
- Mit EU-Waffen gegen Demonstranten
Mit aller Brutalität ging die Polizei in Belarus gegen Menschen vor, die gegen den Wahlbetrug protestierten. Dabei benutzte sie auch Waffen und Munition aus EU-Staaten – auch aus Deutschland. Trotz eines seit 2011 bestehenden Embargos.
Die Bilder und Videos sind schockierend, die man seit dem vergangenen Sonntag aus Belarus zu sehen bekommt. Polizisten und Sondereinsatzkräfte, die mit aller Brutalität gegen Demonstranten vorgehen, auf Menschen eintreten und einschlagen, die schon am Boden liegen. Eine Brutalität, die jeden treffen konnte und der auch Kinder zum Opfer gefallen sind. Zu den Videos kommen nun auch Augenzeugenberichte wie der des russischen Journalisten Nikita Telishenko hinzu. Dieser wurde in Minsk verhaftet und erlebte Gewalt und Folter.
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass erst am heutigen Freitag ein Sondergipfel der EU-Außenminister stattfindet. Fünf Tage nach der Präsidentschaftswahl in Belarus, die der seit 26 Jahren regierende Alexander Lukaschenko laut der Zentralen Wahlkommission mit angeblich 80 Prozent gewonnen haben soll, und dem Beginn der Proteste. Doch nicht nur das wirft ein schlechtes Licht auf die außenpolitische Verantwortung der Gemeinschaft. Bei ihrem brutalen Vorgehen nutzten die Polizei und die Sondereinsatzkräfte auch Waffen und Munition aus EU-Staaten.
Blendgranaten made in Tschechien
Bereits nach der ersten Protestnacht wurden in den sozialen Netzwerken Fotos von Blendgranaten veröffentlicht, mit denen die Polizei gegen die Demonstranten vorging, die aus der Tschechischen Republik stammen. Die tschechische Schrift war unübersehbar. Einen Tag später veröffentlichte der polnische Journalist Sławomir Sierakowski Fotos von Patronenhülsen, auf denen „Made in Poland“ zu lesen war. Sierakowski, der seit Tagen aus Belarus berichtet, fand diese in der Nähe einer U-Bahnstation in Minsk, an der Stunden zuvor die Sondereinheit OMON gegen Demonstranten vorgegangen war. Andere weisen wiederum daraufhin, dass OMON Glattrohrflinten des italienischen Waffenherstellers Benelli benutzt.
Die große Frage ist, wie diese Waffen und die Munition nach Belarus gelangen konnten. Immerhin besteht seit 2011 ein Waffenembargo der EU gegen Belarus, das im Februar dieses Jahres von den europäischen Regierungschefs sogar um ein Jahr verlängert wurde. „Hierzu gehören ein Waffenembargo und ein Ausfuhrverbot für Ausrüstung, die zu interner Repression verwendet werden kann“ heißt es in der Pressemitteilung des Europäischen Rates vom Februar.
Löcheriges Embargo
Ein Embargo, das auf dem Papier streng klingt, in der Praxis aber mehr als löchrig ist. Einerseits, weil diese Waffen und die Munition über Drittstaaten nach Belarus gelangt sein könnten. Anderseits, weil zumindest ein Teil der Waffen, mit denen nun in den vergangenen Tagen gegen die Demonstranten vorgegangen wurde, gar nicht unter dieses Embargo fallen.
Das zeigt eindrucksvoll der Fall der aus Polen stammenden Patronen. Sowohl das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung als auch das Verteidigungsministerium dementierten, die Munition nach Belarus geliefert zu haben. Das Verteidigungsministerium wies zudem daraufhin, dass die Munition nicht aus der Produktion des staatlichen Rüstungskonzerns PGZ stamme. Was stimmt, da die in Minsk gefunden Patronen, die als Schreckschussmunition identifiziert wurden, von einem privaten Hersteller für Jagdmunition aus der Nähe von Radom hergestellt wurden.
Polizeiausrüstung aus Deutschland
„Die in Belarus gefundenen Patronen kann man in jedem Jagdgeschäft kaufen“, kommentierte dementsprechend Marcin Ociepa, Staatssekretär im polnischen Verteidigungsministerium. Eine Munition jedoch, die nicht nur zur Jagd benutzt werden kann. Bereits 2014 sorgte der polnische Hersteller in seiner Heimat für negative Schlagzeilen, da seine Munition von ukrainischen Einsatzkräften während des Maidan in Kiew benutzt wurde.
Nicht unwahrscheinlich ist, dass die belarussischen Sondereinsatzkräfte auch Waffen und Munition verwenden, die vor der Verhängung des Embargos von EU-Staaten nach Belarus verkauft wurden. Bereits 2012 wurde nach einer Anfrage der Linksfraktion bekannt, dass aus Deutschland offiziell Ausstattung für die belarussischen Einsatzkräfte geliefert wurde.
Bundespolizei bildete Einsatzkräfte aus
Eine Zusammenarbeit, die sich nicht nur auf diese Exporte beschränkte. Die Anfrage ergab ebenfalls, dass sowohl die Bundespolizei als auch die Länder bei der Ausbildung von belarussischen Einsatzkräften zwischen 2008 bis 2011 geholfen haben. Zu den Ausbildungsmaßnahmen gehörte auch der Umgang mit Großveranstaltungen. Und wie eng die Zusammenarbeit war, zeigt der Umstand, dass nicht nur belarussische Milizionäre nach Deutschland kamen, sondern 2010 gar ein Verbindungsbeamter zur Koordination der Projekte an die deutsche Botschaft entsandt wurde.
Auch die europäische Grenzschutzbehörde Frontex musste damals eingestehen, kurzfristig mit belarussischen Sicherheitskräften zusammengearbeitet zu haben. Und wie brutal diese in dem autoritär regierten Land vorgehen, offenbarte sich bereits 2010. Bereits damals ließ Lukaschenko die Proteste nach der Parlamentswahl gewalttätig niederprügeln.