Kanzler-Rede beim Weltwirtschaftsforum - Scholz schweigt zum Elefanten im Raum

Wird Olaf Scholz der Lieferung von „Leopard“-Kampfpanzern an die Ukraine zustimmen? In seiner Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos umging der Kanzler den Elefanten im Raum. Lieber lobte er sich für seine Investitionen in die ökologische Transformation.

Olaf Scholz bei seiner Rede auf dem Weltwirtschaftsforum / dpa
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Diese Woche ging es Schlag auf Schlag: Am Montag machte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ihren Rücktritt offiziell. Am Dienstag warf Bundeskanzler Olaf Scholz sein Paritätsversprechen über Bord und ernannte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) zum Nachfolger. Am morgigen Donnerstag soll Pistorius im Bundestag vereidigt werden. Direkt am Freitag steht der neue Verteidigungsminister gleich vor seiner ersten großen internationalen Aufgabe, wenn er an einem Treffen der von den USA geführten „Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine“ auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz teilnimmt.

Bis dahin wird eine Entscheidung erwartet: Lenkt Deutschland ein und liefert „Leopard“-Kampfpanzer an die Ukraine – oder erlaubt zumindest anderen Staaten, die Kampfpanzer zu liefern? Bisher liefert Olaf Scholz stattdessen das Kontrastprogramm zur Rasanz der Ereignisse. Das zeigte sich heute einmal mehr, als der Bundeskanzler am späten Nachmittag beim Weltwirtschaftsforum in Davos eine Rede hielt und alles darauf wartete, dass er auf den Elefanten im Raum zu sprechen kommt.

Europäische Allianz für Lieferungen

Scholz hat sich lange geweigert, die „Leoparden“ zu liefern oder anderen Staaten sein Einverständnis für Lieferungen zu geben. Und ohne Zustimmung Deutschlands können aus rechtlichen Gründen keine Leopard-Panzer geliefert werden. Doch zuletzt wurde der Druck immer größer – aus Deutschland wie auch aus dem Rest Europas. In Deutschland nicht nur aus der Opposition, sondern auch von Scholzens Regierungspartnern aus der Ampel-Koalition. „Wer der Lieferung von ‚Mardern‘ zustimmen kann, kann auch ‚Leopard‘-Panzer liefern“, sagte die Grünen-Fraktionsvize und Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger jüngst in einem Interview.
 

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Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte im Voraus gefordert, dass vom Weltwirtschaftsforum ein Signal für schwere Waffenlieferungen ausgehen müsse. Polens Präsident Andrzej Duda hatte in Davos angekündigt, Scholz werde „diese sehr notwendige Entscheidung treffen“. Litauens Präsident Gitanas Nausėda, ebenfalls ein NATO-Partner, verkündete Ähnliches. Finnland will ebenfalls „Leoparden“ liefern. Frankreichs Präsident Macron macht schon lange Druck. Scholz‘ Rechtfertigung, Deutschland unternehme nichts im Alleingang, sondern nur in Absprache mit den Partnern, ist als Argument gegen Lieferungen also obsolet.

Der Elefant im Raum

Scholz ließ sich nicht beirren, als er gegen 16 Uhr in Davos ans Podium trat. Den Elefanten im Raum umging er mit sich selbst lobenden Ausführungen über den Industriestandort Deutschland, der dank seiner innovativen, mittelständischen Unternehmen und dank seiner, also Scholzens, Investitionen in die ökologische Transformation das Non plus Ultra in Sachen Vereinbarkeit von Klimaschutz und Wohlstand werde. „2045 wird meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger hier in Davos stehen und Deutschland als eine der ersten klimaneutralen Nationen vorstellen“, kündigte Scholz an.

Die Ukraine fand lediglich in Allgemeinplätzen Erwähnung, als Scholz in seiner auf Englisch gehaltenen Rede die weltwirtschaftlichen Veränderungen des vergangenen Jahres auch am Beispiel des russischen Angriffskrieges skizzierte. Über Parolen ging er nicht hinaus: Der Ukraine-Krieg sei ein „tiefgreifender Wendepunkt in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“, Russland sei mit seinen imperialistischen Kriegszielen schon jetzt gescheitert. „Wir werden die Ukraine weiterhin unterstützen – so lange wie notwendig“, verkündete Scholz. Und der Elefant im Raum? Den sprach ein Ukrainer in der anschließenden Fragerunde aus dem Publikum an: Wie hält der Kanzler es also mit den Kampfpanzerlieferungen?

Unredlich argumentiert

Scholz lavierte und argumentierte unredlich. Deutschland sei einer der größten Unterstützer der Ukraine, so der Kanzler. Was nur stimmt, wenn man die Hilfen nicht prozentual und an der Wirtschaftsgröße des Landes bemisst. Deutschland liefere „fortlaufend“ und in enger Absprache mit den Partnern, allen voran mit Frankreich, schwere Waffen. Als Beispiel nannte er die zugesagte Lieferung des Luftabwehrsystems „Patriot“.

Unerwähnt ließ Scholz dagegen, dass Frankreich sich zuletzt offensiv gegen seine Haltung wandte und etwa ohne Absprache verkündete, den Spähpanzer AMX-10RC an die ukrainischen Streitkräfte zu liefern. Unerwähnt ließ er auch, dass er noch vor wenigen Wochen die Lieferung eines „Patriot“-Abwehrsystems ablehnte. Erst, als die USA der Ukraine dieses System zusagten, zog Scholz nach.

Der Ukrainekrieg dürfe nicht zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato ausarten, sagte Scholz. Eine nur noch nachträgliches Rechtfertigungszucken für sein bisheriges Zögern, ehe er nachgibt? Am Freitag findet das Treffen in Ramstein unter anderem mit den USA statt, die Scholz wiederholt hymnisch und unterwürfig wirkend für ihre „herausragende Rolle“ für die Ukraine pries. Man könnte das als Wink deuten, dass Scholz das Treffen mit dem großen Partner abwarten will.

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