Krieg gegen Israel - Der Traum von der Zweistaatenlösung ist zuende

Seit rund 100 Jahren verweigern die Palästinenser jeden Frieden, der auf eine Zweistaatenlösung hinauslaufen könnte. Diese Haltung wird seit Jahrzehnten von deutschen Steuerzahlern mitfinanziert. Ermöglicht der Krieg der Hamas gegen Israel neue Wege?

Sie wollen doch nur Frieden? Antiisraelische Demonstranten im Westjordanland / dpa
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Julien Reitzenstein befasst sich als Historiker in Forschung und Lehre mit NS-Verbrechen und Ideologiegeschichte. Als Autor betrachtet er aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen.

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Die Erkenntnis, dass sich jahrelang gepflegte Überzeugungen und Werte als Lebenslüge herausstellen, ist schmerzhaft. Menschen versuchen vieles, um sich ihren Fehleinschätzungen nicht stellen zu müssen. Sie blenden Fakten aus, verdrängen logische Schlüsse und beharren oft bis zum letzten Moment darauf, doch irgendwie im Recht gewesen zu sein. Die jüngsten Ereignisse in Israel haben gezeigt, dass dies auch auf den jahrzehntelangen Traum einer Zweistaatenlösung zutreffen könnte.

Albert Einstein wird die Erkenntnis zugeschrieben „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Seit 70 Jahren verhandelt die internationale Staatengemeinschaft Friedenslösungen. Ein fester Bestandteil ist stets, das Land aufzuteilen, um Frieden zu erreichen. Und da sind schon die ersten beiden Lebenslügen enthalten:

Als 1920, nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs, dessen Gebiete im östlichen Mittelmeerraum unter Verwaltung Frankreichs und des Vereinigten Königreichs gestellt wurden, war bereits klar: Das unter britischer Verwaltung stehende Mandatsgebiet wird aufgeteilt. Rund ein Fünftel sollte nach dem Willen der internationalen Staatengemeinschaft im Völkerbund eine jüdische Heimstatt werden – der spätere Staat Israel –, und die anderen vier Fünftel wurden den muslimischen Arabern zugesprochen. Aus diesem Gebiet entstand das spätere Königreich Jordanien.

Seit der Kolonisierung der jüdisch geprägten Region durch islamisch-arabische Truppen einige Jahrhunderte zuvor galten Juden dort als verachtenswerte Feiglinge. Nachdem seit den 1920er Jahren die Muslimbrüder und die Panarabische Bewegung die frei erfundenen antisemitischen „Protokolle der Weisen von Zion“ als angeblich historisches Dokument einer jüdischen Weltverschwörung verbreiteten, wurden sie bald als übermächtiger Feind gesehen, gegen den nur Ausrottung helfe.

1937 forderte der Großmufti einen faktisch judenfreien Araberstaat

Der Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, erklärte 1935 mit einem Federstrich das gesamte Mandatsgebiet in einer Fatwa als den Muslimen anvertraut. Er ließ darauf aufbauend in einer Rechtsgelehrtenkonferenz all jenen Muslimen mit einer Art Exkommunikation drohen, die sich an Landverkäufen an Juden beteiligten. Dazu gründete er eine eigene Überwachungsgesellschaft, und muslimische Gegner dieser Maßnahmen wurden ermordet.

All dies hätte kaum stattgefunden, hätte es – anders als die Palästinenseraktivisten im Westen glauben machen wollen – nicht erhebliche Landverkäufe an Juden lange vor der Staatsgründung Israels gegeben. Als sich Widerstand gegen die fortlaufende Ermordung von Juden regte, brach 1936 der arabische Aufstand gegen die vom Völkerbund eingesetzte britische Mandatsmacht aus, zu deren Anführern al-Husseini zählte. Dieser forderte in einer Rede ausdrücklich, zu verhindern, dass Juden und Muslime in Frieden miteinander leben, wie ein halbes Jahrtausend zuvor in Andalusien. 1937 forderte er in einer populären, von den Nationalsozialisten international verbreiteten Schrift alle Muslime auf, nicht eher zu ruhen, bis ihre Länder frei von Juden, „dem Abschaum aller Länder“, seien. Aus heutiger Sicht war er damit sehr erfolgreich. In dem Buch verband er die judenfeindlichen Textstellen aus Koran und Hadithen mit dem eliminatorischen Antisemitismus des Nationalsozialismus.

Als die britische Peel-Kommission einen Zweistaatenplan für das Mandatsgebiet erarbeitete, lehnte Husseini dies 1937 als Sprecher der Araber scharf ab und forderte einen faktisch judenfreien Araberstaat – und organisierte Terroranschläge gegen alle Araber, die mit den Briten zusammenarbeiteten oder einer Zweistaatenlösung zugeneigt waren. Diese Konstellation besteht bis heute in der mörderischen Rivalität zwischen Hamas und Fatah.

Husseini floh nach Deutschland, wo er unter anderem an der Aufstellung muslimischer SS-Truppen beteiligt war, nach einigen Quellen zuletzt gar als SS-General. Parallel verbreitete er in der arabischen Welt den eliminatorischen Antisemitismus der SS. Für das Erziehen zum Judenhass erhielt Husseini vom deutschen Steuerzahler rund 90.000 Reichsmark pro Monat. Das Durchschnittsgehalt lag bei rund 190 Mark.

Nach dem Krieg floh Husseini nach Kairo und gab einem Verwandten ideologisches Rüstzeug: Jassir Arafat. Dessen Aufstieg als Palästinenserführer war vor allem von drei Elementen gekennzeichnet: zum einen von steigenden Zahlungen für die von ihm repräsentierten Araber. Denn Arafat bemerkte rasch den Zusammenhang zwischen medialen Elendsbildern und Geldzufluss. Bei seinem Tod 2004 lebten viele seiner Bürger immer noch in entsetzlichem Elend – und er war, wie französische Gerichte ermittelten, binnen 35 Jahren vom bescheiden auftretender Palästinenserführer zum neuntreichsten Mann der Welt geworden mit einem Privatvermögen von über einer Milliarde Dollar.

Arafat erteilte jeder Zweistaatenlösung stets eine Abfuhr

Das zweite Element ist, dass die von ihm als homogenes Volk mit gemeinsamer Geschichte und Kultur, gemeinsamer Sprache und gemeinsamem Siedlungsraum verstandenen Araber von Arafat Mitte der 1960er Jahre sprachlich aufgeteilt wurden: in ein arabisches Volk und ein palästinensisches Volk. Letzteres hatte zwar nie die genannten völkerrechtlichen Merkmale eines Volks. Gerade deshalb aber handelt es sich um eines der erfolgreichsten Propaganda-Narrative der Weltgeschichte – ganz selbstverständlich spricht die Welt heute vom „Palästinensischen Volk“.

Das dritte Merkmal ist, dass Arafat wie zuvor Husseini am Ende stets den von der internationalen Gemeinschaft verhandelten Zweistaatenlösungen am Ende eine Abfuhr erteilte: Nachdem 1923 vier Fünftel des britischen Mandatsgebiets als Königreich Jordanien für arabische Muslime eingerichtet worden war und nur ein Fünftel für Juden blieb, stimmte die jüdische Seite gleichwohl für dieses verbliebene Fünftel dem Vorschlag der Peel-Kommission einer weiteren Aufteilung für eine Zweistaatenlösung zu – 1937 lehnten die Araber ab. Der UN-Teilungsplan von 1947 sah vor, dass der zukünftige jüdische Staat innerhalb des verbliebenen Fünftels nur rund 56% der Fläche – davon zwei Drittel unfruchtbare Wüste – zugesprochen bekommen sollte. Das wurde vonseiten der Araber abgelehnt – sie verlangten, ganz wie Husseini zuvor, alles für sich und nichts für die Juden.

 

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Seither hat Israel wieder und wieder Teilungsplänen für das eigene Land zugestimmt. 2005 räumte Israel den Gazastreifen – das heißt, die Regierung gab ihren dort lebenden Bürgern 48 Stunden, um ihre Sachen zu packen und ihre Häuser zurückzulassen. Diese scharfe Maßnahme hatte ein Ziel: Land gegen Frieden.

Doch bei jedem Teilungsplan und auch nach der Räumung von Gaza machten die Palästinenser – und noch viel lauter ihrer Claqueure im Westen – deutlich, wie sie sich einen zukünftigen Palästinenserstaat vorstellen: „from the River to the Sea“, also schlicht den ganzen Staat für sich, judenfrei.

Die Lebenslüge der Palästinenserfreunde im Westen besteht darin, nach wie vor an ein einiges, friedliebendes und genuines palästinensisches Volk zu glauben, dem man nur einen eigenen Staat innerhalb einer Zweistaatenlösung geben müsse, um Frieden zu finden. Und – das darf nicht fehlen – dass man immer nur mehr und mehr Steuergeld für die palästinensische Sache geben müsse. Also faktisch sowohl für das Luxusleben der korrupten Anführer als auch, um deren eigene Mittel freizumachen für die Anschaffung von Waffen und Raketen statt Kraftwerken und Meerwasserentsalzungsanlagen, um Strom und Wasser nicht mehr aus Israel zu beziehen. Doch kognitive Dissonanz verhindert das Erkennen der Tatsache, dass für die Kosten einer Rakete eine Familie in Gaza für Jahre zu essen hätte. Und dass von den Kosten der Märtyrerrenten des ersten Kriegstags gegen Israel am 7. Oktober ganze Dörfer auf westlichen Lebensstandard gebracht werden könnten.

Mit Mördern und Kleptokraten kann es keinen Frieden geben

Ja, es ist schmerzvoll, wenn die vergangenen Tage offenbaren, dass alle Idealisierungen und Projektionen wohl nur Schall und Rauch waren – denn die Art, wie gemordet wurde, nämlich wahllos, ist ein politisches Statement der Hamas, dessen Klarheit nur noch von den unzähligen Videos übertroffen wird. Sie zeigen die auf den Straßen die Morde an Kindern und Greisinnen feiernden und dafür ihren Gott preisenden Bevölkerungsmassen.

Nach fast 100 Jahren unzähliger vergeblicher Zweistaatenlösungen müssen sich deren Unterstützer die Gretchenfrage stellen: Wollen sie weiter an etwas glauben, das nach den vergangenen Tagen eher eine Utopie ist – oder immer weiter dasselbe tun und hoffen, beim nächsten Mal ein anderes Ergebnis zu erzielen?

Wer bereit ist, für einen Augenblick den Schmerz zu ertragen, sich von der Idee eines friedliebenden palästinensischen Volks zu trennen, das genau wie die bildungsbürgerlichen Milieus des Westens eine Zweistaatenlösung ersehnt, hat den Blick frei für Alternativen. Manchmal hilft Ignoranz gegenüber jahrzehntelang eingeübten Mustern.

Daher wundert es nicht, dass es ausgerechnet Donald Trump war, der einen neuen Weg eingeschlagen hat: Statt wie in den Jahrzehnten zuvor erst Frieden zwischen Israel und Palästinensern zu vermitteln, vermittelte er Frieden, Wirtschaftsbeziehungen und diplomatischen Austausch zwischen – inzwischen immer mehr – muslimischen Staaten und Israel. Die korrupten Palästinenserführer mögen ahnen, dass ihre fast hundertjährige Verweigerungshaltung bei immer mehr arabischen Staaten zu Genervtheit führt. Und sie wissen, dass sie unter anderem aufgrund ihrer zunehmenden Irrelevanz für „die arabische Sache“ immer weniger Geld von dort zu erwarten haben – schon heute zahlt ihnen die EU mehr als die arabischen Staaten und das ohne den Anspruch, dafür Einfluss zu erhalten. Das mag in Teilen erklären, dass die gegenwärtigen Massaker und die Art ihrer Ausführung vermutlich auch ein Zeichen an archaisch-patriarchalische Kräfte in der arabischen Welt sein sollen. Der wesentliche Unterschied zwischen den Judenmördern der Hamas und jenen der Nationalsozialisten ist nämlich, dass das NS-Regime großen Wert auf Geheimhaltung legte bei der Ermordung von Greisen, Kindern, Frauen und Männern – und die Hamas sich ihrer Blutrünstigkeit mit grauenvollen Bildern in Social Media öffentlich brüstet.

Mit Mördern und Kleptokraten kann es aber weder Frieden geben noch einen eigenen Palästinenserstaat – also einen vor allem von westlichen Steuerzahlern finanzierten Freibrief für die Unterdrückung von Frauen, Verfolgung der LGBTQ*-Community und Ermordung von Andersdenkenden. Und erst recht keine Freiheit wie in Israel, in der Bürger jeder Herkunft, jeden Glaubens und jeder Religion dieselben Rechte haben. Doch welche Optionen stehen noch im Raum?

Konföderation zwischen Jordanien und einem Quasi-Palästinenserstaat?

Jordanien ist sicherlich keine lupenreine Demokratie nach westlichen Maßstäben, hat sich aber in den vergangenen Jahrzehnten zu einem vergleichsweise verlässlichen Partner entwickelt und ist nach regionalen Maßstäben gut verflochten in regionalen Partnerschaften, auch mit Staaten, die Friedens- und Wirtschaftsabkommen mit Israel haben. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten verdreifacht. Eine Konföderation mit einem Quasi-Palästinenserstaat auf dem Gebiet des Westjordanlandes, eine politische Hauptstadt in Amman, eine religiöse Hauptstadt in Ost-Jerusalem, Hilfszahlungen an die Konföderationsregierung, die ein gemeinsames Finanz-, Wirtschafts-, Außen- und Verteidigungsministerium unterhält, wäre einen Gedanken wert. Und wenn schon ergebnisoffen nachgedacht wird: Wer korrupt ist, ist käuflich. Und mancher Steuerzahler würde vielleicht eine einmalige Abfindungszahlung für die korrupten Clans der Palästinenserführung – die jetzt schon oft im Ausland residieren – für sinnvoller halten als laufende Zahlungen nebst andauernder Gewalt auf allen Seiten.

Doch was wird dann aus Gaza? Entweder es wird abgewartet, dass die dort lebenden Palästinenser in die besseren Lebensverhältnisse im neuen Konföderationsstaat migrieren – oder es bleibt abgeriegelt, bis die Hamas und andere islamistische Gewalttäter von der Macht vertrieben sind. Bis die Menschen von ihrer Führung fordern, in Strom und Wasser, in Wirtschaft und Bildung zu investieren statt in Raketen und Märtyrerrenten. Die ersten großen Demonstrationen hatte es in den vergangenen Monaten bereits gegeben.

Es wird ein steiniger Weg, der zum Blick in die Geschichtsbücher einlädt: Die Alliierten setzten nicht nur auf eine faktische Wirtschaftsblockade gegen Deutschland. Sie bombardierten deutsche Kommandoposten, Talsperren und Kraftwerke, um die Rüstungsindustrie lahmzulegen, einen Weltkrieg zu beenden und das Ende des menschenverachtenden NS-Regimes zu herbeizuführen – was auch das Ende der Vernichtungslager beschleunigte. Wer will kritisieren, dass deutsche Haushalte deshalb kein Wasser und keinen Strom hatten? Wer dankbar ist für die Befreiung Deutschlands vom Terrorregime der Nationalsozialisten kann diesen temporären Nebeneffekt bei Befreiung der von der eigenen Führung ausgeplünderten und terrorisierten Menschen in Gaza heute kaum als unverantwortbar kritisieren.

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