Krieg im Nahen Osten - Teheran und die Brandstifter

Der Iran hat in der vergangenen Nacht 300 Raketen und Drohnen auf Israel abgefeuert. Ermutigt wurde der Iran durch den starken internationalen Druck, der seit Wochen auf Israel ausgeübt wird.

Anti-Israel-Kundgebung vor der britischen Botschaft in Teheran am Morgen des 14. April / dpa
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Ingo Way ist Chef vom Dienst bei Cicero Online.

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Diesmal ist es gerade noch einmal glimpflich ausgegangen. Obwohl der Iran in der vergangenen Nacht 300 ballistische Raketen und Drohnen auf Israel abgefeuert hat, gab es kein einziges Todesopfer. Einzig ein siebenjähriges Mädchen wurde in einem Beduinen-Dorf im Süden Israels durch Granatsplitter verletzt und befindet sich derzeit noch im Krankenhaus, wo die Ärzte um sein Überleben kämpfen. Dass die iranische Attacke keine schlimmeren Folgen hatte, ist der israelischen Raketenabwehr zu verdanken – aber auch der tätigen Hilfe der USA und Großbritanniens; gemeinsam gelang es den drei Ländern, 99 Prozent der Geschosse bereits in der Luft abzufangen. Laut Israels Militärsprecher Hagari war auch Frankreich daran beteiligt.

Während US-Präsident Joe Biden seinen Wochenendurlaub abbrach, um sich sofort zu einem Krisenstab mit dem Nationalen Sicherheitsrat zu treffen; während führende Politiker Frankreichs und Großbritanniens bereits am Samstagabend im Fernsehen deutlich den iranischen Angriff verurteilten und militärische Hilfe auf den Weg brachten, beschloss die Bundesregierung heute morgen, sie könnte sich ja im Laufe des Tages auch einmal zum Krisenstab im Auswärtigen Amt treffen. 

Und während die USA, Großbritannien und Frankreich Israel die unverbrüchliche Solidarität zusagten und versprachen, Israels Sicherheit zu gewährleisten – und dieses Versprechen auch gleich durch unmittelbares Handeln bekräftigten –, gab es in der Nacht und am Sonntagmorgen zwar auch Wortmeldungen von Mitgliedern der Bundesregierung – meistens via Twitter/X –, die den iranischen Angriff verurteilten, deren Tenor aber weniger Israels Sicherheit in den Mittelpunkt stellte, als vielmehr die Sorge vor einer Eskalation oder einem Flächenbrand zum Ausdruck brachte.  

Eine eindeutige Unterstützung würde anders klingen

So Twitterte Außenministerin Annalena Baerbock um 0:38 Uhr: „Iran hat Drohnen & Raketen auf Israel abgeschossen. Wir verurteilen den laufenden Angriff, der eine ganze Region ins Chaos stürzen kann, aufs Allerschärfste. Iran & seine Proxies müssen diesen sofort einstellen. Israel gilt in diesen Stunden unsere ganze Solidarität.“ Zu diesen Proxies gehört freilich die Hamas im Gazastreifen, bei deren Bekämpfung Israel bekanntlich bisher nicht auf Baerbocks ganze Solidarität zählen konnte.  

Ähnlich Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich nicht selbst äußerte, sondern durch seinen Regierungssprecher Steffen Hebestreit verlauten ließ: „Mit dieser unverantwortlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Attacke riskiert Iran einen regionalen Flächenbrand.“ Auch Klimaminister Robert Habeck warnte vor einer Ausweitung des Konflikts – mit anderen Worten: vor einer israelischen Reaktion. „Wir verurteilen diesen Angriff auf Israel klar und deutlich“, erklärte der Grünen-Politiker am Sonntag im Instagram-Kanal seines Wirtschaftsministeriums. „Unsere Solidarität gilt Israel. Es darf nicht zu einem Flächenbrand in der Region kommen.“

 

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Und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb, ebenfalls am Sonntagmorgen, auf X: „Ich verurteile den unverhohlenen und ungerechtfertigten Angriff auf Israel auf Schärfste. Und ich fordere den Iran und seine Stellvertreter auf, diese Angriffe unverzüglich einzustellen. Alle Akteure müssen nun von einer weiteren Eskalation absehen und sich für die Wiederherstellung der Stabilität in der Region einsetzen.“ Eine eindeutige Unterstützung Israels würde anders klingen – etwa so wie die Äußerungen von Joe Biden und Rishi Sunak in offiziellen Pressemeldungen bereits am Samstagabend.  

Man kann nur hoffen, dass Teheran sich verkalkuliert hat

Möglich gemacht wurde die iranische Attacke allerdings auch unter anderem durch den Verzicht der USA auf ein Veto gegen die Resolution des UN-Sicherheitsrats, die einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen fordert. Damit wollten die US-Demokraten offenbar ein Signal an ihre muslimischen Wähler senden, auf deren Stimmen sie im zu erwartenden Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Republikanern im kommenden Präsidentschaftswahlkampf zunehmend angewiesen sind

Damit haben die USA allerdings auch dem Iran signalisiert, dass Israel sich auf die Hilfe seiner Verbündeten nicht unbedingt würde verlassen können. Der seit Wochen anhaltende internationale Druck auf Israel, seinen Kampf gegen den iranischen Stellvertreter Hamas doch gefälligst einzustellen, der nicht nur in den Forderungen des UN-Sicherheitsrats, der EU, der USA, Deutschlands und anderer westlicher Regierungen nach einem Waffenstillstand im Gazastreifen zum Ausdruck kam, sondern auch in Kampagnen wie der Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof sowie den nicht enden wollenden frivolen Genozid-Vorwürfen der muslimischen Straße, des linkswoken akademischen Lumpenproletariats und der postkolonialen Professor*Innenriege, die alle vom tatsächlich genozidalen Terror der Hamas und ihrer iranischen Sponsoren nicht reden wollten – das alles hat den Iran in seiner Ansicht bestärkt, dass Israel bereits sturmreif geschossen ist und ein direkter Angriff auf den jüdischen Staat auf wenig Gegenwehr stoßen würde. 

Man kann nur hoffen, dass Teheran sich da verkalkuliert hat. Es dürfte jetzt jedenfalls auch dem Letzten klargeworden sein, dass die jahrelangen Drohungen des Iran in Richtung Israel ernst gemeint waren und dass der Iran, wenn er ankündigt, Israel auslöschen zu wollen, dies auch genau so meint. Zumal er bereits jetzt klarstellt, dass die Raketensalve von vergangener Nacht nur ein Vorgeschmack war. Ein solcher Staat darf natürlich auf keinen Fall in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Wer wirklich einen Flächenbrand im Nahen Osten verhindern will, muss dem Iran signalisieren, dass sein Regime und dessen Stellvertreter, wozu die Hamas im Gazastreifen, die Hisbollah im Libanon und die Huthi im Jemen zählen, mit keinerlei Sympathie im Westen rechnen können. Und dass der Beistand für Israel tatsächlich unverbrüchlich ist.  

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