Migration: Deutschand gegen den Rest der EU - Bundesregierung brüskiert Italien durch NGO-Unterstützung

Die Bundesregierung zieht mit der Unterstützung von NGOs den Zorn Italiens auf sich. Auch Diplomaten anderer EU-Länder sind erzürnt, weil Berlin die gemeinsame Migrationspolitik blockiert - obwohl diese gerade im Interesse Deutschlands ist.

Von der Bundesregierung bezahlt: Die NGO „SOS Humanity“ bringt am 27. August 57 illegale Einwanderer nach Italien / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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In Deutschland, jedenfalls in Politik- und Medienkreisen, gehört es zum guten Ton, für eine „europäische Lösung“ zu plädieren. Das gilt auch für die Migrationspolitik. In der Theorie jedenfalls. Und diese Theorie geht stets davon aus, dass eine europäische Lösung eine solche ist, die im politischen Berlin gewünscht wird. Dann ist oft auch von Solidarität die Rede.

In der Praxis der Migrationspolitik ist schon lange und immer noch das Gegenteil zu bobachten. Obwohl Deutschland als Hauptzielland der gerade nach Europa kommenden Armutseinwanderer eigentlich der große Profiteur einer restriktiveren, den Zuzug erschwerdenden Migrationspolitik auf EU-Ebene wäre, sperrt sich die deutsche Bundesregierung nicht nur bei den Verhandlungen, sondern eben auch im innereuropäischen Politikalltag gegen eine solche längst von fast allen EU-Partnern gewünschte Politik.

Das krasseste Beispiel dafür: Das Auswärtige Amt zahlt 790.000 Euro an die NGO „SOS Humanity“, die ein Frachtschiff betreibt, mit dem sie Migranten eben nicht nur aus Seenot rettet, sondern stets in einen EU-Hafen, in der Regel einen italienischen, bringt. Derzeit liegt das Schiff im sizilianischen Syrakus vor Anker. Es ist nichts Geringeres als ein Affront gegen das drittgrößte EU-Land, das derzeit das wichtigste Erstaufnahmeland der übers Mittelmeer kommenden Migranten ist. Und als solcher wird es auch von der Regierung in Rom wahrgenommen. Verteidigungsminister Guido Crosetto (Fratelli d’Italia) wird in Medien so zitiert: „Von Deutschland hätte ich mir Solidarität versprochen statt Hilfe für die NGOs.“ Und weiter: „Es ist schwerwiegend, dass Berlin die NGOs finanziert. Deutschland ist kein befreundetes Land mehr.“  Auch Außenminister Antonio Tajani (Forza Italia) spricht von einer „merkwürdigen Wahl“ Berlins.

Exkurs: Grundsätzlich hatten sich die Ampel-Koalitionäre schon im November auf staatliche Hilfe für eine Migrations-NGO geeinigt. Ursprünglich sollte vor allem die kirchennahe Organisation „United4Rescue“ unterstützt werden. Doch die wird von Thies Gundlach geleitet, dem Ehemann der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. So viel Vetternwirtschaft schien dann doch etwas unpassend. So kam SOS Humanity zum Zuge.


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Crosetto schlug der deutschen Regierung vor, wenn sie wirklich Menschen in schwieriger Lage helfen wolle, solle sie sich doch am italienischen „Plan Mattei für Afrika“ beteiligen, der der Bekämpfung von Schleusungen dient. Am Donnerstag beim EU-Innenministertreffen in Brüssel will Außenminister Antonio Tajani mit Baerbock sprechen und „Klarstellungen“ fordern. Das Auswärtige Amt hat schon vorher im Ton moralischer Belehrung verkündet, das Leben derer zu retten, die „ertrinken und sich in Seenot befinden“, sei eine „rechtliche, humanitäre und moralische Pflicht“. Als ob man das in Rom infrage gestellt habe. Doch bekanntlich steuern NGO-Schiffe eben in aller Regel nicht den nächsten, sondern einen italienischen Hafen an und werden somit de facto auch zu Migrationshelfern.

Die Bundesregierung wird aber nicht nur aus Italien kritisiert. Ihre Ablehnung von Vorschlägen zur geplanten Reform des EU-Asylsystems verärgert auch andere EU-Länder. Die Position Berlins sei maßgeblich dafür verantwortlich, dass notwendige Verhandlungen mit dem Europaparlament derzeit blockiert seien, sagten laut dpa mehrere Diplomaten und EU-Beamte mit Blick auf das Innenministertreffen am Donnerstag. Wenn es eine Chance geben solle, die Asylreform noch vor der Europawahl zu beschließen, müsse sich die Bundesregierung bewegen und dem Vorschlag für die sogenannte Krisenverordnung zustimmen, so diese Diplomaten.

Deutsche Interessen vs. deutsche Regierung

Konkret geht es darum, dass die Bundesregierung im Juli einen Vorschlag der spanischen EU-Ratspräsidentschaft für die Krisenverordnung nicht unterstützen wollte und sich die EU-Staaten deswegen nicht für Verhandlungen mit dem Europaparlament positionieren konnten. Ihr Argument: EU-Staaten bekämen über die Verordnung bei einem besonders starken Zustrom von Migranten die Möglichkeit, die Schutzstandards für diese Menschen in inakzeptabler Weise abzusenken. Zum Beispiel könnte dadurch in Krisenlagen der Personenkreis erweitert werden, für den die geplanten strengen Grenzverfahren gelten, und der Zeitraum verlängert werden, um Zuwanderungswillige unter haftähnlichen Bedingungen festzuhalten.

Mit anderen Worten: Die deutsche Regierung sträubt sich gegen die Begrenzung der Zuwanderung, durch die Deutschland selbst am meisten von allen EU-Staaten derzeit belastet ist. Unter der Ampel sind also in der EU die Interessenlagen in absurder Weise verkehrt: Nicht die deutsche, sondern die Regierungen Spanien, Italiens, Frankreichs und der meisten anderen EU-Staaten setzen sich für deutsche Interessen ein. Nicht nur die Interessen der deutschen Steuerzahler und Mieter übrigens, sondern sogar indirekt auch für die der Ampel selbst. Denn deren Rückhalt beim deutschen Wähler schwindet mit jedem weiteren Tag des ungebremsten Zustroms zu versorgender Armutsmigranten.

 

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