Der Bundeskanzler und der Ukraine-Krieg - Ja, was denn nun, Herr Scholz?

In der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Scholz?“ bleibt Bundeskanzler Scholz bei seiner bewährten Methode, nur zu beantworten, was er will. Die Gründe für sein Umschwenken beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine bleiben weiterhin unklar. Klare Worte findet er lediglich zu seinem Amtsvorgänger Gerhard Schröder.

Olaf Scholz mit Bettina Schausten und Peter Frey in der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Scholz?“ / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Zwischen seinem 1.-Mai-Auftritt, als er in Düsseldorf seine Politik schreiend gegen zahlreiche Störer verteidigen musste, und der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Scholz?“ liegen gut 30 Stunden. Aber der Kanzler scheint noch etwas von dem am Rhein gezeigten Temperament mitgenommen zu haben ins ZDF-Studio an der Spree. Dort präsentiert er sich engagierter und kämpferischer als sonst. Nun gut, seine Zustimmungswerte fallen, und die Kritik innerhalb der Ampel wächst. Da legt der Regierungschef schon mal das Hanseatisch-Unterkühlte ab – jedenfalls teilweise und für diese 30 Minuten. 

Das betrifft aber in erster Linie den Stil und die Tonlage, weniger den Inhalt. Da bleibt Scholz bei seiner üblichen Methode, nur zu beantworten, was er will. Und vieles auch nur so ungefähr. ZDF-Chefredakteur Peter Frey und seine designierte Nachfolgerin Bettina Schausten haken zwar gelegentlich nach. Aber sie vermögen es – anders als die Demonstranten am Sonntag – nicht, ihn so richtig aus der Reserve zu locken. Vor TV-Kameras ist Scholz eben Scholz. 

Seine Erklärungsversuche verfangen nicht so recht

Scholz scheint sich den Vorwurf zu Herzen genommen zu haben, seine Ukraine-Politik nicht genügend zu erklären und deshalb als Zauderer und Zögerer zu erscheinen. Deshalb gibt er zurzeit mehr Interviews. Aber seine Erklärungsversuche verfangen nicht so recht, auch am Montagabend nicht. Sein Zögern bei den Waffenlieferungen? „Ich habe immer schnell entschieden“, verteidigte der Kanzler seine Politik. „Aber mein Kurs ist schon, dass wir besonnen und mit klarem Verstand handeln.“  

Doch hat er nicht noch drei Tage vor der Entscheidung, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern, für genau diesen Fall vor der Gefahr eines Atomkrieges gewarnt? Da scholzt der Kanzler auf bewährte Manier: Mit der Bezeichnung „schwere Waffen“ könne er wenig anfangen: „Wir liefern von Anfang an gefährliche Waffen“, sagt Scholz. Wobei offen bleibt, ob die Lieferung „gefährlicher“ Waffen die Gefahr eines Weltkriegs nicht ebenso vergrößern könnte wie die von „schweren“ Waffen. 

Alles bleibt offen – wie so oft bei Scholz

Die klarste Aussage macht Scholz bei der Frage nach einem Kiew-Besuch. Er empört sich über die Ausladung von Frank-Walter Steinmeier und stellt klar: Die Behandlung des Bundespräsidenten „steht der Sache im Weg.“ Allerdings hat Scholz kein Problem mit dem Besuch von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU/CSU) in Kiew. Merz habe ihn darüber informiert, nach dessen Rückkehr werde man sich austauschen. „Ich billige das.“ Auch so kann man die Merz-Initiative herunterzuspielen versuchen. 

Ebenfalls Klartext redet Scholz zu Altkanzler Gerhard Schröder: „Ich finde es völlig unvertretbar, spätestens seit dem Kriegsbeginn, völlig unmöglich, dass der Altkanzler seinen Aufgaben weiter nachgeht“, kritisiert Scholz Schröders anhaltende Tätigkeit für russische Energieunternehmen. Denn auch nach dem Ausscheiden aus dem Kanzleramt bleibe „eine Verpflichtung, die dem Amt folgt“. So deutlich hat sich Scholz von seinem Partei-„Freund“ noch nie distanziert. Es klingt geradezu bedauernd, wenn er hinzufügt, in einem freien Land „kann der Bundeskanzler seinem Vorgänger keine Befehle geben“.  

Die weitaus spannendere Frage, wie er mit Putin umgehen würde, falls der auf dem G-20-Gipfel im November auftauchen sollte, beantwortet der Kanzler schwammig. „Wir werden bis dahin Entscheidungen treffen müssen, die da etwas mit zu tun haben.“ Noch unverbindlicher geht’s kaum. Frei hakt nach: Würde er sich mit dem Aggressor an einen Tisch setzen? Die Antwort ist typisch Scholz: „Wir werden darüber entscheiden, sobald es so weit ist“, weicht er aus. Was alles offen lässt – wie so oft bei Scholz.  

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