Islam-Kritikerin Zana Ramadani - „Die feministische Außenpolitik ist ein schlechter Witz“

Der größte Kampf der Frauenrechte spielt sich zurzeit im Iran ab. Doch anstatt auf der Seite dieser heldenhaften Frauen zu stehen, erlebt Zana Ramadani unter deutschen Feministen ein peinliches Schweigen. Mit Cicero spricht sie über die Doppelstandards des westlichen Feminismus, das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung und ihr gefährliches Leben als Islam-Kritikerin in Deutschland.

Zana Ramadani findet das feministische Schweigen über den Kampf der iranischen Frauen schrecklich. / Jörg Schulz
Anzeige

Autoreninfo

Clemens Traub ist Buchautor und Cicero-Volontär. Zuletzt erschien sein Buch „Future for Fridays?“ im Quadriga-Verlag.

So erreichen Sie Clemens Traub:

Anzeige

Zana Ramadani ist eine Islam-Kritikerin, Buchautorin und Mitgründerin der Femen-Bewegung in Deutschland. Ramadani schrieb das Buch „Die verschleierte Gefahr“ (Europa Verlag), das zum Bestseller wurde. Zuletzt war sie als Beraterin des österreischen Kanzleramtes tätig.

Frau Ramadani, Sie sind überzeugte Frauenrechtlerin und waren Mitgründerin der Femen-Bewegung in Deutschland. Auffällig ist das Schweigen vieler Feministen in den sozialen Medien über den derzeitigen Kampf der iranischen Frauen für Freiheit. Immerhin sind nach Schätzungen bereits 79 Menschen ermordet worden. Verwundert Sie das?

Nein, das verwundert mich ganz und gar nicht. In Deutschland gibt es seit einigen Jahren einen selbstgerechten Wohlfühl-Feminismus. Auf Twitter erleben wir wegen jedem harmlosen, angeblich sexistischen Spruch einen riesigen Aufschrei. Das Empörungspotenzial ist groß, wenn uns der alte, weiße Mann belästigt oder wir uns in Karrierefragen betrogen fühlen. In Bezug auf den Islam legt der westliche Feminismus dann allerdings einen sehr gefährlichen Doppelstandard an den Tag. Denn wenn es in Deutschland um die Zwangsehe oder den Ehrenmord in den muslimischen Communities geht, folgt ein betretenes Schweigen. Dabei gibt es in Deutschland leider sehr viele muslimische Frauen, die genau das erleiden müssen.

Aber was hat das mit dem Freiheitskampf der iranischen Frauen zu tun?

Im Iran werden zurzeit Kopftücher als Symbol der Unterdrückung auf offener Straße verbrannt. Die Demonstrationen der heldenhaften iranischen Frauen passen damit nicht in das woke Weltbild vieler Feministen. Außerdem müssten sie sich selbstkritisch eingestehen, dass der Islam wohl anscheinend doch nicht ausschließlich eine Religion des Friedens ist. Das würde einer politischen Selbstkapitulation gleichen. Deshalb bleibt die große Anteilnahme zurzeit leider aus, was ich sehr traurig finde.

Machen sich Feministen mitschuldig an der Unterdrückung der iranischen Frauen, wenn sie in diesen Tagen schweigen?

Ja, genau so sehe ich das. Es hört sich zwar hart an, aber jeder woke Feminist, der den mutigen Aufstand der iranischen Frauen verschweigt, macht sich mitschuldig an den Ermordungen im Iran. Das Schweigen westlicher Feministen spielt dem iranischen Regime doch jeden Tag mehr in die Karten. Iranische Frauen sehnen sich nach Freiheit, sie möchten endlich gleichberechtigt sein. Im Iran findet zurzeit der wichtigste Kampf des Feminismus statt. Denn es ist nicht nur ihr eigener Kampf gegen eine verlogene Diktatur, sie kämpfen symbolisch auch für alle unterdrückten Muslimas auf der Welt.

Haben Sie die Unterdrückung muslimischer Frauen in Ihrem Leben auch persönlich erlebt?

Meine Eltern sind Anfang der 90er Jahre aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland geflohen. Der Islam spielte in der konservativen Familie meiner Mutter eine zentrale Rolle. Seit meiner frühesten Kindheit wurde mir beigebracht, dass Frauen minderwertig sind und unterwürfig zu sein haben. Als Kind durfte ich nicht mit Jungs auf der Straße spielen, nicht auf einen Baum klettern. Darunter habe ich täglich sehr gelitten. Bereits als junger Mensch hatte ich davon genug und habe Zuflucht in einem Frauenhaus gesucht. Ohne die Unterstützung meiner deutschen Freunde hätte ich niemals die starke und emanzipierte Frau werden können, die ich heute bin.

Woran liegt es, dass linksliberale Feministen Berührungsängste haben, wenn es um Kritik am Islam geht?

Das liegt vor allem an der stark ausgeprägten Theorie des Postkolonialismus in der links-aktivistischen Szene. Sie sind der Überzeugung, dass alles Böse dieser Welt aus dem Westen stammt. Demnach gibt es ein klares Täter-Opfer-Schema. Auf diese Art wird der Islam seit Jahrzehnten systematisch verharmlost. Nicht der Islam kann zur Gefahr werden, sondern der Westen, der Muslime angeblich schon immer unterdrückt hat. Jede Kritik am Islam wird damit automatisch zu einem Akt des Rassismus. Kritiker des Islams wie beispielsweise Hamed Abdel-Samad oder Ahmad Mansour werden mit diesen Argumenten übrigens mundtot gemacht. Ich erlebe das oftmals als eine Umkehrung des Rassismus.

Wie meinen Sie das?

In links-alternativen Milieus gibt es einen positiven Rassismus, der mich zutiefst abstößt. Muslime werden in Deutschland oftmals als etwas Exotisches betrachtet und damit in der Tradition des edlen Wilden romantisiert. Die Dynamiken der Unterdrückung in muslimischen Verhältnissen interessieren sie nicht. Solange nicht ihre eigenen Kinder betroffen sind, ist es linken Großstädtern egal. Sie möchten sich als stolze Kosmopoliten das schöne Bild des Islams nicht kaputt machen. Denn wenn sie einmal in der Woche einen Falafel in ihrem Szene-Kiez essen, fühlen sie sich doch so weltläufig und tolerant. Was ein Zynismus!

Frauen verbrennen im Iran gerade Kopftücher auf offener Straße. In Deutschland wird das Tragen des Kopftuches jedoch gelegentlich als ein Ausdruck der Freiheit dargestellt. Ist die Verschleierung der Frau mit dem Feminismus vereinbar?

Es gibt im liberalen Westen sicherlich auch vereinzelt Frauen, die das Kopftuch freiwillig tragen. Das Kopftuch ist im weltweiten Kontext und derzeit vor allem im Iran aber ganz klar ein Symbol der Unterdrückung. Politische und religiöse Fanatiker möchten Frauen mit einer Zwangsverschleierung kleinhalten. In muslimischen Gesellschaften wird der weibliche Körper als etwas Sündhaftes dargestellt. Bereits kleine Mädchen wachsen deshalb mit einem ständigen Gefühl des Schams auf. Frauen werden in muslimischen Kreisen permanent sexualisiert, weshalb eine Vollverschleierung vor der Sünde bewahren soll. Was ist das für ein überkommenes und patriarchalisches Weltbild?

 

Weitere Beiträge zum Thema:

 

Annalena Baerbock hatte eine feministische Außenpolitik versprochen. Wie bewerten Sie ihre Außenpolitik im Kampf für weltweite Frauenrechte?

Ehrlich gesagt, erkenne ich keine feministische Außenpolitik. Und wenn es sie geben sollte, ist sie ein schlechter Witz. Die Ankündigung der deutschen Außenministerin war doch nichts als reine Symbolpolitik. Oder wird auch nur eine einzige unterdrückte Frau auf dieser Welt durch hübsche Tweets oder kuschelig progressive Frauen-Workshops in Berlin-Mitte befreit?

Allerdings hat Baerbock Schlüsselpositionen des Außenministeriums mit Frauenrechtlerinnen besetzt. Was sagen Sie dazu?

Annalena Baerbock hat ihr Außenministerium ausschließlich mit woken Feministen besetzt, die das Weltbild der grünen Friede-Freude-Eierkuchen-Ideologie uneingeschränkt teilen. Feministen, die den Islam auch als Religion der Frauenunterdrückung sehen, wird man dort vergeblich suchen. Die feministische Außenpolitik der Grünen ist daher mehr Schein als Sein.

Wie sähe in Ihren Augen eine konsequente feministische Außenpolitik aus?

Eine gute feministische Außenpolitik muss komplett befreit sein von eigenen ideologischen Zwängen. Im Vordergrund müssen die unterdrückten Frauen stehen und nicht unsere ideologischen Wohlfühlzonen. Die Befindlichkeiten einer Politikerin oder einer Partei sollten deshalb keine Rolle spielen. Da der Islam in vielen Ländern des mittleren Ostens ein politisches Instrument der Frauenunterdrückung ist, sollte das auch keine Sekunde tabuisiert werden dürfen. Die beste Unterstützung beginnt nämlich immer mit dem schonungslosen Erkennen des Problems.

Welche Möglichkeiten hat die deutsche Bundesregierung derzeit, um die Widerstandsbewegung im Iran zu unterstützen?

Den mutigen und starken iranischen Frauen muss auf dem internationalen Parkett eine lautstarke Stimme gegeben werden. Mit der Einberufung des iranischen Botschafters ist bereits ein erster wichtiger Schritt getan. Der Bundesregierung müssen aber jetzt endlich die Augen geöffnet werden. In den letzten Jahren gab es leider einen regelrechten Kuschelkurs mit der iranischen Diktatur, die Homosexuelle foltert, Frauen ermordet und weltweit Terroristen unterstützt. Das Atomabkommen sollte der Geschichte angehören. Glauben deutsche Politiker denn wirklich, dass sie aus fundamentalistischen Verbrechern pazifistische Menschenrechtler machen können? Der Iran nutzt unser naives Entgegenkommen doch nur zur Förderung seines imperialistischen Hardcore-Islams und der Unterdrückung seiner Bevölkerung aus.

Sie sind für Ihre Kritik am Islam beschimpft worden. Von welchen politischen Seiten erleben Sie die meiste Verachtung?

Viele konservative Muslime und Islamisten haben mich nach meiner Buchveröffentlichung auf das Schlimmste beleidigt und bedroht. Ich wurde als westliche Schlampe betitelt und bekam abgetrennte Köpfe als Mail gesendet. Manche Bezirke Berlins und Großstädte des Ruhrgebiets meide ich deshalb aus Furcht vor Übergriffen. Auf bestimmten Veranstaltungen trete ich nicht ohne Polizeischutz auf.

Also vor allem aus der muslimischen Community?

Zu dem Hass konservativer Moslems gesellen sich Anfeindungen aus der woken, linksliberalen Szene. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnen müssen von Biodeutschen als Rassistin beschimpft zu werden. Über das schizophrene und selbstgerechte Weltbild dieser vermeintlichen Weltverbesserer könnte ich mich stundenlang aufregen. Es ist eine Zumutung mit welcher unwissenden Arroganz sie ausgerechnet mir, einer Frau mit dieser Lebensgeschichte, den vermeintlich wahren und friedlichen Islam erklären möchten.

Woher nehmen Sie trotz der Anfeindungen die Kraft und den Mut, den radikalen Islam weiter zu kritisieren?

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, in einer patriarchalischen Familie aufzuwachsen. In meiner ganzen Kindheit wurde mir ein Schamgefühl eingetrichtert, da ich ein Mädchen war. Ich möchte mit meinen Veranstaltungen und Interviews junge Musliminnen aus dieser Hölle der Zwänge und Minderwertigkeitsgefühle herausholen, ihnen zurufen, dass sie starke und emanzipierte Frauen werden können. Das ist mein innerer Antrieb, mein großes Ziel. Wenn ich das auch bei nur einem Mädchen schaffe, hat sich all mein Engagement der letzten Jahre gelohnt.

Das Gespräch führte Clemens Traub.

Anzeige