Baradar Yi
Taliban-Führer Baradar und Chinas Außenminister Wang Yi bei einem Treffen im Juli / dpa

Annäherung an die Taliban - Chinas ungewollte Partnerschaft

Peking geht auf Kuschelkurs mit den Taliban. Schon Ende Juli wurde eine Taliban-Delegation im chinesischen Tianjin empfangen. Wer jedoch glaubt, China wolle das Machtvakuum füllen, das der Westen in Afghanistan mit dem Abzug hinterlassen hat, liegt falsch.

Fabian Kretschmer

Autoreninfo

Fabian Kretschmer ist freier Journalist mit Fokus auf Ostasien. In der Vergangenheit hat er als Südkorea-Korrespondent in Seoul gearbeitet, mittlerweile schreibt er aus Peking.

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Viel wurde in den vergangenen Tagen darüber geschrieben, wie China das von den Amerikanern hinterlassene Machtvakuum in Afghanistan künftig füllen will – nicht zuletzt von den heimischen Propagandamedien selbst. Und die hämische US-Kritik des Pekinger Außenministeriums klingt bisweilen anmaßend: „Ob im Irak, in Syrien oder in Afghanistan: Wir haben gesehen, wo immer das amerikanische Militär auch hingeht, es hinterlässt Chaos, Tod und Zerstörung“, sagte Sprecherin Hua Chunying am Dienstag.

Reines Kalkül

Dabei steht den Parteikadern im Pekinger Regierungssitz Zhongnanhai insgeheim gar nicht der Sinn nach Schadenfreude. Vielmehr gibt es eine große Angst der Staatsführung vor Instabilität und Unvorhersehbarkeit. Die neuen Machtverhältnisse in Afghanistan sind für Peking daher vor allem ein großes Risiko. Doch nach außen hin hat man die neuen Machthaber in Kabul ungewöhnlich rasch und auch einladend willkommen geheißen. Am Montag bereits hieß es aus dem Außenministerium, dass man „die Entscheidung des afghanischen Volkes respektiert“. Mehr noch: Man wünsche sich freundliche Beziehungen zur neuen Regierung.

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Tomas Poth | Do., 19. August 2021 - 15:11

Die Taliban sagten ja immer sie hätten die zeit während die Amerikaner nur die Uhren hätten.
Auf die Entwicklung Chinas seit WKII geschaut muß man feststellen, daß diese offensichtlich auch die Zeit haben.
Es wird also interessant zu sehen was dort zukünftig abläuft.
Das hängt auch sehr stark von der Entwicklung der islamischen Welt ab. Möglicherweise bahnen sich dort auch Allianzen mit oder sogar gegen einen sich ausbreitenden Islamismus unter derzeitigen Gegnern an.
Sollte Europa durch den Islamismus fallen, ändern sich alle Machtbalancen.

Rob Schuberth | Do., 19. August 2021 - 20:13

Antwort auf von Tomas Poth

In der Tat, werter Herr Poth, scheint Chinas Zeit gekommen zu sein.

Wer in der Geschichte etwas weiter zurück geht wird sehen, dass sich das Land vor rd. 2.000 J. einmal selbst für die Isolation entschieden hat.

Jetzt stehen die Zeichen Chinas klar auf Expansion.
Die Rohstoffe Afghanistans sind da nur ein kleiner Teil.

Man schaue nur mal auf die vielen großen Projekte Chinas in fast ganz Afrika.

Im Umkehrschluss scheint - leider - die Zeit des Westens dem Ende zuzugehen.

Klaus Funke | Do., 19. August 2021 - 15:16

Spekulieren ist einer Kunst, beim Pokern ist sie unerlässlich. Wiewohl Herr Kretschmer nahe am Puls des Landes des Lächelns ist und man deshalb meinen sollte, er wüsste Bescheid, sind seine Voraussagen Kaffeesatzleserei. Die Chinesen sind viel zu klug, um sich in die Karten schauen zu lassen, vor allem nicht von deutschen Journalisten. Die sollten, meine ich, vor der Haustür des eigenen außenpolitischen Unvermögens kehren. Natürlich springt China in jede Lücke, die sich aus Amerikas Schwäche bietet. Und völlig absurd ist der Gedanke, die USA hätten noch so viel Kraft und Reserven, um China im fernen Osten direkt Paroli zu bieten. Absurd ist auch das Konstrukt, die Chinesen hätten irgendwelche Ängste vor den Taliban, womöglich im Zusammengang mit den Uiguren. Das ist Phantasterei a la BILD. Die Chinesen sind kluge, praktisch veranlagte Typen. Und das südchinesische Meer ist ihr Planschbecken. Da brauchen sie keine Ami-Badeenten. Richtig, der nächste Coup wird Taiwan... Wetten?

Die Chinesen sind keine Magier. Ohne gigantische Wachstumsraten und bei gestiegenem Wohlstand wird es schon schwieriger, das Volk zu beherrschen. Die Uiguren sind sicherlich ein Problem für China, und es gibt noch mehr Probleme. Auch der Ursprung Covids könnte noch schwierig werden. Ich denke der Autor hat kluge Ansätze gefunden.

Sag niemals nie. So wie ich heute das Bild von Merkel & Putin gesehen habe,
ich bin & bleibe bei Politikern allgemein mehr wie misstrauisch ?. Und noch viel mehr, wenn das Wort Demokratie, zum Wohle oder Frieden auftaucht. Da schrillen all meine Alarmglocken von der Zehe bis zum Haar.
Und um so größer einer ist & um so mehr einer hat um so GRÖßER wird seine ANGST,
dies zu verlieren. Warum verschärft sich momentan der Klassenkampf vor allem in D. so? Weil die Macht Angst hat! Angst - Macht, Geltungsbereiche & Einfluss zu verlieren oder abzugeben. Um so mehr ein Lebewesen Angst hat, um so aggressiver wird es reagieren, egal ob Virus, Tier oder Mensch! Und ob Sie klug, tüchtig oder ehrlich sind hängt immer vom Betrachter ab. Jedenfalls sehe ich (PERSÖNLICH!) kommunistische Gebilde lieber aus einen sehr, sehr großen Abstand, egal welches Strickmuster. Das Hauptproblem bei diesen ist das Verbot von Gedankengängen aus der Diktatur heraus. Deshalb ist für mich Linksextr. = Rechtsextr.!

Kurt Walther | Do., 19. August 2021 - 16:22

Wirkt irgendwie etwas beruhigend, was Fabian Kretschmer hier aus Peking heraus für "Cicero" schreibt. "Nichteinmischung" sei das in der Außenpolitik propagierte Prinzip der Chinesen. Und sie scheinen damit nicht schlecht zu fahren, da die Welt überwiegend aus diktatorisch oder zumindest autoritär regierten Ländern besteht. Der demokratisch regierte Westen mit seinem Anspruch universeller Menschenrechte hat es da schwer, sollte aber immer die kulturellen Hintergründe respektieren und nicht etwas aufpfropfen wollen, was keinerlei Basis hat.
Bei aller Verschiedenheit von (Rot-)China und Afghanistan - China: schon immer Zentralstaat mit dem Konfuzianismus als geistige Grundlage, Afghanistan: Stammesgesellschaft und Islam als Religion - sind beide Länder zu gegenseitigem Wohlwollen gezwungen. Beide Länder wollen etwas voneinander. Und das wird noch sehr interessant: In Kabul regieren seit wenigen Tagen Islamisten, in Peking Kommunisten (die Kapitalismus praktizieren). .

Gerhard Lenz | Do., 19. August 2021 - 16:43

Wohl eher letzteres. Der chinesische "Pragmatimus" ist nicht mehr, als eiskalt den eigenen Vorteil durchzusetzen.

Im kalten Krieg, der in einen neuen Wettstreit zwischen den USA und Russland gemündet hat, beziehen sie keine Position - dafür sind sie viel zu clever.
Deswegen werden sie in vielen Staaten mit wirtschaftlicher Not als Investoren gerne gesehen. So beispielsweise zunehmend auf Kuba, an dem Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion so gut wie kein Interesse mehr hat.

Es ist aber wohl völlig falsch, in China und Russland Partner zu sehen. Putin verfolgt primär machtpolitische Ziele, auch wenn sein Land vor die Hunde geht.

China expandiert dagegen wirtschaftlich, und sichert sich dadurch Einfluß.
Und da kennen die Chinesen keine Grenzen: Das sieht man daran, wie freundich sie den Taliban begegnen.
Wahrscheinlich wäre China auch mit Hitler ganz gut ausgekommen. Solange man selbst davon profitiert.
In Afrika gilt China längst als skrupellose Kolonialmacht.

"In Afrika gilt China längst als skrupellose Kolonialmacht." Meine Güte, war Ihre geliebte Regierung samt grüner Entourage nicht auch der Meinung, dass die Taliban nie mehr (oder wenigstens erst nach dem deutschen Wahlkampf) die Macht in Afghanistan übernehmen könnten?

Na ja, und dieselben grün-germanischen Außenpolitiker haben Sie überzeugt: "Es ist aber wohl völlig falsch, in China und Russland Partner zu sehen."

Für Sie und für Ihre vorgesetzten Außenpolitiker besteht halt die Welt aus Wille und Vorstellung: "Ich sehe was, was Du nicht siehst, und das ist GRÜN." Dass der Realitätsgehalt dieser Politik gegen Null konvergiert, das sieht man nicht nur in Afghanistan, sondern gerade auch in Europa und in der NATO.

Manfred Bühring | Do., 19. August 2021 - 17:05

So wie China eine strategisch weitsichtige Politik in Afrika betreibt (Finanzierung von Häfen, Bahnlinien, Aufkauf ganzer Landstriche), wird auch Afghanistan ein strategisch wichtiger Partner werden. Denn letztendlich geht es auch immer um Rohstoffe:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/afghanistan-rohstof…
Und Afghanistan ist ein Rohstoff-El Dorado. Wären die deutschen Politiker nicht so moralisch verblendet, hätten sie den Kontakt zu den Taliban gesucht, um sich über sinnvolle Kooperationen den Zugang zu den Rohstoffen partnerschaftlich zu sichern. Islam hin - Islam her, auch mit dem wahabitischen Steinzeitland Saudi Arabien werden Geschäfte gemacht. Aber unseren Politikern geht es eher ums Gendern und Identitätsprobleme, als um die Zukunftssicherung unseres Wohlstandes.

Karl-Heinz Weiß | Do., 19. August 2021 - 17:25

Der Beitrag beleuchtet interessante Aspekte des Themas "China und Islam". Für Islamisten sind weiterhin die USA der "Satan", während die gnadenlose Auslösung der Glaubensgemeinschaft in China von der islamischen Community weltweit ignoriert wird.

Bernd Muhlack | Do., 19. August 2021 - 17:47

na klar Loriot.

Also zwei Männer mit "Hand an der Hosennaht".
Gewehr bei Fuß?
"Bei Allah, ich habe meine Kalaschnikow (AK47) vergessen!"

Herrn Baradars Leibchen ist ja allerliebst, gell?
Die Hose ist zwar nur etwa 5/6 lang, jedoch nach oben hin luftig, relaxed geschnitten.
Trés chic, mon dieu!
Damit tritt man immer cool auf - im Gegensatz zu den eng und tough anliegenden Anzügen unseres Heiko Maas.
Taucheranzüge sind ebenso enganliegend; das ist jedoch sinnvoll.
Hat man Heiko Maas schon einmal mit Pressluftflasche gesehen?
Nein? Schade, denn ohne Sauerstoff leidet das Gehirn, n´est-ce pas?

Doch kommen wir nun zu dem kongenialen Herrn aus China. Dazu erteile ich dem ehemaligen MP von Ba-Wü und inzw. EU-Kommissar Oettinger das Wort:

https://www.youtube.com/watch?v=RsgbBYrGgSo

Ist das rassistisch, diskrie?
Frau Dr. Alice Weidel sprach im BT von "Kopftuchmädchen, Messermännern u anderen Taugenichtsen".
Man erkläre mir bitte die unterschiedliche Wertung der Begriffe!?

Schönen Abend!

Ernst-Günther Konrad | Do., 19. August 2021 - 17:52

Man sollte die Chinesen nicht unterschätzen. Sie beherrschen das Lächeln und scheinbar harmlose lamentieren genau so gut, wie das grausame Morden. Was wollen die in Afghanistan, nach dem Russland und dann die USA/Nato dort sich blutige Nasen geholt haben? Die Chinesen wollen, da stimme ich Ihnen zu, bloß keine Uiguren Enklave in Afghanistan und von dort aus dann Terrorangriffe. Aus der Sicht der Chinesen doch verständlich. Wenn Sie das mit wirtschaftlichen, möglicherweise für beide Seiten lukrative Interessen einhegen können ist das allemal besser, als wenn Waffen sprechen. Die Taliban hätten im Ernstfall gegen die Chinesen keine Chance. Nur wollen die Chinesen vielleicht durch Öl, wirtschaftliche Abhängigkeit schaffen und damit indirekt Einfluss auf die Taliban nehmen. Die wollen nicht die chinesische Mentalität den Afghanen einimpfen. Das würde genauso nicht funktionieren, wie umgekehrt es nicht ginge. Jedenfalls ist Reden und nicht einmischen besser als sich zu bekriegen.

Urban Will | Do., 19. August 2021 - 21:24

feststellt, die afghansichen Rohstoffvorkommen“ seien nur mit „erheblichem finanziellen Aufwand“ zu erkunden, dann stimmt das sicher.
Die Chinesen haben diesbezüglich bestimmt keinerlei Interesse. Wer braucht schon Lithium. Oder Öl.
Wie wir ja alle wissen, haben die Chinesen nie irgendwelche wirtschaftlichen Interessen...
Die wollen halt mit dem Nachbarn gut auskommen. Klar. Versteht jeder.
Und die Taliban, deren Hauptaugenmerk, wie wir ja auch alle wissen, die wirtschaftliche Weiterentwicklung Afghanistans ist, „unterstützen".
Und bei der gesellschaftlichen Weiterentwicklung sowieso. Echt lieb von den Chinesen.
Die afghansichen Frauen werden bereits Freudentänze abhalten. So wie die uigurischen.

Und - zurück zum Anfang des Beitrages - überhaupt, wenn so eine Bundesanstalt so etwas feststellt – siehe die Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes bzgl. der Machtübernahme durch die Taliban – dann stimmt das natürlich zu 100, was sage ich, zu 150%...