Corona international, Teil 1 - Israel: Covid ist kein Thema mehr

Deutschland plant für den Herbst wieder umfassende Corona-Maßnahmen und erweist sich damit pandemiepolitisch als internationaler Geisterfahrer. Cicero hat sich im Rest der Welt umgesehen und zeigt in einer kleinen Serie, wie andere Länder inzwischen mit Covid-19 umgehen. In Israel etwa ist Corona kein Thema mehr. Auch die jüngste Omikron-Welle hat nicht zu neuen Einschränkungen geführt. Und eine neue Impfkampagne steht nicht zur Debatte.

In Israel sieht man kaum noch Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit; hier am Jaffa-Tor der Jerusalemer Altstadt / dpa
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Autoreninfo

Mareike Enghusen berichtet als freie Journalistin über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Nahen Osten, vornehmlich aus Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Sie hat Politik- und Nahostwissenschaften studiert und ihre journalistische Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule absolviert.

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Wie ist die Corona-Lage in Israel? Von Einheimischen erntet man auf diese Frage wahlweise ratlose oder überraschte Blicke. Corona? Ist das noch ein Thema? Klare Antwort: Ist es nicht. Nicht in Israel zumindest.

Das liegt nicht nur daran, dass hierzulande andere Themen die Öffentlichkeit beschäftigen: die jüngste militärische Eskalation mit dem Islamischen Dschihad in Gaza etwa oder der Wahlkampf für die Neuwahlen im November. Die Pandemie, die vor zwei Jahren auch hierzulande Politiker dazu bewog, das öffentliche Leben auf ein Minimum herunterzufahren, gilt schon seit Längerem als unter Kontrolle. Im April fielen die meisten der verbliebenen covidbedingten Einschränkungen, darunter die Maskenpflicht in Innenräumen, Bahnen und Bussen. Inzwischen müssen die Menschen in Israel nur noch an sehr wenigen Orten Mund und Nase bedecken, etwa in Krankenhäusern und Seniorenheimen. Doch auch da reicht eine einfache OP- oder gar Stoffmaske aus: Anders als Deutschland hat Israel sich selbst zu Hochzeiten der Pandemie nie auf die FFP2-Maske festgelegt. Und selbst dort, wo sie noch gilt, legen viele Menschen die Maskenpflicht eher locker aus: Nicht selten sitzt das Stückchen Stoff locker unter der Nase oder baumelt ziemlich wirkungslos unter dem Kinn, ohne dass die Träger mit strafenden Blicken oder Schelte rechnen müssen.

Unter Netanjahu gab es einige der härtesten Einreisebeschränkungen weltweit

Nicht immer war die Lage hierzulande so entspannt. Kurz nachdem das Covid-19-Virus Anfang 2020 die ersten Menschen in Israel infiziert hatte, beschloss die damalige Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weitreichende Ausgangs- und Kontaktsperren sowie einige der härtesten Einreisebeschränkungen weltweit. Im Laufe desselben Jahres verhängten die Entscheidungsträger mehrere monatelange Lockdowns mit zum Teil drastischen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit: So durften die Bürger sich zeitweise nur Hundert Meter von der eigenen Wohnung entfernen.

 

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Doch dann kamen Ende des Jahres die ersten Impfstoffe auf den Markt, und Israel startete eine Impfkampagne, die weltweit ihresgleichen suchte. Dank seiner entschlossenen Einkaufspolitik, seines digitalisierten und zentral organisierten Gesundheitssystems, jahrzehntelanger Erfahrung mit nationalen Notfällen und auch der Bereitschaft der Regierung, anonymisierte Gesundheitsdaten mit dem Pharmahersteller Pfizer zu teilen, konnte das Land einen Großteil seiner Bevölkerung in nur wenigen Monaten impfen – und anschließend die bisherigen Beschränkungen weitreichend lockern. Der Nachfolgeregierung unter dem Ministerpräsidenten Naftali Bennett (inzwischen abgelöst von Yair Lapid), die im Juni 2021 ihre Arbeit aufnahm, gelang es, trotz mehrerer Infektionswellen weitere Lockdowns zu vermeiden.

Die jüngste Omikron-Welle ist inzwischen wieder abgeflaut

Auch wenn es im Alltag den Anschein haben mag: Das Virus ist aus Israel natürlich nicht verschwunden. Erst kürzlich gab es mal wieder eine größere Ansteckungswelle, die im Juni mit über 10.000 Neuinfektionen pro Tag ihren Höhepunkt erreichte. In der Vergangenheit hätten solche Zahlen in dem Neun-Millionen-Einwohner-Land noch aufgeregte Schlagzeilen und vermutlich neue Einschränkungen nach sich gezogen. Diese jüngste Welle jedoch war vielen Medien kaum einen Bericht wert. Ein Großteil der Menschen im Land ist mehrfach geimpft, viele waren bereits infiziert, nicht wenige mehrmals; die Omikron-Variante des Virus, die in Israel ebenso wie anderswo dominiert, führt nur selten zu schweren Krankheitsverläufen. Inzwischen ist die Welle wieder abgeflacht, ohne dass die Regierung neue Einschränkungen beschlossen hätte. Auch die anfangs mit allen Mitteln vorangetriebene Impfkampagne ist inzwischen fast zum Erliegen gekommen. Zwar kann sich in Israel jeder ab 18 Jahren die vierte Dosis spritzen lassen, doch nur rund 840.000 Menschen haben das getan – die erste Dosis dagegen hatten sich noch 6,7 Millionen abgeholt, ein Großteil der Bevölkerung.

Zwar forderten vereinzelte Stimmen angesichts der jüngsten Infektionswelle, die Freigabe der fünften Dosis in Betracht zu ziehen. Doch das Gesundheitsministerium erteilte ihnen eine Absage: Eine neue Impfkampagne, verkündeten Ministeriumsvertreter, stehe derzeit nicht zur Debatte.

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