Wahlen im Iran - Polittheater in Teheran

Parlaments- und Präsidentschaftswahlen haben im Iran an Bedeutung verloren. Doch Wahlbeteiligung und Ergebnisse liefern wichtige Hinweise auf Veränderungen im politischen System – und die Legitimität der Führung.

Frau im Iran / dpa
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Autoreninfo

Dr. Guido Steinberg ist Islamwissenschaftler und forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin u.a. zum politischen Islam und zum Terrorismus.

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In Iran fanden letzten Freitag Parlamentswahlen statt. Ersten Berichten zufolge war die Beteiligung vor allem in der Hauptstadt Teheran denkbar niedrig; nur die regimetreusten Unterstützer der Regierung gingen an die Urnen. Diese Entwicklung hatte sich bereits angedeutet, so dass führende Politiker die Bevölkerung wiederholt zur Wahl aufgerufen hatten. Zwar haben Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Iran schon seit Langem an Bedeutung verloren, doch liefern die Wahlbeteiligung und die Ergebnisse wichtige Hinweise auf Veränderungen im politischen System und die Legitimität der Führung. 

Das mangelnde Interesse vieler Iraner an dem aktuellen Urnengang zeigt vor allem, dass eine Mehrheit von ihnen die Hoffnung aufgegeben hat, mit ihren Stimmen Einfluss auf die Politik des Landes nehmen zu können. Zwar waren Wahlen in der Islamischen Republik nie frei und fair, da die Kandidaten auch in der Vergangenheit durch den mächtigen Wächterrat auf ihre Loyalität zum Regime überprüft und häufig disqualifiziert wurden.

Doch hatten die Iraner in den 1990er und 2000er Jahren die Wahl zwischen konservativen Rechten, Zentristen und Reformisten, die grundverschiedene Vorstellungen für die Zukunft des Landes vertraten. Doch konnten die Erfolge der Reformer unter Präsident Mohammad Khatami (amtierte 1997-2005) und der Zentristen mit ihrem Kandidaten Hassan Rouhani (2013-2021) nie überdecken, dass der Oberste Führer Ali Khamenei und die von ihm beherrschten Teile des Systems die Zügel der Herrschaft fest in Händen hielten.

Eine neue Phase der Konfrontation

Der Oberste Führer in Iran ist kein unparteilicher Mittler zwischen den Parteien, sondern selbst der Kopf der konservativen Rechten. Während er in den ersten zwei Jahrzehnten seiner Herrschaft (die 1989 begann) eine gewisse Pluralität der politischen Kräfte duldete, ließ er den Spielraum für Reformer und Zentristen schon in den 2000er Jahren einengen. Dies zeigte sich in aller Deutlichkeit bei den Wahlen 2009, bei denen der Sieg des rechten Populisten Mahmoud Ahmadinejad durch massive Wahlfälschungen gesichert wurde. Darauf folgten die Proteste der „Grünen Bewegung“, die mit brutaler Gewalt niedergeschlagen wurden. Zwar konnte mit Hassan Rouhani 2013 noch einmal ein Zentrist zum Präsidenten gewählt werden. Doch die politischen Spielräume wurden schon vor Ende seiner Amtszeit 2019 immer enger. 
 

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Khamenei und seine Gefolgsleute verhärteten ihre Positionen, weil die Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA 2018 eine neue Phase der Konfrontation einzuläuten schien. Hinzu kamen 2019, 2021 und 2022 Proteste, die in immer kürzeren Abständen aufeinander folgten und immer mehr Regionen und Bevölkerungsgruppen erfassten. Deshalb schlossen die konservativen Rechten die Reihen und sorgten dafür, dass Reformer und Zentristen rasch aus der Politik verdrängt wurden. Bei den Parlamentswahlen 2020 wurden sie durch den Wächterrat schon vorab disqualifiziert; eine starke konservative Mehrheit übernahm. Noch offenkundiger wurde die neue Strategie Khameneis bei den Präsidentschaftswahlen 2021, als er kaum verdeckt dafür sorgte, dass sich mit seinem Protegé Ibrahim Raisi ein konservativer Hardliner durchsetzte. 

Die konservative Rechte dominiert heute alle Institutionen der Islamischen Republik. Wichtiger als die Wahlen zum neuen Parlament waren aber die zum mächtigen Expertenrat, die zeitgleich stattfanden. Der Expertenrat ist ein Gremium von Klerikern, das den nächsten Obersten Führer nach dem Tod des heute 84-jährigen Khamenei bestimmen wird. Dass auch hier keine Nicht-Konservativen geduldet werden, zeigte sich schon daran, dass der ehemalige Präsident Rouhani von der Kandidatur ausgeschlossen wurde. Noch gibt es keinen klaren Favoriten für die Nachfolge des Führers, doch wird der Expertenrat so sehr von Konservativen dominiert, dass sich einer von ihnen durchsetzen wird. 

Die Zukunft der islamischen Republik

Trotzdem verändert sich die Islamische Republik, denn die Bedeutung des Militärs in Gestalt der mächtigen Revolutionsgarden ist in den letzten Jahren weiter gestiegen. Dies lässt sich etwa daran ablesen, dass ihr Anteil an den Sitzen im Parlament in den letzten Jahrzehnten auf Kosten der Kleriker stark gewachsen ist und sie auch in der neuen Versammlung stark vertreten sein werden. Mit General Mohammad Ghalibaf ist ein prominenter Revolutionsgardist sogar aktueller Parlamentspräsident. Das revolutionäre Militär stellt auch wichtige Kabinettsmitglieder, so dass der unaufhaltsame Aufstieg der Revolutionsgarden in der iranischen Politik nicht mehr zu übersehen ist. 

Die Revolutionsgarden beherrschen nicht nur den gemeinsamen Generalstab, den sie gemeinsam mit dem konventionellen Militär Irans unterhalten; sie kontrollieren auch das Atom- und Raketenprogramm und weite Teile der Wirtschaft. Außerdem sind sie parallel zu anderen Sicherheitsbehörden für den Schutz der Islamischen Republik nach innen verantwortlich. Heute wird der militärisch-geheimdienstliche Komplex des Landes von Khamenei beherrscht, doch nach seinem Tode dürften die Garden und ihre führenden Kommandeure unabhängiger werden. Alles spricht deshalb dafür, dass die Zukunft der islamischen Republik noch viel stärker als bisher von den revolutionären Militärs geprägt werden wird. 

Verhärtung der politischen Positionen

Wahrscheinlich wird sich an der Verhärtung der innen- und außenpolitischen Positionen der letzten Jahre nichts ändern. In der Innenpolitik wird das Regime mit anhaltender und vielleicht zunehmender Repression auf die Unzufriedenheit weiter Teile der Bevölkerung reagieren. Da es bisher keine Anzeichen für Risse in der Machtbasis gibt – Garden, Armee, Sicherheitskräfte und regimetreue Milizen stehen fest hinter dem Regime – kann die Islamische Republik noch lange fortbestehen. In der Außenpolitik wird Iran weiter auf einen aggressiven Expansionskurs im Nahen Osten setzen. 

Da hilft es, dass Iran längst nicht mehr so isoliert ist wie noch vor wenigen Jahren. Es hat seine Beziehungen zu Russland und China ausgebaut und operiert als Teil eines noch unausgesprochenen Verbundes von Staaten, welche die von den USA dominierte internationale Ordnung umwälzen wollen. Die bisher noch offene Frage ist, ob Iran sein Atomprogramm bis zu seinem logischen Ende führt und sich nuklear bewaffnet. Wenn die Revolutionsgarden in Iran ihren Einfluss weiter ausbauen, dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass sie sich für die Bombe entscheiden.   

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