In Berlin unter 5 Prozent - Fünf Landtagswahlen – fünf FDP-Wahlschlappen 

In fünf Ländern ist seit der Bundestagswahl 2021 bisher gewählt worden. Fünf Mal haben die Wähler die FDP abgestraft. So auch am Sonntag in Berlin. Das erinnert fatal an den Niedergang der FDP während der Zeit der schwarz-gelben Koalition von 2009 bis 2013.

Wahlplakate zur Berlin-Wahl 2023 / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Die Generalsekretäre aller Parteien haben an Wahlabenden keine Wahl: Sie müssen vor die Kameras und Mikrophone, selbst wenn der eigene Verein mal wieder verloren hat. Bijan Djir-Sarai von der FDP musste seit der Bundestagswal gleich fünf Mal ran – und jedes Mal als Verlierer. In fünf Ländern ist seit der Bundestagswahl 2021 bisher gewählt worden. Fünf Mal haben die Wähler die Freien Demokraten abgestraft. Am Sonntag auch in Berlin, wo die Partei wieder einmal an der 5-Prozent-Hürde scheiterte.

In Niedersachsen war die Partei ebenfalls aus dem Landtag geflogen, im Saarland war sie nicht hineingekommen. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verlor sie viele Stimmen und ihre Sitze in den jeweiligen Regierungen. Im Bund liegt sie in den Umfragen aktuell bei 6 Prozent und damit deutlich unter ihrem Bundestagswahlergebnis von 11,5 Prozent.

Das erinnert fatal an den Niedergang der FDP während der Zeit der schwarz-gelben Koalition von 2009 bis 2013. Damals haben der FDP die eigenen Wähler nicht verziehen, dass sie sich von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble vieles abhandeln ließ, wofür die Partei 2009 angetreten war. Jetzt ist es ähnlich.

Staatsbürgerschaft fast zum Nulltarif

Die Freien Demokraten haben sich eben mit zwei linken Parteien zu einer sogenannten Fortschrittskoalition zusammengetan. Doch in vielen Punkten widerspricht das Ampel-Programm dem, was die Stammwähler der Liberalen von ihrer Partei erwarten. Dazu gehört beispielsweise nicht, dass es künftig die deutsche Staatsbürgerschaft fast zum Nulltarif geben soll.

FDP-Wähler dürften sich ebenso daran stören, dass die Attraktivität Deutschlands für Asylbewerber ohne echten Asylgrund erhöht werden sollen. Auch stehen „Verantwortungsgemeinschaften jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe“, die der Staat rechtlich anerkennen und gegebenenfalls finanziell fördern will, auf der Wunschliste der FDP-Klientel sicherlich nicht ganz oben. Eine „woke Gesellschaftspolitik“ ist zweifellos nicht das, was sie zum Markenkern ihrer Partei zählen. 

Versorgungsstaat wurde ausgebaut

Die Gesellschaftspolitik der Ampel dürfte ebenfalls mehr potentielle FDP-Wähler stören als begeistern. Die angestrebte Regelung, dass jedermann jederzeit seinen „Geschlechtseintrag“ beim Standesamt „per Selbstauskunft“ ändern kann, ist eine Reverenz an die kleine, aber sehr laute „LSBQ*T“-Community. Das dürfte jedoch im Widerspruch zur Einstellung der ganz großen Mehrheit beim Thema Geschlechter stehen.
 

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FDP-Wähler werden anerkennen, dass Rot-Grün pur – also ohne FDP – die Staatsverschuldung noch viel weiter ausgeweitet und längst zahlreiche Steuern erhöht hätte. Freilich konnte die FDP nicht verhindern, dass der Versorgungsstaat mit dem neuen Bürgergeld weiter ausgebaut wird. Ohnehin neigen Wähler nicht gerade zur Begeisterung, wenn ihre Partei in erster Linie als Bremser fungiert. 

Es hat sich für die FDP nicht ausgezahlt, dass sie zunehmend auf Distanz zur CDU geht. Dabei dürfte es zwischen FDP- und Unionswählern inhaltlich die größten Schnittmengen geben. In Berlin jedenfalls hat sich das „Merz-Bashing“, das einige FDP-Politiker praktizieren, nicht ausgezahlt. Wer dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz die Fähigkeit zur Führung des Landes abspricht, weil der auf die Folgen des in muslimischen Familien verbreiteten Frauenbildes hinweist, irritiert bürgerliche Wähler.

Wer gibt den Ton an? 

Das alles schlägt bei Wahlen negativ zu Buche. Und nach jeder dieser Wahlen verkünden der Generalsekretär und andere führende FDP-Politiker, die Partei müsse ihr Profil in der Koalition stärken oder die Stimme der FDP müsse wieder erkennbar sein. So hat das Djir-Sarai auch an diesem Wahlabend tapfer versucht. Doch bei den Bürgerlichen verfestigt sich der Eindruck, die Roten und die Grünen gäben innerhalb der Ampel den Ton an. 

Das bedeutet mit Blick auf den Wahlkalender für die FDP nichts Gutes. In Bremen, wo im Mai gewählt wird, lag sie bei der letzten Wahl bei 5,9 Prozent, in Bayern (Wahltermin: 8. Oktober) hatte sie es vor fünf Jahren gerade mal auf 5,1 Prozent gebracht. Auch in Hessen (ebenfalls 8. Oktober) ist das Polster mit 7,5 Prozent nicht allzu üppig. Mit dem „Profilgewinnen“ kann sich die Partei also nicht viel Zeit lassen.

Nach der Bundestagswahl 2017 hatte FDP-Chef Christian Lindner die Gespräche über eine Koalition mit CDU/CSU und Grünen platzen lassen, weil er „lieber nicht als schlecht“ regieren wollte. Vielleicht wäre 2021 „besser nicht regieren als mit Rot-Grün regieren“ die passende Formel gewesen. So aber wird die FDP dafür abgestraft, dass in der Ampel viel häufiger Rot und Grün aufleuchten als Gelb. 

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