EU-Rat der Außenminister - Fast alles dreht sich um den Panzer

Über dem EU-Rat der Außenminister schwebt die Frage, ob die Ukraine Leopard-2-Kampfpanzer erhalten wird. Aber auch über den Iran wird in Brüssel gesprochen. Mit dem Ergebnis, dass die Revolutionsgarden nicht als Terrororganisation eingestuft werden. Noch nicht jedenfalls.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock während eines Pressegesprächs in Brüssel / dpa
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Über allen politischen Treffen schwebt derzeit die Frage, ob der Ukraine Leopard-2-Kampfpanzer geliefert werden. So auch über dem EU-Rat der Außenminister, der sich mit der Unterstützung der Ukraine und Sanktionen gegen den Iran befasste. Das mag man als ungerecht gegenüber Deutschland empfinden, das die Ukraine schon kräftig unterstützt hat und könnte es auch so lesen, als wollten sich die USA, Großbritannien und Frankreich beim Thema Kampfpanzer in die zweite Linie zurückziehen.

Aber so ist das Kasernenhofspiel: Wer nicht rechtzeitig einen Schritt zurücktritt ist derjenige, der vorgetreten ist. Der Bundesregierung fällt hier ihre intransparente, widersprüchliche und – mit Blick auf die Tatsachen – unhaltbare Position auf die Füße. Wenn der Bundeskanzler schweigt, weil er meint, als Regierungschef in einer Demokratie sich der Wählerschaft gegenüber nicht erklären zu müssen (außer in den sechs Wochen vor den Wahlen), dann beherrschen andere die Diskussion. Deshalb dreht sich alles um den Leopard 2.
 

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Angefeuert hatte es Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die am Tag zuvor zu möglichen Panzerexporten Polens an die Ukraine, die von Deutschland genehmigt werden müssten, erklärte: „Im Moment ist die Frage noch nicht gestellt worden, aber wenn wir gefragt würden, würden wir nicht im Weg stehen.“ Oder doch?

Der Bundeskanzler, der sich die Entscheidung in dieser Frage persönlich vorbehält und inzwischen einen kräftigen Streit mit vielen EU-Staaten und den USA dafür in Kauf nahm, äußerte sich nicht. Was also war Baerbocks Wort wert? Polen erklärte unverzüglich, sogleich die Exportgenehmigung zu beantragen. Und Baerbock zog es vor, in Brüssel ihre Festlegung nicht zu wiederholen und damit einen Tag später auf kaltem Weg aufzuweichen. 

Uneinigkeit über das weitere Vorgehen

Dahinter rückten alle anderen Fragen zurück. Es wurden weitere Militärhilfen für die Ukraine beschlossen und es gab Uneinigkeit über das weitere Vorgehen, Russland juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Baerbocks Vorhaben, ein Tribunal zwar nach ukrainischem und internationalem Recht einzurichten, aber nicht auf die Vereinten Nationen zu konzentrieren, hat wohl keine Chancen im EU-Rahmen mehrheitsfähig zu werden.

Die Meinungsbildung ging eher dahin, dass ein Sondertribunal der Vereinten Nationen eingerichtet werden soll. Dann könnten auch die Spitzen des Staates zur Verantwortung gezogen werden. Doch da dies gegen Russlands Stimme im Sicherheitsrat nicht durchgesetzt werden kann, ist eine sehr große Mehrheit in der Generalversammlung nötig, um dieses Tribunal mit ausreichend internationaler Legitimation einzusetzen. Wird sie so groß sein wie bei der Verurteilung des Kriegs? Da werden jetzt Stimmen gezählt. 

Ein klitzekleines Hintertürchen

Gegen Russland wird es schon bald weitere Sanktionen geben, die unter anderem den Export von Benzin und Heizöl regeln. Sanktionen wurden auch gegen den Iran ausgebaut, indem 37 weitere Personen auf die Sanktionsliste gesetzt wurden. Die zentrale Forderung derer, die das Regime in Teheran unter stärkeren Druck setzen wollen, ist aber nicht erfüllt worden. Die Revolutionsgarden werden nicht, möglicherweise noch nicht, als Terrororganisation eingestuft.

Dazu, so erklärte es der Außenbeauftragte Josep Borrell, müssten diese zuvor von einem Gericht eines Mitgliedsstaates verurteilt werden. Politisch wird diese Maßnahme so gelesen, dass noch ein klitzekleines Hintertürchen offengehalten werden soll, das Nuklearabkommen mit Iran doch noch zu erneuern. Doch scheint dies angesichts der engen Kooperation mit Russland in so weite Ferne gerückt zu sein, dass dieses Motiv nicht weiter trägt. Und wohl schon bald von Irans nuklearen Fähigkeiten überholt werden könnte. 

Die Frage kehrt zum Kanzler zurück

Hier könnten sich die politischen Kalkulationen erst ändern, wenn der Krieg Russlands beendet werden kann. Denn dann wird die Rivalität der potentiellen regionalen Vormächte im Mittleren Osten – Iran, Türkei und Saudi-Arabien – neue Anforderungen stellen und Handlungschancen eröffnen. Für ein Ende des russischen Kriegs, und da schließt sich der Kreis, könnte die Lieferung von Kampfpanzern – als Ergänzung zu den Späh- und Schützenpanzern – einen wirksamen Beitrag leisten.

Weshalb die Frage wieder zum Bundeskanzler zurückkehrt, der erklären muss, warum er einer Lieferung nicht zustimmt. Dass er sich dabei im Einklang mit etwa der Hälfte der deutschen Bevölkerung sieht, ist ein freundlicher Hinweis aus dem Kanzleramt, aber keine Erklärung. Denn er könnte sich ja auch die andere Hälfte der Bevölkerung als Referenzgröße wählen.

 

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