Karoline Edtstadler im Porträt - Eisprinzessin Beinhart

Österreichs Europaministerin Karoline Edtstadler zählt zu den politischen Aufsteigern im Kabinett Nehammer – und wird schon als dessen mögliche Nachfolgerin gehandelt.

Karoline Edtstadler / Foto: Alexandra Unger
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Rainer Nowak ist Journalist und war zuletzt Chefredakteur der österreichischen Tageszeitung Die Presse. Foto: Launchy (Nowak)

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Der Begriff galt trotz der gesellschaftlichen Aufbruchstimmung unter dem damaligen roten Bundeskanzler Bruno Kreisky als Schimpfwort: Noch während der 1980er Jahre wurde im konservativ geprägten West­österreich eine berufstätige oder alleinerziehende Frau schnell mal als „Emanze“ bezeichnet.

Karoline Edtstadler ist eine Tochter dieser Zeit, ihr Vater war Salzburger Landtagsdirektor – natürlich ein „Schwarzer“. Ausbildung und Karriere verliefen mustergültig: musisches Gymnasium, Rechtsstudium in Wien, Gerichtspraktikum am Bezirksgericht Mondsee. Sie wird Richteramtsanwärterin, zwei Jahre später Richterin am Landesgericht Salzburg, ihre strengen Urteile machen sie nicht nur in der lokalen Presse bekannt. 

Sie hätte die „Aufpasserin“ spielen sollen

„Richterin Beinhart“ wird 2011 ins Wiener Justizressort berufen. Unter Führung des wichtigsten Beamten Christian Pilnacek, der viel später von einem einst untadeligen Kurs abkommen sollte und in einer persönlichen Tragödie enden würde, arbeitet sie an Strafrechts- und Jugendstrafrechtsreformen. Sie wird Oberstaatsanwältin in jener Behörde, deren Ermittlungen Sebastian Kurz 2021 den Kopf kosten werden: der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Zu diesem Zeitpunkt ist Edtstadler längst Ministerin – unter Kanzler Sebastian Kurz. 

Zuvor hatte sie in Brüssel am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gearbeitet, danach in der ersten Regierung Kurz (mit der FPÖ) als Staatssekretärin im Innenministerium. Minister ist da ein gewisser Herbert Kickl, der schon einmal eine Hausdurchsuchung beim eigenen Nachrichtendienst durchführen lässt und heute als FPÖ-Vorsitzender in allen Umfragen auf Platz eins steht. Sie hätte die „Aufpasserin“ spielen sollen, hatte man ihr in der eigenen Partei, der ÖVP, gesagt. Eine Mission Impossible. Sie schafft es vielmehr, auf weiter Distanz zu Kickl zu bleiben, vertieft sich in Verfassungsfragen.
 

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Zu Sebastian Kurz kann sie nicht so leicht auf Distanz bleiben, an seiner Seite soll sie für den Law-and-Order-Kurz stehen. Medien geben ihr prompt den Bei­namen „Eisprinzessin“; sie lacht heute noch darüber. Kurz – mittlerweile schon in einer Koalition mit den Grünen – verstrickt sich in einen medialen Zweikampf mit der alten Behörde Edtstadlers; er spricht von Politjustiz, die Korruptionsjäger ermitteln. Der einstige Politikstar und seine halbe Mannschaft finden sich schließlich wegen falscher Zeugenaussage vor einem Untersuchungsausschuss wieder.

Anfangs muss die versierte Juristin an der Seite von Kurz gegen die Staatsanwälte medial ausrücken – man sieht ihr an, wie unangenehm ihr das ist. Als Erste im Team Kurz geht sie äußerst dezent auf Abstand, emanzipiert sich von ihrem jugendlichen Chef, der später wegen der Vorwürfe zurücktritt.

Unter dessen Nachfolger Karl Nehammer lässt sich Edtstadler nicht mehr vor den Parteikarren spannen, vielmehr gibt sie dem Bundeskanzler einen Korb und verweigert die ihr angetragene Spitzenkandidatur bei der kommenden Europawahl. Sie zeigt plötzlich viel klarer ihr proeuropäisches und humanistisches Profil, lädt zu Kulturabenden zu sich ins Ministerium, pflegt ein EU-Frauenregierungsnetzwerk. Die Eisprinzessin ist aus den Medien verschwunden, die Wochenenden verbringt sie in ihrer Heimat bei ihrem längst erwachsenen Sohn.

Eine ideale EU-Kommissarin

Manche sagen, Edtstadler wäre mit ihrer Ausbildung, ihrem politischen Werdegang, ihrer Zeit in Straßburg und Brüssel (EU-Abgeordnete war sie zwischenzeitlich auch) und ihren Sprachkenntnissen eine ideale EU-Kommissarin. Aber ob sie der enttäuschte Kanzler und die grünen Koalitionspartner dabei unterstützen, ist fraglich. Letztere hat sie zuletzt massiv vor den Kopf gestoßen: Die mächtige Grünen-Klimaministerin Leonore Gewessler hatte einen von der EU verlangten Nationalen Klimaplan in Brüssel eingereicht; Edtstadler zog ihn knallhart zurück, er sei mit der ÖVP und ihr nicht ausreichend abgestimmt gewesen. Sie wirft den Grünen sogar vor, sich ohne Zustimmung der ÖVP über Gesetze hinwegzusetzen und ohne demokratische Grundlage zu agieren. Das sei ein „gefährlicher Präzedenzfall“, die Populisten an den Rändern würden sich schon die Hände reiben, formuliert die Europaministerin kampflustig.

Ist das bereits Wahlkampf? Wärmt sich da jemand als neue ÖVP-Kanzlerkandidatin für die Wahl im kommenden Herbst auf? Keine Chance, sagen die Beobachter in Wien, Karl Nehammer sitze trotz schlechter Werte fest im Sattel; die Salzburgerin mit Auslandserfahrung habe keine Hausmacht und daher keine Chance. Stimmt vermutlich. Andererseits: Im Büro der noch immer wichtigsten Königsmacherin der ÖVP, Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, hängt ein großes Foto mit ihrer offensichtlich liebsten Mitstreiterin: Karoline Edtstadler.
 

 

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