Präsidentschaftskandidatur verkündet - Donald Trump will’s noch mal wissen

Donald Trump hat gestern in seinem Anwesen Mar-a-Lago seine erneute Kandidatur für das US-Präsidentenamt angekündigt. In der Republikanischen Partei gibt es trotz zahlreicher Vorbehalte gegen Trump kaum ernstzunehmende Gegenkandidaten. Doch ein innerparteilicher Konkurrent könnte ihm gefährlich werden.

Ungewohnt präsidial: Donald Trump / dpa
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Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

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Donald Trump hat schon 1987 seine Karten offen auf den Tisch gelegt. Damals schrieb er in seinem Buch „The Art of the Deal“, dass die Presse stets „nach einer guten Story hungert“. „Der Punkt ist, wenn du auch nur ein wenig anders bist, oder ein bisschen unverschämt, oder Dinge tust, die kühn und kontrovers sind, wird die Presse über dich schreiben.“ Es war eine Medienstrategie, die den Reality-TV-Star bis ins Weiße Haus beförderte. Denn die meiste Werbung für seine sensationsträchtige Präsidentschaftskampagne in den Jahren 2015 und 2016 bekam er kostenlos von den großen amerikanischen Medien geschenkt. Bei Trump ließ sich nicht wegschauen. Er war Quotengold.

Auch gestern machte er sich diese alte Strategie zunutze. Schon letzte Woche hatte er angekündigt, er werde am 15. November in seinem Anwesen Mar-a-Lago eine wichtige Erklärung abgeben. Kein Wunder, dass die meisten amerikanischen Nachrichtensender die Rede live übertrugen. Immerhin wusste jeder, dass er nämlich seine nächste Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahlen 2024 verkünden würde. Und das tat er gestern auch. Ja, Trump tritt wieder an.

Doch erst wollte er vor einem Millionenpublikum seine Rede mit einer Auflistung der Errungenschaften seiner Legislaturperiode beginnen, bevor er zum Unvermeidlichen überging. Denn wenn die Kameras schon laufen, kann man doch erstmal die Bürger an die vor ein paar Jahren brummende Wirtschaft erinnern oder dass es gegen Ende seiner Amtszeit nur noch wenige illegale Übertritte an der mexikanisch-amerikanischen Grenze gab. Seither seien diese auf Rekordhöhe angestiegen, und die Inflation sei außer Kontrolle. „Heute sind wir eine Nation im Niedergang“, so Trumps Bilanz der ersten zwei Jahre unter Präsident Biden. „Vor zwei Jahren waren wir eine große Nation, und auch bald werden wir wieder eine große Nation sein.“ Falls er ins Weiße Haus zurückkehrt, versteht sich.

Trump griff Biden für die Eskalation im Ukraine-Krieg an

Einige Medien berichteten im Vorfeld, ihnen sei gesteckt worden, dass Trumps Rede auf 20 bis 25 Minuten angesetzt sei, doch zog sie sich letzten Endes mehr als eine Stunde hin. Und in dieser Stunde versuchte Trump, sich im Tonfall unaufdringlicher zu zeigen, „präsidialer“ vielleicht. Aber aus irgendeinem Grund verfiel er von Anfang an in einen monotonen Singsang, der die Rede relativ langweilig wirken ließ. In seinem Element ist Trump eigentlich nur bei seinen großen Open-Air-Wahlkampfauftritten vor tausenden von Fans, bei denen er das Publikum besonders durch seinen „unpräsidialen“ Sinn für Humor auf seine Seite zu ziehen wusste.

Gestern war in Mar-a-Lago von diesem Trump wenig zu sehen, und auch die populistischen Noten, die ihn 2016 gegen seine Establishment-Gegnerin Hillary Clinton triumphieren ließen, klangen dieses Mal wenig überzeugend wiedergekäut. Nur als er Biden für die Eskalation im Ukraine-Krieg angriff und warnte, die Welt stehe vor dem Abgrund einer nuklearen Eskalation, gewann seine Rede an Dringlichkeit. Auch seine Forderung nach der Todesstrafe für Drogenhändler im von der Opiat-Krise gebeutelten Amerika wird sicher gut ankommen. Aber alsbald verfiel er wieder in den Singsang. Darum übertrugen nur wenige Nachrichtensender seine Rede komplett. Selbst sein Hof-Sender Fox News schaltete nach halber Rede zurück ins Studio. Vielleicht weil sich das Trump-Phänomen doch nicht mehr „unverschämt“, „kühn und kontrovers“ anfühlt?

 

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Unter den republikanischen Spitzenpolitikern hielt sich die Begeisterung gewiss in Grenzen. Schon im Vorfeld ließ Trumps ehemalige Wahlkampfberaterin Winsome Sears, die seit letztem Jahr Vize-Gouverneurin von Virginia ist, verlautbaren, sie könne Trump nicht mehr unterstützen, sollte er es nochmals darauf ankommen lassen. Das war in den letzten Tagen ein gängiger Refrain unter Trumps Parteikollegen, auch wenn ihm andere Republikaner, wie die Kongressabgeordneten Elise Stefanik und Marjorie Taylor Greene, bereits ihre Unterstützung ausgesprochen haben.

Im historischen Vergleich hat Trump seine Präsidentschaftskandidatur unglaublich früh verkündet. Die meisten Kandidaten tun dies für gewöhnlich erst im Sommer oder Herbst vor den ersten Vorwahlen in Iowa und New Hampshire, die Anfang 2024 anstehen. Doch genau das könnte Trumps Absicht sein – etwaigen Mitbewerbern zuvorkommen und diese gar nicht erst auf die Idee kommen zu lassen, sich ihm in den Weg zu stellen.

Anderen republikanischen Kandidaten fehlt es an Trumps Charisma

Nichtsdestoweniger wird er definitiv Konkurrenz erleben. Mike Pompeo, der unter Trump zunächst CIA-Direktor und dann Außenminister war, wird weithin als möglicher Kandidat gehandelt. Er stellte auch kürzlich in einem Interview klar, dass er seine Entscheidung über eine mögliche Kandidatur von niemandem abhängig machen würde. Eine wenig versteckte Botschaft an Trump.

Aber Pompeo hat mit anderen republikanischen Politikern, die als mögliche Kandidaten gehandelt werden, wie Nikki Haley, Mike Pence, oder Glenn Youngkin, etwas Unvorteilhaftes gemein – ihnen allen fehlt es an Trumps Charisma, Bombast und der ungezügelten Loyalität, die er in seinen Unterstützern entfacht. Und diese machen immerhin noch den Löwenanteil der republikanischen Basis aus.

Darum gibt es nur einen einzigen Parteikollegen, der Trump mit seinen eigenen rhetorischen Mitteln schlagen könnte – Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Noch ließ dieser nirgends durchschimmern, dass er nach der Präsidentschaft trachtet, auch wenn es viele Beobachter nicht zu Unrecht vermuten. DeSantis war ein Zögling Trumps, nachdem dieser dem jetzigen Gouverneur durch sein begehrtes endorsement ins Amt hievte. Doch der Zögling ist seither flügge geworden, und seine spektakuläre Wiederwahl letzte Woche kann sich DeSantis selbst zuschreiben.

Bis dahin lag DeSantis bei Umfragen unter republikanischen Wählern zu deren Präferenzen für den nächsten Präsidentschaftskandidaten der Partei weit abgeschlagen hinter Donald Trump. Aber das scheint sich seit letzter Woche verkehrt zu haben, und in den Bundesstaaten, in denen die ersten republikanischen Vorwahlen stattfinden werden, führt derzeit sogar DeSantis laut Umfragen das Feld mit sattem Vorsprung vor Trump an.

Wird Trump die republikanische Wählerschaft spalten?

Trump weiß das und griff darum schon vor den Zwischenwahlen DeSantis persönlich an und gab ihm den Spitznamen „Ron DeSanctimonious“, also „Ron Scheinheilig“. Seither schickte Trump noch eine weitere Breitseite gegen seinen Konkurrenten hinterher, und auch Virginias Gouverneur Glenn Youngkin bekam’s ab. „Young Kin“ klinge doch irgendwie chinesisch, witzelte Trump neulich auf seiner eigenen Social-Media Plattform „Truth Social”. Erst gestern Vormittag antwortete DeSantis zum ersten Mal auf Nachfrage eines Journalisten auf die Angriffe Trumps. Die vielen Attacken gegen ihn, besonders vonseiten der Medien, würden nur noch als „Störgeräusche“ verhallen, so DeSantis, der Trump nicht beim Namen nannte.

Plötzlich öffnen sich ganz neue Welten – ist Trump, seiner erzloyalen Fanbasis zum Trotz, doch schlagbar? Und sollte er bei den nächsten Vorwahlen tatsächlich verlieren, würde er dann dennoch als unabhängiger Bewerber für die Präsidentschaft kandidieren, eventuell die republikanische Wählerschaft spalten und dadurch den Demokraten zur Wiederwahl verhelfen, vielleicht sogar erneut mit deren freundlicher finanzieller Unterstützung?

Aber bis dahin wird noch mehr als ein Jahr vergehen, und im modernen Zeitalter kann kein Thema die mediale Aufmerksamkeit sonderlich lange auf sich konzentrieren. Auch ein PR-Genie wie der Autor von „The Art of the Deal“ nicht. Denn der Neuheitswert Trumps ist schon längst verflogen. Also wird die amerikanische Öffentlichkeit ihr Leben weiterleben, mit dem nagenden Wissen im Hinterkopf, dass da irgendwas war – ach ja, eine anstehende Präsidentschaftskandidatur Donald Trumps. Mal sehen, ob dieser im Angesicht von ökonomischen Krisen, Kriegen, Massenschießereien und anderen im Leben der amerikanischen Bürger weitaus folgenreicheren Ereignissen weiterhin die mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann. Denn davon lebt das Phänomen Donald Trump.

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