Bayerns Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzender Florian Streibl - „Leben und leben lassen“

Florian Streibl ist ganz anders als Hubert Aiwanger. Dennoch profitiert der Fraktionschef der Freien Wähler in Bayern derzeit von der Affäre seines Vorsitzenden.

Florian Streibl ist Krisengewinnler der Causa Aiwanger / Max Kratzer
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Florian Streibl ist Krisengewinnler. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler (FW) im bayerischen Landtag wäre unter normalen Umständen nicht bei Anne Will in der Sonntagabend-Talkshow gelandet. Doch vor kurzem saß er dort und verteidigte seinen Vorsitzenden Hubert Aiwanger. Der Gegensatz ist offensichtlich: der ruhige Erklärer und Vermittler Streibl und der Lautsprecher Aiwanger, der in die Kritik geraten ist.

Der bayerische Landtagswahlkampf wurde vier Wochen vor dem Urnengang noch mal ordentlich durcheinandergewirbelt. Die Süddeutsche Zeitung hatte über ein vielleicht antisemitisches, aber zweifellos geschmackloses Flugblatt berichtet, das Aiwanger als Schüler am Gymnasium in Umlauf gebracht haben soll. Darin werden die „größten Vaterlandsverräter“ gesucht. Bewerber, heißt es in dem offenbar satirisch gemeinten Pamphlet, hätten „sich im Konzentrationslager Dachau zu einem Vorstellungsgespräch“ einzufinden. 

Aufwind für die Freien Wähler

War oder ist Hubert Aiwanger, seit fünf Jahren Vize-Ministerpräsident und bayerischer Wirtschaftsminister, ein Antisemit? Es ist ein Vorwurf, der Aiwanger kurz vor der Bayernwahl seine politische Karriere und die Freien Wähler ihre Regierungsbeteiligung hätte kosten können. Doch weil die SZ unsauber recherchiert hat, sich Aiwangers Bruder als Verfasser des Pamphlets bekennt, Aiwanger in den vergangenen Jahrzehnten nie antisemitisch aufgefallen war und Ministerpräsident Markus Söder an seinem Vize festhält, kommt es anders. 

In Umfragen legen die Freien Wähler zu. Erst 3, dann 4, dann 5 Prozent. Drei Wochen vor der Bayernwahl stehen sie bei 17 Prozent Zustimmung im Freistaat, während alle anderen Parteien abrutschen, auch die CSU (auf 36 Prozent). Eine Trotzreaktion der Wähler, sagen die einen. Ein Indiz, dass die linksgrüne Deutungshoheit schwindet, sagen die anderen. Und Florian Streibl sagt: „Viele Menschen in Bayern sehen Hubert Aiwanger eben als einen der ihren und denken sich: ,Den lassen wir uns von niemandem kaputt machen‘.“

Trotz der Gegensätze von Streibl und Aiwanger lassen sie sich nicht trennen. Im Gespräch mit Cicero sagt Streibl: „Hubert Aiwanger ist unser Frontmann, und wir sind froh, dass wir ihn haben. Aber den solitären Aiwanger, den haben die Medien geschaffen.“

Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten

Bei den Freien Wählern geht es unübersichtlich zu. Sie sind keine Mitgliederpartei wie die traditionelle Konkurrenz, sondern der Sammelbegriff steht für oft unabhängig voneinander organisierte Wählervereinigungen. In Bayern etwa gibt es Freie Wähler, die Mitglieder der Freien Wähler Bayern sind, und solche, die es nicht sind. Und auch von der Partei unabhängige Kandidaten treten auf kommunaler Ebene als Freie Wähler an.

Florian Streibl, 1963 in München geboren, war von 1988 bis 1993 Mitglied der CSU, später Gemeinderat in Oberammergau und Kreisrat im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Mitglied bei den Freien Wählern Bayern ist er seit 2008, zunächst als Landtagsabgeordneter, seit fünf Jahren als deren Fraktionsvorsitzender. Bei der Landtagswahl kamen die FW auf 11,6 Prozent und die CSU auf 37,2 Prozent; zu wenig für die Christdemokraten, um Bayern alleine zu regieren, also holten sie die FW als Juniorpartner mit ins Boot. 

 

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Florian Streibl, studierter Theologe und Jurist, ist der Sohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl. Sein Vater stolperte in den 1990er Jahren über die „Amigo-Affäre“. Das ist auch der Grund, warum Streibl früher in der CSU war und es heute nicht mehr ist. Er sagt: „Mein Vater hat für die CSU, für Bayern, alles getan. Und als er dann so fallen gelassen wurde von der eigenen Partei, konnte ich der CSU nicht mehr vertrauen.“

„Wir stehen links der CSU“

Wer Florian Streibl nach seinem politischen Leitmotiv fragt, bekommt „Leben und leben lassen“ als Antwort. Und außerdem: „Die Freien Wähler vertreten keine gemeinsame Lehre, sondern jeder versucht, an seinem Ort vernünftige Politik zu machen.“ Im Wahlprogramm steht dann „Heimat ist Zukunft“ und „Handeln mit gesundem Menschenverstand“. Eine starke Landwirtschaft sei ihnen wichtig und ein „handlungsfähiger Staat“. Keine Aufreger also.

Auch die Freien Wähler wollen die Energiewende vorantreiben. Dafür soll die in Bayern geltende 10H-Abstandsregel für neue Windräder abgeschafft und Genehmigungsverfahren für Fotovoltaikanlagen beschleunigt werden. Aber nicht wie bei den Grünen, sondern „ideologiefrei“ und „technologieoffen“, inklusive Geothermie und Wasserstoff. Streibl sagt: „Auch wenn es manchmal nicht so aussieht, aber die Freien Wähler stehen eigentlich links von der CSU, in der politischen Mitte.“

 

Dieser Text stammt aus der Oktober-Ausgabe von Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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