Brandmauer zur AfD - Die CSU besinnt sich auf Franz Josef Strauß

Angesichts des AfD-Umfragehochs werden Parallelen zwischen 1933 und 2023 gezogen, was historisch waghalsig und politisch hysterisch ist. Aber auch heute gilt: Wenn die demokratische Rechte versagt, triumphiert die undemokratische Rechte.

CSU-Chef Söder vor einem Wahlkampfplakat mit Franz Josef Strauß / dpa
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Autoreninfo

Der promovierte Politikwissenschaftler Ulrich Berls ist Fernsehjournalist und Autor. Von 2005 bis 2015 leitete er das ZDF-Studio München. Bei Knaur erschien sein Buch „Bayern weg, alles weg. Warum die CSU zum Regieren verdammt ist“.

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Wenig Aufregung verursacht es, wenn Nancy Faesers Brandmauer zur Antifa eher papierdünn ist, wenn die Jugendorganisation der Grünen regelmäßig mit ausgewiesenen Demokratiefeinden kooperiert, wenn Politiker der Linken mit dubioser Vergangenheit Dauergäste in den Talkshows sind. Aber ein ungenaues Wort nach rechts gewandt genügt – und schon schwappt die Empörung über.

Jeder kennt diese mediale Unwucht und deshalb verwundert es, warum dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ein solcher Anfängerfehler unterlaufen konnte, als er im ZDF-Sommerinterview nicht länger ausschließen wollte, dass man sich mit der AfD in kommunalen Sachfragen unter Umständen verständigen müsse. Hat er wirklich vergessen, dass es in der Politik bisweilen wichtiger ist, was man nicht ausspricht, als das, was man sagt?

Natürlich geht es in der Kommunalpolitik kaum um Weltanschauung, sondern um (kleinteilige) Sachfragen, wie etwa den Verlauf einer Umgehungsstraße, die Sanierung des Kindergartens oder das neue Spritzenhaus der Feuerwehr. Und weil dies so ist, bleibt Kommunalpolitikern auch gar nichts anderes übrig, als mit ihren Landräten und Bürgermeister zu sprechen, selbst wenn ihnen deren Parteibuch nicht passt.

Wahlkampfthema Ampel-Frust

Die naive Interview-Äußerung des CDU-Vorsitzenden füllt das Sommerloch und in jüngsten Umfragen gehen die Unionswerte auch schon etwas nach unten. Das mag Bundespolitiker wenig kümmern, denn national wird ja erst in zwei Jahren gewählt. Landespolitiker jedoch, die aktuell mitten im Wahlkämpf sind, raufen sich die Haare. 
Neben den Hessen gilt das im Augenblick für die Bayern und die CSU, wo in zwei Monaten gewählt wird.

Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzender Markus Söder hatte bis zum Sommerinterview von Friedrich Merz einen Lauf. Alles sah danach aus, dass er nach seinen schwachen Ergebnissen bei der Landtagswahl 2018 und der Bundestagswahl 2021 endlich einmal ein starkes CSU-Resultat einfahren könnte. Die Zukunft des Markus Söder, gleichgültig ob in München oder Berlin, steht und fällt mit der Frage, ob er bei dieser Wahl aus der CSU endlich wieder eine 40-plus-X-Partei machen kann.
 

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Im Mittelpunkt seines Bayern-Wahlkampfs steht die Kampagne gegen die Bundes-Ampel. Die bayerische SPD muss er nicht fürchten, weil sie trotz Kanzlerbonus einstellig enden könnte. Die notorisch schwache bayerische FDP, die bei kaum einem Institut über der Fünf-Prozent-Hürde gesehen wird, ignoriert er. Aber auf den dritten Ampel-Partner hat er sich eingeschossen. 

Die bayerischen Grünen, sagt Söder, seien noch schlimmer als die in der Bundesregierung. Kein Wahlkampfauftritt ohne ätzende Kritik am sogenannten Heizungsgesetz und der Frage, wie töricht man eigentlich sein könne, mitten in der Energiekrise gut funktionierende Atomkraftwerke abzuschalten. Der grünen Neigung zur Bevormundung setzt er das urbayerische „Leben-und-leben-lassen“ entgegen. Die Menschen seien es leid, so sein Mantra, ständig gesagt zu bekommen, was sie essen und wie sie sprechen sollen.

Ein Nein ist ein Nein

Die Ampel entpuppte sich als Wahlkampfgeschenk für die CSU, denn die Zustimmungswerte zur Bundesregierung sind verheerend. Doch plötzlich wird nicht mehr genüsslich über die Fehler der anderen gesprochen, sondern über den Zustand der Union. Söders Groll auf die überflüssige Bemerkung von Friedrich Merz ist deshalb riesengroß. 

„Ein Nein ist ein Nein“, reagierte er trocken, es gebe keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD. Die CSU sei konservativ, die AfD jedoch radikal. Nur vier Tage vor dem Sommerinterview des CDU-Vorsitzenden hatte Söder bei einer Klausur seiner Partei gesagt: „Franz Josef Strauß hätte die AfD als fünfte Kolonne Moskaus bezeichnet“ – und spielte damit auf die Haltung der AfD zum Ukraine-Krieg und der Nato an. 

Es ist bemerkenswert, dass sich der Parteichef im Kampf gegen die AfD wieder auf den alten christsozialen Übervater Strauß bezieht. Es gab eine Phase in der Karriere des wendigen Markus Söder, wo ihm  die „Modernisierung“ seiner Partei wichtiger schien als die Rückbesinnung auf den in vielen Kreisen unzeitgemäß wirkenden Partei-Patriarchen. 

Doch mit dem Feindbild der Ampel auf der einen Seite und dem Erstarken der AfD auf der anderen scheint Söders Partei endlich wieder stabilen Grund gefunden zu haben. Als die CSU noch die dauernd bellende, aber nie beißende Zwangspartnerin der linksliberalen Merkel-CDU war, wirkte ihr Standort oft unglaubwürdig.

Konservativ ist nicht reaktionär

Söder traut sich, das Wort „konservativ“ wieder in den Mund zu nehmen, denn wenn es in steinhartem Gegensatz zu „reaktionär“ definiert wird, verliert es plötzlich alles Altmodische. Franz Josef Strauß hatte es einst zunächst mit der NPD und später mit den Republikanern zu tun. Beide Parteien erzielten beunruhigende Erfolge auf Landesebene, aber in den Bundestag schafften sie es nie. Kein Unionspolitiker hatte damals so viel Anteil an diesem Abwehrerfolg wie Franz Josef Strauß. „Rechts von uns darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“, lautete sein Credo. Ein Interview-Patzer wie der jetzige von Friedrich Merz, wäre ihm nie unterlaufen.

Natürlich focht Strauß auch eine rhetorisch scharfe Klinge gegen links, die heutzutage übrigens Scharen von Sprachpolizisten auf den Plan rufen würden. Gleichwohl war der von Kindesbeinen an antinazistisch geprägte CSU-Chef immer ein glühender Verteidiger der zweiten deutschen Republik. Das Versagen der bürgerlichen Parteien am Ende der Weimarer Republik war sein Trauma. Es hat nichts Rückwärtsgewandtes, wenn sich Söders CSU jetzt wieder an Strauß erinnert.

Angesichts des Umfrage-Booms der AfD werden bereits erste Parallelen zwischen 1933 und 2023 gezogen, was historisch waghalsig und politisch denn doch hysterisch ist. Aber die Weisheit gilt: Wenn die demokratische Rechte versagt, triumphiert die undemokratische Rechte. Das ist richtig – damals wie heute.

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