Ursula von der Leyen - Spitzenkandidatenprinzip, war da was?

Um Ursula von der Leyen ist es derzeit still, die neue EU-Kommissionspräsidentin arbeitet sich ein. Kaum einer spricht noch vom Spitzenkandidatenprinzip. Dabei könnte das arrangierte Brüsseler Machttableau schwächer sein als gedacht. Es lastet ein großes Problem auf ihm

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Die EU geht geschwächt aus der Wahl hervor / picture alliance
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Eric Bonse berichtet seit 2004 aus Brüssel über Europapolitik. Er betreibt auch den EU-Watchblog „Lost in Europe“.

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Es war eine perfekte Show, wie man sie bisher nur aus US-Wahlkämpfen kannte. Der Plenarsaal des Europaparlaments in Brüssel hatte sich in ein riesiges Fernsehstudio verwandelt. Auf der Bühne standen die Spitzenkandidaten für die Europawahl und stellten sich den Fragen des ARD-Korrespondenten Markus Preiß. Hinter ihnen prangte in riesigen Lettern das Motto des Abends: „Kandidaten für den Vorsitz der Europäischen Kommission“. Schaut her, ihr dürft den nächsten Kommissionschef wählen, versprach die medienwirksame Inszenierung.

Zwei Monate später ist davon nichts übrig. Das Versprechen hat sich als Anmaßung entpuppt, die öffentliche Inszenierung ist den politischen Hinterzimmern gewichen. Statt Manfred Weber, Frans Timmermans oder Margrethe Vestager – den drei mehr oder weniger anerkannten Spitzenkandidaten – wurde Ursula von der Leyen zur Chefin der EU-Kommission gewählt. Die Staats- und Regierungschefs haben damit die Konsequenz aus der Weigerung – oder war es Unfähigkeit? – des Parlaments gezogen, Mehrheiten zu organisieren und sich auf einen Kandidaten zu einigen.

Neue Akzente

Es ist ein böses Erwachen – nicht nur für die frisch gebackenen Parlamentarier, die nun wie Hochstapler aussehen. Auch viele Wähler dürften ziemlich ernüchtert sein. Wochenlang war ihnen eingeredet worden, sie könnten über die Zukunft der EU entscheiden. Von einer Schicksals- oder Richtungswahl war die Rede. Doch am Ende entschieden wieder nur Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über das Schicksal der Union. Auch die Richtung haben die Chefs vorgegeben – und dabei eigenwillige neue Akzente gesetzt.

Die EU soll weiblicher werden: Das ist die erste, offenkundige Botschaft aus Brüssel. Neben von der Leyen wurde auch die Französin Christine Lagarde nominiert; sie soll künftig die Europäische Zentralbank führen. Damit rücken gleich zwei Frauen auf wichtige Führungspositionen vor. „Europa spricht nicht nur über Frauen, Europa wählt Frauen“, erklärte Ratspräsident Donald Tusk zufrieden. Vermutlich war er sich der unfreiwilligen Ironie dieses Satzes nicht bewusst: Auf dem Wahlzettel stand keiner der beiden Namen. Die Damenwahl war gar keine.

Die EU soll stärker und föderaler werden: Das ist die zweite, eher unterschwellige Botschaft. Von einer starken und selbstbewussten Union war zwar schon in der „Strategischen Agenda“ die Rede, die die Staats- und Regierungschefs auf einem Sondergipfel kurz vor der Europawahl auf den Weg gebracht hatten, ohne das Verdikt der Wähler abzuwarten. Doch dass nun ausgerechnet die umstrittene und in mehrere Affären verstrickte deutsche Verteidigungsministerin die heikle Aufgabe übernimmt, die EU politisch und militärisch aufzurüsten, war nicht abzusehen.

Macron imponiert von von der Leyen

Es ist ein harter Bruch mit der Vergangenheit einer „Friedensunion“, die sich lange ihrer diplomatischen und militärischen Zurückhaltung rühmte. Hat Macron diese Wende von langer Hand geplant, war der Coup mit Merkel abgesprochen? „Ich will nicht aus internen Dingen berichten“, blockt die Kanzlerin neugierige Fragen ab. Auch Macron lässt sich nicht in die Karten schauen. Klar ist nur, dass von der Leyen schon länger im Gespräch für einen EU-Job war. Zuletzt wurde sie allerdings als Außenvertreterin gehandelt. Auf die Idee, sie zur Präsidentin zu machen, kam Macron.

Der französische Staatschef hatte schon früh Gefallen an der CDU-Politikerin gefunden. Dass sie die Bundeswehr nach den Terroranschlägen von Paris nach Mali schickte, um die überlasteten französischen Truppen zu unterstützen, imponierte ihm ebenso wie ihr Einsatz für einen deutsch-französischen Kampfjet. Beim Luftfahrtsalon in Le Bourget im Juni wurde das Gemeinschaftsprojekt vorgestellt; Macron und von der Leyen waren ein Herz und eine Seele. Seitdem sei der Draht zwischen Paris und Berlin nicht mehr abgebrochen, berichten Diplomaten.

Beim Deal mit von der Leyen ging es jedoch nicht nur um Rüstungsprojekte und Sicherheitspolitik. Es ging auch um eine europapolitische Vision. Auch dort stimmt die Chemie zwischen Berlin und Paris. Von der Leyen plädierte schon mal für eine „Armee der Europäer“, aber auch für die „Vereinigten Staaten von Europa nach dem Muster der föderalen Staaten Schweiz, Deutschland oder USA“. In Macrons Augen dürfte sie das zur perfekten Partnerin für einen radikalen Umbau der EU machen – genau wie die künftige EZB-Chefin Lagarde, die den Euro zum europäischen Dollar machen soll.

Intransparentes Verfahren

Auch der neue Ratspräsident Charles Michel und der designierte Außenbeauftragte Josep Borrell passen ins Bild. Der liberale Belgier und der sozialistische Spanier gelten als Anhänger einer größeren Integration. Die EU bekomme das „föderalistischste Team, das man sich vorstellen kann“, urteilt Wolfgang Münchau von der Financial Times. Doch hatte das auch Merkel im Kopf, als sie den Deal mit Macron besiegelte? War es das, was die Bürger wollten, als sie zur Europawahl gingen – zahlreicher und engagierter denn je?

Man darf es bezweifeln. Die Spitzenkandidaten haben jedenfalls nicht von einem föderalen Europa geredet. Bei der Fernsehshow im Mai wurden die Wähler mit kleinem Karo abgespeist. Die großen Linien der Europapolitik blieben ihnen verborgen.

Auch in der EU-Kommission in Brüssel war man auf die Windungen und Wendungen der Staats- und Regierungschefs nicht vorbereitet. Die Personalentscheidung beim EU-Gipfel sei nicht sehr transparent gewesen, beklagte sich der scheidende Behördenchef Jean-Claude Juncker. „Ich war der erste und der letzte Spitzenkandidat“, fügte der Luxemburger augenzwinkernd hinzu.

Ideen für Föderation abgeblockt

Dass die EU nun Kurs auf eine Föderation nehmen könnte, löst in der Brüsseler Behörde ungläubiges Staunen aus. Schließlich hatte Juncker schon vor Jahren in einem Weißbuch mögliche Entwicklungspfade zur Diskussion gestellt. Für die „Vereinigten Staaten von Europa“ sprach sich niemand aus. Wer glaube, dass Nationen ein Auslaufmodell seien, der irre sich gewaltig, fasste Juncker seine Erfahrungen bei einer Abschiedsrede im Europaparlament zusammen. „Europa wird niemals ein Staat nach dem Modell der Vereinigten Staaten von Amerika – niemals!“

Wer die Debatten der zurückliegenden Monate verfolgt hat, kann diesen Satz nur unterschreiben. Die 28 EU-Staaten haben alles abgeblockt, was auch nur entfernt an einen Bundesstaat erinnert. Eine gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik? Krachend gescheitert. Eigene EU-Steuern, wenigstens für das Internet? Abgeblockt. Ein Eurobudget, um die Währungsunion zu stabilisieren und die Dominanz des Dollars zu brechen? Verwässert und kleingeredet.

Immer waren nationale Interessen wichtiger, auch in Deutschland. Merkel bremste die Initiativen von Macron aus; bis zum Personalpoker um die Topjobs waren die Kanzlerin und der Präsident nur noch in einer „fruchtbaren Konfrontation“ vereint. Dass sich Macron als großer Europäer präsentierte, hat ihm wenig geholfen – weder in Brüssel noch in Paris. Bei der Europawahl lag der rechtsradikale Rassemblement National vorn; die EU-Begeisterung hält sich in Frankreich in engen Grenzen.

Eine starke Abwehrfront

Auch in Deutschland und Italien haben Populisten und Nationalisten zugelegt. Der befürchtete massive Rechtsruck ist zwar ausgeblieben. Dennoch geben sich die EU-Gegner kämpferisch. Künftig werde man nicht nur im Europaparlament stärker und schlagkräftiger sein, erklärte Frankreichs Nationalisten-Führerin Marine Le Pen bei der Vorstellung der neuen Rechtsfraktion Identität und Demokratie. Auch im Rat, also der Vertretung der EU-Staaten, wollen die Nationalisten gemeinsam auftreten und punkten.

Wie das gehen kann, hat ausgerechnet der EU-Gipfel gezeigt, der von der Leyen und das proeuropäische Spitzenteam nominiert hat. Dort kam es zu merkwürdigen, noch nie da gewesenen Allianzen. Erst stellte sich die konservative Europäische Volkspartei (EVP) gegen den Vorschlag, den Sozialdemokraten Frans Timmermans zum nächsten Kommissionschef zu machen. Irland und Kroatien kündigten Widerstand an. Auch CDU und CSU probten den Aufstand; Merkel stand unter massivem Druck aus den eigenen Reihen. Danach bildeten die osteuropäischen Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei eine harte Abwehrfront, der sich schließlich noch Italien anschloss. Plötzlich zogen Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und Italiens starker Mann Matteo Salvini an einem Strang – die Internationale der Populisten und Nationalisten, die vor der Europawahl nicht zustande gekommen war, nahm ausgerechnet beim EU-Gipfel Gestalt an.

Keine gemeinsame Wertebasis

Während die EVP Timmermans ablehnte, weil er Sozialdemokrat ist, empörte sich der „neue Ostblock“ (taz) darüber, dass der Niederländer die Rechtsstaatsverfahren gegen Polen und Ungarn vorangetrieben hatte. Das zeigt, wie es um die europäische Integration wirklich steht: Statt auf einer gemeinsamen Wertebasis zusammenzuwachsen, driften West- und Osteuropa immer weiter auseinander. Im Osten, aber auch im Süden will man sich nicht einmal mehr den Ordnungsrufen der EU-Kommission beugen.

Merkel und Macron hätten den unerwarteten Widerstand beim EU-Gipfel brechen können – denn für Timmermans gab es durchaus Rückhalt. Doch Merkel entschied sich dagegen. Sie wolle die Entscheidung nicht mit einer „kargen Mehrheit“ und gegen „große EU-Staaten“ erzwingen, sagte die Kanzlerin. Schließlich habe man in den nächsten Jahren noch einige Probleme gemeinsam zu lösen. Im Herbst stehen der Brexit und das nächste EU-Rahmenbudget auf dem Programm. Dafür werden die Neinsager noch gebraucht.

Doch wird sich die Rücksichtnahme auf Nationalisten und Populisten auszahlen? Ist der Weg für das proeuropäische Team frei? Oder werden Orbán und Salvini durch den Gipfelerfolg ermuntert, noch mehr auf die nationale Karte zu setzen? Kurz nach dem Deal fällte die EU-Kommission eine Entscheidung, die diese Vermutung nährt. Die Brüsseler Behörde stellte überraschend das Defizitverfahren gegen Italien ein, das sie wegen der exorbitanten Schulden bereits zum zweiten Mal eröffnet hatte.

Das große Wort von der Schicksalswahl

Wenige Zeit zuvor zuvor hatte Salvini mit einem Aufstand gegen Brüssel gedroht und Neuwahlen ins Spiel gebracht. Nach Stand der Dinge hätte der rechte Lega-Führer die Wahlen in Italien haushoch gewonnen. Dieses Risiko wollte die EU-Kommission nicht eingehen. Sie zog eine gütliche Einigung vor. Rom muss sein Budget nur geringfügig korrigieren, Salvini kommt ungeschoren davon. Es sieht aus wie eine Kapitulation nach einer vermiedenen Schlacht.

Dass sich die EU in einer Schlacht befindet, ist rund um die Europawahl oft behauptet worden. Europa müsse sich gegen innere und äußere Feinde verteidigen, hieß es in Brüssel. Das große Wort von der Schicksalswahl machte die Runde. Es ließ eine Art Entscheidungskampf erwarten. Stattdessen gab es immer wieder kleine und größere Scharmützel – mal zwischen Berlin und Paris, dann zwischen Brüssel und Rom oder auch zwischen dem Europaparlament und dem Rat.

Doch die finale Schlacht ist ausge­blieben; es gibt keine eindeutigen Gewinner oder Verlierer. Nach der Europawahl müssen alle ihre Wunden lecken. Deutschland und Frankreich haben am Ende zwar „ihr“ Team durchgesetzt, doch zuvor gab es erbitterte Kämpfe, die Narben hinterlassen werden. Spanien hat sich nach jahrelangem Tiefschlaf zurückgemeldet, aber mit dem designierten Außenvertreter Josep Borrell hat sich Premierminister Pedro Sánchez nur einen drittklassigen Posten gesichert, den kaum jemand ernst nimmt. Und die Osteuropäer haben, allem Imponiergehabe von Viktor Orbán zum Trotz, keinen einzigen EU-Topjob ergattert. Sie stehen als große Verlierer da – und könnten sich dafür bei nächster Gelegenheit rächen.

Führungsteam von Realisten

Wie kann das sein? Sollte die EU nicht eigentlich gestärkt und geeint aus der Europawahl hervorgehen? Janis Emmanouilidis vom Brüsseler Thinktank EPC hat sich darüber in einer Studie („Re-Unite EUrope“) Gedanken gemacht. Für den deutsch-griechischen Europaexperten, der auch die EU-Kommission berät, ist die Schlachtordnung komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Er spricht von einem „Kampf mit zersplitterten Lagern“. Im Wahlkampf seien die liberalen Proeuropäer im Westen genauso zerstritten gewesen wie die illiberalen EU-Kritiker und -Gegner im Osten oder in Italien. So rangen Macron und Merkel um die richtige Strategie gegen Orbán und Salvini. Sollte man sie ausgrenzen, wie es Macron, oder vorsichtig einbinden, wie es Merkel versuchte?

Streit gab und gibt es auch über die Frage, wie sich die Union weiterentwickeln soll: „Mehr Europa“ oder mehr Eigenverantwortung, ein föderaler oder ein nationaler Weg – oder doch lieber ein simples „Weiter so“? Eine einfache Antwort gibt es nicht, warnt Emmanouilidis. Auch nicht für das neue Führungsteam um von der Leyen und Lagarde. „Das Team wirkt proeuropäisch“, sagt der Experte. „Aber alle, die nun Verantwortung übernehmen, sind gleichzeitig Realisten. Von der Leyen und Lagarde wissen nur zu gut, dass es in der EU Differenzen gibt, die nicht überbrückt werden können.“

Der Grund dafür liege in einer hohen Fragmentierung zwischen den Mitgliedstaaten und der zunehmenden Polarisierung innerhalb der nationalen Gesellschaften, so der Politikberater. Anders gesagt: Die soziale und politische Spaltung nimmt zu, in ganz Europa. Die Mitte ist geschrumpft, der lange selbstverständliche Konsens ist zerbrochen. Die Europäer „leben auf verschiedenen Planeten“, heißt es in der EPC-Studie. „Sie teilen nicht dieselbe Diagnose, und bei der richtigen Medizin sind sie sich erst recht nicht einig.“

Eine politische Bewegung unter vielen

Das zeigt sich auch im neuen Europaparlament. Hier will nichts mehr zusammenpassen. Die Konservativen von der EVP und die Sozialdemokraten haben ihre gewohnte Mehrheit verloren und sind auf eine dritte oder vierte Partei angewiesen – die Liberalen beziehungsweise die Grünen. Die EVP, die jahrzehntelang den Ton in Europa angab, ist nur noch eine politische Bewegung unter vielen; auch deshalb konnte sich ihr Spitzenkandidat Weber nicht durchsetzen. Eine neue „progressive“ Mehrheit links der Mitte, auf die sein Rivale Timmer­mans setzte, kam aber auch nicht zustande.

Ein ähnliches Bild bietet sich im Rat, der Vertretung der 28 EU-Staaten. Auch hier ist die EVP nicht mehr allein Herr im Haus. Die Liberalen sind stärker geworden, die Sozialdemokraten treten selbstbewusster auf. Wo noch vor fünf Jahren nur zwei „Parteienfamilien“ mit EU-Posten bedacht werden mussten, waren es diesmal drei: Auch die Liberalen forderten ihren Tribut. Und wo früher vor allem Merkel und Macron das große Wort führten, wollen nun auch andere mitreden – besonders laut Viktor Orbán.

Chaotische Verhältnisse

Das lässt weitere Konflikte erwarten – und neue, unkonventionelle Schlachtordnungen. Schon im Brüsseler Personalpoker um die Topjobs wollen CDU und CSU eine neue „Achse“ zwischen Macron und Orbán ausgemacht haben. SPD und Grüne hingegen sehen Ursula von der Leyen als Präsidentin von Orbáns Gnaden. Man mag das für Verschwörungstheorien schlechter Verlierer halten – oder für ein Zeichen, dass man sich auf chaotische Verhältnisse einstellen muss, sogar im bisher so behäbigen und konsensorientierten Rat.

„Das Verhältnis der Mitgliedstaaten wird zunehmend von Fragmentierung und Misstrauen geprägt“, warnt Emmanouilidis. Außerdem mache sich das nahende Ende der Amtszeit von Kanzlerin Merkel bemerkbar. Dies führe zu einer latenten Führungskrise, denn lange Jahre galt Merkel als die unbestrittene Nummer eins in Europa. Nun wird sie nicht nur von Macron, sondern auch von den Osteuropäern und Italien offen herausgefordert. Sogar die Große Koalition in Berlin ist wegen der Europapolitik ins Schlingern geraten.

Das gebrochene Versprechen

Als größtes Problem könnte sich jedoch die Vertrauenskrise erweisen, die durch die Europawahl und das Versagen von Europaparlament und Rat neue Nahrung bekommen hat. Das Parlament hat den Wählern eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten versprochen – und nicht geliefert. Die Staats- und Regierungschefs haben mehr Bürgernähe und Demokratie zugesagt – und ihr Versprechen gleich nach der Wahl wieder einkassiert.

Das lastet auf dem neuen Führungsteam. Sie wisse, dass „wir einen holprigen Start zusammen hatten“, räumte von der Leyen bei ihren turbulenten Hearings im Europaparlament ein. „Ich kann die Vergangenheit nicht heilen.“ Für die Europaabgeordneten war das ein schwacher Trost. Schließlich war von der Leyen erst ganz zum Schluss aus dem Hut gezaubert worden, die Parlamentarier mussten die Wahl der Chefs schlucken.

Die Vergangenheit lastet auf ihnen, den neu gewählten Abgeordneten. Sie haben die Europawahl wie ein großes Fest der Demokratie inszeniert – und müssen nun mit den Folgen fertig werden.

Dieser Text erschien in der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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