Putin und Prigoschin im Jahr 2011
Früher Vertraute, jetzt erbitterte Gegner. Putin und Prigoschin hier im Jahr 2011. /dpa

Wladimir Putin reagiert auf Wagner-Aufstand - „Ein Verrat an unserem Volk“

Am Samstagvormittag hat sich der russische Präsident Wladimir Putin in einer Fernseh-Ansprach an das russische Volk gewandt. Ohne den Verursacher persönlich beim Namen zu nennen, geht er hart mit dem Chef der Söldnerarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, ins Gericht. Cicero dokumentiert Putins Ansprache im Wortlaut – und Prigoschins Antwort darauf.

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Wladimir Putin: „Ich wende mich an die Bürger Russlands, an die Angehörigen der Streitkräfte, der Strafverfolgungsbehörden und der Sicherheitsdienste sowie an die Soldaten und Kommandeure, die jetzt in ihren Kampfstellungen kämpfen und feindliche Angriffe abwehren, und zwar heldenhaft – das weiß ich, weil ich gestern Abend noch einmal mit den Kommandeuren aller Frontabschnitte gesprochen habe. Ich wende mich auch an diejenigen, die durch Täuschung oder Drohungen in dieses kriminelle Abenteuer hineingezogen und auf den Weg eines schweren Verbrechens – einer bewaffneten Meuterei – getrieben wurden.

Russland führt heute einen harten Kampf um seine Zukunft und wehrt die Aggression der Neonazis und ihrer Gönner ab. Die gesamte militärische, wirtschaftliche und informationelle Maschinerie des Westens ist gegen uns gerichtet. Wir kämpfen für das Leben und die Sicherheit unseres Volkes, für unsere Souveränität und Unabhängigkeit, für das Recht, Russland zu sein und zu bleiben, ein Staat mit einer tausendjährigen Geschichte.

Dieser Kampf, in dem sich das Schicksal unserer Nation entscheidet, erfordert die Bündelung aller Kräfte. Er erfordert Einigkeit, Zusammenhalt und Verantwortungsbewusstsein, und alles, was uns schwächt, jeder Zwist, den unsere äußeren Feinde nutzen können, um uns von innen heraus zu untergraben, muss verworfen werden.

Deshalb sind alle Aktionen, die unsere Nation spalten, im Grunde ein Verrat an unserem Volk, an unseren Mitstreitern, die jetzt an der Front kämpfen. Das ist ein Dolchstoß in den Rücken unseres Landes und unseres Volkes.

Ein solcher Schlag wurde Russland 1917 versetzt, als das Land im Ersten Weltkrieg kämpfte. Doch der Sieg wurde ihm gestohlen: Intrigen, Streitereien und politische Machenschaften hinter dem Rücken der Armee und der Nation führten zu den größten Wirren, zur Zerstörung der Armee und zum Zusammenbruch des Staates sowie zum Verlust riesiger Gebiete, was schließlich zur Tragödie des Bürgerkriegs führte.

Russen töteten Russen und Brüder töteten Brüder, während alle möglichen politischen Abenteurer und ausländischen Kräfte von der Situation profitierten, indem sie das Land auseinander rissen, um es zu spalten.

Wir werden nicht zulassen, dass sich so etwas wiederholt. Wir werden unser Volk und unsere Staatlichkeit vor jeder Bedrohung schützen, auch vor internem Verrat.

Was wir erleben, ist im Grunde ein Verrat. Aufgeblähter Ehrgeiz und persönliche Interessen haben zu Verrat geführt – Verrat an unserem Land, unserem Volk und der gemeinsamen Sache, für die die Soldaten und Kommandeure der Gruppe Wagner Seite an Seite mit unseren anderen Einheiten und Truppen gekämpft haben und gestorben sind. Die Helden, die Soledar und Artjomowsk, Städte und Dörfer im Donbass befreit haben, kämpften und gaben ihr Leben für Noworossija und die Einheit der russischen Welt. Ihr Andenken und ihr Ruhm wurden auch von denen verraten, die versuchen, einen Aufstand zu inszenieren und das Land in Richtung Anarchie und Brudermord – und letztlich in Richtung Niederlage und Kapitulation – zu treiben.

Noch einmal: Jede innere Revolte ist eine tödliche Bedrohung für unsere Staatlichkeit und unsere Nation. Sie ist ein Schlag für Russland, für unser Volk. Unsere Maßnahmen zur Verteidigung des Vaterlandes gegen diese Bedrohung werden hart sein. All diejenigen, die sich bewusst für den Weg des Verrats entschieden, eine bewaffnete Meuterei geplant und den Weg der Erpressung und des Terrorismus eingeschlagen haben, werden unweigerlich bestraft werden und sich vor dem Gesetz und unserem Volk verantworten müssen.

Die Streitkräfte und andere staatliche Stellen haben die notwendigen Befehle erhalten. In Moskau, im Moskauer Gebiet und in mehreren anderen Regionen sind jetzt zusätzliche Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung in Kraft. Auch in Rostow am Don werden entschlossene Maßnahmen zur Stabilisierung der Lage ergriffen. Es bleibt schwierig; die Arbeit der zivilen und militärischen Behörden ist faktisch blockiert.

Als Präsident Russlands und Oberbefehlshaber sowie als Bürger Russlands werde ich alle Anstrengungen unternehmen, um das Land zu verteidigen und die verfassungsmäßige Ordnung sowie das Leben, die Sicherheit und die Freiheit unserer Bürger zu schützen.

Diejenigen, die die Meuterei inszeniert und gegen ihre Kameraden zu den Waffen gegriffen haben, haben Russland verraten und werden zur Rechenschaft gezogen werden. Ich fordere diejenigen, die in dieses Verbrechen hineingezogen werden, auf, keinen fatalen und tragischen Fehler zu begehen, sondern die einzig richtige Entscheidung zu treffen: sich nicht mehr an kriminellen Aktionen zu beteiligen.

Ich bin sicher, dass wir das, was uns lieb und heilig ist, bewahren und verteidigen werden, und gemeinsam mit unserem Vaterland werden wir alle Schwierigkeiten überwinden und noch stärker werden.“

Und so antwortete Söldner-Führer Jewgeni Prigoschin auf Putins Ansprache:

„Was den Verrat am Mutterland betrifft, so irrt sich der Präsident gewaltig. Wir sind Patrioten unseres Vaterlandes. Wir haben gekämpft und wir werden weiter kämpfen. Alle Kämpfer der Wagner-Gruppe. Und keiner von uns wird sich auf Verlangen des Präsidenten, des FSB oder eines anderen stellen. Denn wir wollen nicht, dass das Land weiter in Korruption, Täuschung und Bürokratie lebt. 

Als wir in Afrika kämpften, sagte man uns, wir bräuchten Afrika, und dann ließ man es im Stich, weil man all das Geld plünderte, das eigentlich helfen sollte. Als sie uns sagten, wir würden gegen die Ukraine kämpfen, gingen wir hin und kämpften. Aber es stellte sich heraus, dass die Munition, die Waffen, das ganze Geld, das dafür vorgesehen war, auch geplündert wurde. Und die Bürokraten sitzen da und sparen für sich selbst, speziell für den Tag, an dem das passiert, wenn jemand in Moskau einmarschiert.

Jetzt sparen sie nichts mehr – sie setzen Flugzeuge und Hubschrauber ein, um Kolonnen zu bombardieren, in denen sich Zivilisten befinden. Und sie bombardieren Zivilisten, weil sie ihre Ziele nicht treffen können. Und sie bombardieren einfach alles, was sie treffen. Wir sind also die Patrioten, und diejenigen, die sich uns widersetzen, sind diejenigen, die sich um Schurken geschart haben.“
 

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Klaus Funke | Sa., 24. Juni 2023 - 13:22

Freilich ist Prigoschin ein Hasardeur und Halunke, aber er hat Recht, wenn er sagt, dass Putin dem russischen Militär zu viel durchgehen lässt. Putin ist zu sehr europäisiert, er ist zu weich, er muss härter durchgreifen. Wenn ein Kommandeur - und nichts anderes ist Prigoschin - Scharmützel mit den eigenen Leuten anfängt und seine private Suppe kocht, dann muss er abgestraft werden. Im Kriegsfall bedeutet das: Hinrichtung! Öffentlich auf dem Roten Platz. Hier müssen Köpfe rollen, auch bei der lahmarschigen russischen Militärführung - die alten Dattergreise können es nicht mehr, das ist übrigens eine russische Schwäche: Schon immer hatten sie dort zu alte Generäle. War schon beim Zaren so. Putin muss sich jetzt durchsetzen und zwar schnell, radikal und nachhaltig, sonst läuft ihm der Krieg aus der Hand. Also Wladimir: Radikal und schnell durchgreifen. Das belohnt das russische Volk. Ja, die Tschetschenen sind dafür die Richtigen. Und keine falsche Gnade mit Aufrührern

Kai Hügle | Sa., 24. Juni 2023 - 15:36

Antwort auf von Klaus Funke

“ich denke hier wird ein abgestimmtes Spiel zur Feindverwirrung gespielt. (…)
Er [Prigoschin] wird auch nicht zu irgendwem überlaufen oder Verrat begehen. Das ist westliches Wunschdenken. Es ist Tradition, dass der Westen schon immer den Russen falsch eingeschätzt hat (…)”.

Tja, das ging mal wieder voll in die Hose. Und nun Blutrauschfantasien mit öffentlicher Hinrichtung auf dem Roten Platz und noch mehr Krieg, am besten mit den Tschetschenen. Sie sind wirklich der groteskeste Märchenerzähler seit Comical Ali…

Albert Schultheis | Sa., 24. Juni 2023 - 14:08

Ich denke, allein schon durch die beiden Ansprachen wird deutlich, was sich da in Russland abspielt - was sich im Übrigen seit Monaten angedeutet hat. Dass Putin nicht früher eingegriffen hat, ist sträflich, aber wohl seiner ursprünglichen Sympathie gegenüber Prigoschin geschuldet. Der "Verräter" hatte wohl immer den Finger in die Wunden der russischen Militärführung gelegt und vermutlich hatte Putin das sogar an ihm geschätzt. Aber einen Aufstand kann und darf Putin nicht dulden und diese Entschlossenheit geht aus seiner Rede hervor. Prigoschins Antwort ist rhetorisch schwach, aber er ist auch kein Redner sondern Söldnerführer, allerdings einer, der sich wohl in der Hitze der Gefechte verrannt hat. Vermutlich wird der Held von Bachmut dafür einen bitteren Lohn einfahren. Ich glaube nicht, was einige zu vermuten scheinen, dass der Westen seine Finger in dem Spiel hatte. Putin reagiert entschlossen und er wird das Heft in der Hand behalten - zum Ärger westlicher Hazardeure und Hetzer.

Ich danke Ihnen, lieber Herr Schultheis und meine Meinung deckt sich mit der ihren. Nichtsdestotrotz ist die Lage brandgefährlich. Aber ich denke nicht, dass der russische Staat unter Putin in Gefahr ist, auch wenn dem Westen jetzt der Geifer aus dem Maule tropft. Prigoschin wird demnächst aufgeben und Putin seine Loyalität bekunden. Tut er das nicht, wird er nicht mehr lange auf Erden wandeln, Die Russen gehen mit ihren Verrätern härter um als wie westlichen Weicheier.