitgehend fortgesetzt werden kann. Bisher verarbeitete das 1964 in Betrieb genommene ehemalige DDR-Staatsunternehmen „VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt“ bis zu zwölf Millionen Tonnen Rohöl im Jahr für die Produktion von Diesel, Heizöl, Kerosin und andere Produkten auf Rohölbasis.

Doch es ist alles andere als einfach, den Wegfall der russischen Lieferungen, die bislang direkt über die „Drushba-Trasse“ erfolgten, zu kompensieren. Mit einer Anlieferung über Straße und Schiene – etwa über den Seehafen Rostock – könnte die notwendige Kapazität nicht realisiert werden. Und die bereits existierende Pipeline von Rostock nach Schwedt müsste erheblich ausgebaut werden, um einen relevanten Versorgungsbeitrag leisten zu können. 
 

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Zwar gab es von der Bundesregierung in den vergangenen Wochen immer wieder Bekenntnisse zum Weiterbetrieb der Raffinerie. Im Gespräch war eine Auslastung von „mindestens  60 Prozent“. Doch die erhitzten Gemüter in Schwedt konnte das kaum besänftigen. Zum einen ist ein gedrosselter Betrieb eine technisch sehr anspruchsvolle Aufgabe, da es sich um eine überaus komplexe Anlage handelt, die man nicht einfach hoch- und runterfahren könne, so ein Fachexperte auf Cicero-Anfrage. Auch die Umstellung auf andere Erdölsorten erfordere umfangreiche technische Vorbereitungen.

Es drohen Versorgungsengpässe

Vor allem hätte eine gedrosselte Ölverarbeitung massive Folgen für die Versorgung mit Erdölprodukten, besonders im Nordosten Brandenburgs und in der Hauptstadt Berlin, wo der Anteil der Raffinerie an der Versorgung bei rund 95 Prozent liegt. Befürchtet werden daher Engpässe bei Kraftstoffen für gewerbliche und private Verbraucher. Auch die Belieferung des Berliner Flughafens mit Flugbenzin, die Versorgung der Stadt Schwedt mit Fernwärme und die Lieferung von Bitumen für den Straßenbau wären dann gefährdet. Und nicht zuletzt geht es um den Betrieb selbst, der mit seinen 1200 Mitarbeitern, vielen Zulieferern und Dienstleistern das wirtschaftliche Herz der brandenburgischen Oderregion ist. Sowohl die IHK als auch Gewerkschaften und Landespolitiker aller Fraktionen betonten immer wieder, dass die „60-Prozent-Perspektive“ keine Lösung für Schwedt sein kann. 

Schlüssel  für die Sicherung der Lieferungen im notwendigen Umfang sollte eigentlich der nahegelegene polnische Seehafen Danzig sein. Doch Polen stellte sich quer, mit der Begründung, dass man kein Öl an ein Unternehmen liefern wolle, an dem Tochterunternehmen des russischen Rosneft-Konzerns Anteile haben. Seit Wochen bemüht sich eine hochrangige Task Force, an der der Bund, das Land Brandenburg, Wirtschaftsverbände und Fachexperten beteiligt sind, auch diese Kuh vom Eis zu holen. Es soll „sehr intensive Gespräche“ mit polnischen Stellen gegeben haben, heißt es auf Nachfrage. Offiziell mochte sich dazu aber niemand äußern.  

Allerdings hat man dem Vernehmen nach den polnischen Vertretern auch klargemacht, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. Denn der Nachbar hat mit massiven Energieversorgungsproblemen zu kämpfen, die unter anderem durch Gaslieferungen aus Deutschland etwas abgepuffert werden konnten. Die am Freitagmorgen verfügte Treuhandverwaltung der Rosneft-Tochterunternehmen kommt den polnischen Vorbehalten deutlich entgegen. Allerdings handelt es sich nicht um eine Enteignung, sondern um eine Aussperrung vom operativen Betrieb.

„Wir wissen nicht genau, was jetzt passiert“.

Am Mittag traten dann Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in Berlin gemeinsam vor die Presse, um ihr von allen in die Causa Schwedt involvierten Menschen mit Spannung erwartetes „Maßnahmenpaket für die ostdeutschen Raffineriestandorte und Häfen“ vorzustellen. Zur Beruhigung dürften die Ausführungen der drei Spitzenpolitiker aber nur sehr bedingt beitragen.

Zwar betonte Scholz, dass „der Betrieb jetzt gesichert ist“ und keiner der jetzt dort Beschäftigten „Angst um seine persönliche Zukunft“ haben müsse, da Kündigungen auf alle Fälle „vermieden“ werden. Woidke verwies auf „sehr gute Kurzarbeiterregelungen“ für den Fall, dass die Raffinerie zeitweilig nicht in Volllast betrieben werden könne. Habeck  machte auf „derzeit volle Öllager“ in Schwedt aufmerksam und auf die nationale Erdölreserve, die man auch weiterhin für Schwedt anzapfen würde.

Und auch die Hindernisse in Bezug auf Lieferungen aus Polen seien „weitgehend ausgeräumt“. Zudem werde man „massiv investieren“, um die Pipeline aus Rostock auf höhere Kapazitäten auszulegen. Und dann natürlich das übliche Füllhorn mit immer neuen Fördertöpfen für die Region, etwa für ein „Start-Up-Labor“ und die Fortentwicklung von Zukunftstechnologien, unter anderem im Bereich synthetischer Kraftstoffe.

Alles wohlklingende Zukunftsmusik, aber wenig Konkretes. Etwa für den Fall, dass Russland jetzt kurzfristig den Ölhahn für Schwedt zudreht. Man habe da zwar „mehrere Sicherheitsschichten“ und damit „eine gute Voraussetzung, dass es reichen wird“, beteuerte Scholz, um später einzuräumen: „Wir wissen nicht genau, was jetzt passiert.“ Bei Habeck klang das ähnlich: „Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Und Woidke mahnte, dass es in den nächsten Monaten nicht immer „fröhlich und mit eitel Sonnenschein“ zugehen werde.

Ein Lackmustest für die Bundesregierung

Doch Ruhe wird damit in Schwedt wohl kaum einkehren. Zum einen können die Rosneft-Töchter noch Rechtsmittel gegen die verfügte Treuhandverwaltung einlegen. Zum anderen steht die kontinuierliche Lieferung großer Mengen Erdöl aus Danzig in die Raffinerie bislang nur auf dem Papier, es gibt Unklarheiten über die verfügbaren Mengen und die Leistungsfähigkeit der Pipeline. Und über allem schwebt die – nicht direkt ausgesprochene – russische Drohung, die Lieferung über die Drushba-Trasse sofort einzustellen. Und eine notfalls mit staatlichen Leistungen alimentierte individuelle Bestandsgarantie für die jetzt Beschäftigten, ist etwas ganz anderes als eine Bestandsgarantie für PCK Schwedt in der bisherigen Größenordnung als industrieller Ankerbetrieb einer ganzen Region. 

„Das war gar nichts“, antwortete spontan ein Wirtschaftsvertreter, der allerdings nicht genannt werden möchte, auf eine Cicero-Nachfrage. Und die nicht nur in Schwedt, sondern im gesamten Osten sehr virulenten Zweifel an der Sinnhaftigkeit einiger Sanktionen gegen Russland werden sich so wohl bestimmt nicht ausräumen lassen. Denn mit seinem Embargo auch gegen Öl, das via Pipeline geliefert wird, geht Deutschland weit über die Sanktionsbeschlüsse der EU hinaus, laut denen das Embargo nur für den Seetransport von russischem Öl gelten soll. In der „Causa Schwedt“ bewegt sich die Bundesregierung jedenfalls auf ziemlich dünnem Eis. Sollte sie ihren vollmundigen Ankündigungen keine entsprechenden Taten folgen lassen können, weil eben „die Wirklichkeit entscheidet“ (Habeck), dann hat sie ein weiteres großes Legitimationsproblem für ihre Politik.

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