Ukrainekrieg - Warum chinesische Militärhilfe für Russland unwahrscheinlich ist

Washington hat Peking davor gewarnt, Russland im Ukrainekrieg militärische Hilfe zu leisten. Tatsächlich dürften die Chinesen vor einem solchen Schritt zurückschrecken. Denn für sie steht einfach zu viel auf dem Spiel – insbesondere mit Blick auf Wirtschaft und Außenhandel.

Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping bei einem Treffen im September vorigen Jahres / dpa
Anzeige

Autoreninfo

George Friedman, 74, ist einer der bekanntesten geopolitischen Analysten der Vereinigten Staaten. Er leitet die von ihm gegründete Denkfabrik   Geopolitical Futures  und ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Der Sturm vor der Ruhe: Amerikas Spaltung, die heraufziehende Krise und der folgende Triumph“ im Plassen-Verlag.

So erreichen Sie George Friedman:

Anzeige

Die Diskussion über die chinesische Militärhilfe für Russland ist sehr lebhaft gewesen. Die Vereinigten Staaten haben Peking davor gewarnt, solche Hilfe zu leisten – und Peking hat geantwortet, dass diese unbedachten Anschuldigungen Konsequenzen haben würden. Das Schreckgespenst eines chinesisch-russischen Bündnisses gegen die Vereinigten Staaten erscheint vielen Amerikanern katastrophal, und der Gedanke an chinesische Waffen auf dem ukrainischen Schlachtfeld wirkt wie der Vorbote einer Katastrophe. Doch diese Bedenken sind meiner Einschätzung nach unangebracht.

Es stimmt, dass China und Russland kurz vor dem Krieg in der Ukraine einen Vertrag geschlossen haben. Es stimmt aber auch, dass sich die Chinesen nach Ausbruch des Krieges von dem Bündnis zurückzogen. Tatsächlich war China eines der wenigen Länder, die sich bei einer UN-Abstimmung zur Verurteilung Russlands kurz nach Kriegsbeginn der Stimme enthielten. Das Bündnis wurde von beiden Seiten als eine langfristige Verpflichtung dargestellt und nicht als kollektiver Verteidigungspakt. Peking betrachtete den Krieg als etwas, das es zu vermeiden galt. Angesichts schwerwiegender wirtschaftlicher Probleme, gewisser Unruhen im eigenen Land und einer US-Marine, die im und am Südchinesischen Meer lauert, machte Chinas Beteiligung an einem Krieg – oder auch nur die Unterstützung Russlands in der Uno – aus dem Bündnis kaum mehr als einen diplomatischen Bluff.

Chinesische Wirtschaft mit erheblichen Problemen

Es gibt mehrere Gründe, warum China Russland wahrscheinlich keine nennenswerte Hilfe leisten wird. Der vielleicht wichtigste ist, dass die chinesische Wirtschaft weiterhin Probleme hat. Sie ist stark von Exporten und Auslandsinvestitionen abhängig. Die Androhung amerikanischer Sanktionen allein würde die Chinesen wahrscheinlich schon abschrecken, aber ein Engagement in der Ukraine würde wohl auch Sanktionen aus Europa nach sich ziehen. Europa hat viel in die Eindämmung Russlands in der Ukraine und in die Pflege der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten investiert. Die Europäer haben bei einem russischen Sieg nichts zu gewinnen und potenziell viel zu verlieren. Die Chinesen wiederum könnten den Preis für amerikanische und europäische Sanktionen kaum zahlen.

 

Das könnte Sie auch interessieren:

 

Ein zweiter Grund – der mit dem ersten zusammenhängt und zugegebenermaßen unwahrscheinlich erscheint – ist die mögliche militärische Reaktion. Angenommen, China ließe sich von den Wirtschaftssanktionen nicht abschrecken, so verfügen die USA letztlich eben auch über erhebliche militärische Optionen. Chinas exportorientierte Wirtschaft kann nur gedeihen, wenn der Zugang zum offenen Handel, insbesondere zum Handel aus den Osthäfen, erhalten bleibt. Wenn ein anderer Staat diese Häfen und ihre Seewege blockiert, wie unvollkommen auch immer, könnte dies für Peking katastrophale Folgen haben.

Gefährdete Handelsrouten

China könnte natürlich Vergeltung üben, aber das würde die amerikanische Kriegsmaschinerie wahrscheinlich nicht lahmlegen. Die anschließende Seeschlacht würde in jedem Fall den chinesischen Handel lähmen, selbst wenn Peking „gewinnen“ würde – und es gibt keine Garantie, dass dies der Fall wäre. Unterm Strich muss China die Handelsrouten offen halten und würde sich andere Wege suchen, um sein Gesicht zu wahren.

Der dritte Grund ist eine Frage der Praktikabilität. Die schiere Entfernung zwischen Chinas industrieller Basis und dem ukrainischen Schlachtfeld ist beträchtlich. Russland wäre wahrscheinlich auf Chinas Hightech-Kommunikations- und Gefechtsfeldmanagement-Ausrüstung sowie auf relativ leichte Waffen angewiesen. Diese Art von Waffen erfordern geschulte Techniker und die Integration in russische Systeme. Der Transport großer Mengen an Ausrüstung und Personal würde einen Luft- oder Bahntransport erfordern. Jede Menge an Ausrüstung, die auf dem Schlachtfeld von Bedeutung wäre, würde Versorgungslinien erfordern, die geschützt werden müssten. Das ist eine gewaltige Aufgabe, die viel mehr Engagement bedeutet, als viele denken.

Es gibt wahrscheinlich noch andere Gründe, warum China keine wichtigen militärischen Güter nach Russland schicken wird. Aber sie sind alle der Tatsache untergeordnet, dass China sich die wirtschaftlichen Folgen nicht leisten kann. Die Lage in China ist schon schwierig genug, ohne dass eine Front gegen die USA eröffnet wäre. Natürlich könnte Peking eine kleine Anzahl relativ unbedeutender Ausrüstungsgegenstände schicken. Aber das markiert kaum den Auftakt zum Dritten Weltkrieg.

In Kooperation mit

Anzeige