China, Russland und der Ukraine-Krieg - Peking in der Zwickmühle

Ein Treffen zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping zeugt davon, dass China an der Seite Russlands steht. Doch die Unterstützung ist nicht so ausgeprägt, wie sich der Kreml dies wünscht, weil Peking international als verlässlich und friedlich wahrgenommen werden will.

Gegen die USA vereint, in der Strategie getrennt: Eine chinesische Zeitung berichtet über das Treffen zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping / picture alliance
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Präsident Xi besucht Russland wenige Tage, nachdem dessen Präsident vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl wegen des Vorwurfs, Kinder deportiert zu haben, gesucht wird. Und beide verhalten sich so, als wäre nichts geschehen. Auf den ersten Blick scheint es auch deshalb so, als ob die gegenseitigen Freundschaftsbekundungen zwischen dem chinesischen und dem russischen Präsidenten eine feste Allianz zwischen beiden Staaten ausdrückten.

Richtig ist, dass beide füreinander derzeit die wichtigsten strategischen Partner sind. Denn beide versuchen, die Dominanz der USA in der internationalen Ordnung zu beseitigen. Dazu wurde jahrelang das Narrativ verbreitet, dass die USA und der Westen sowieso abstiegen, weil die liberalen Demokratien zu dekadenten Gesellschaften verkommen seien. Chinas Aufstieg hingegen beweise, dass Modernisierung, Fortschritt und Demokratie nicht alleine in westlichen Formaten erfolgreich sein könnten. 

Die Sicherheit über den Abstieg der USA scheint ein wenig gewichen, da die USA von Peking nunmehr hinter jedem Konflikt gesichtet werden, was schlecht sein kann, wenn ihre Kräfte so arg schwinden. Zudem sind die USA und die EU für China wirtschaftlich immer noch weit wichtiger als Russland. Im Handel miteinander werden 200 Milliarden Dollar angepeilt, mit den USA und der EU beläuft es sich jeweils auf etwas unter 700 Milliarden. Russlands Markt und Investitionsvolumen ist einfach zu klein. 

Risse tun sich auf

Beim zweiten Blick scheinen sich zwischen dem russischen Kurs gegen den Westen und dem chinesischen Drängen auf den ersten Platz in der internationalen Ordnung einige Risse aufzutun. Das hängt damit zusammen, dass Russland inzwischen ausschließlich brachial, in der Wortwahl brutal und in den Drohungen zügellos gegen die USA und den Westen polemisiert.

Die USA und ihre Marionetten, so Russlands Zerrbild, würden mit der Ukraine Krieg gegen Russland führen und wollten Russland zerstören, weshalb Russland zu einem Krieg gezwungen worden sei, den es im russischen Staatsfernsehen mit Drohungen, Nuklearwaffen einzusetzen, um Großbritannien zu zerstören, Berlin anzugreifen, den Internationalen Strafgerichtshof zu bombardieren, und anderen wirren Ausfällen unterfüttert.

Solche Töne sind aus Peking nicht zu hören. Pekings Propaganda beginnt zwar auch damit, dass die USA als böser Hegemon hinter allem Unheil steckten, nimmt dann aber eine andere Wendung: Deshalb sei es umso wichtiger, dass China als kluge, erfahrene, gemäßigte, friedliche Macht seinen internationalen Einfluss ausweitet und so zur Lösung von Konflikten weltweit beiträgt. China als selbstloser Vermittler, kluger Mediator und Macht auf der richtigen Seite der Geschichte. China will als verlässlich und friedlich wahrgenommen werden, um über wirtschaftliche Zusammenarbeit politischen Einfluss gewinnen zu können.

Fest an der Seite Russlands

An den Beziehungen zum Iran lassen sich diese beiden unterschiedlichen Perspektiven, den Kampf gegen die USA zu führen, aufzeigen. Für Russland ist der Iran Waffenlieferant und Verbündeter in der Produktion von Drohnen. Für China ist der Iran eine regional wichtige Macht und strategischer Partner bei der Rohstoffversorgung.
 

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China war in der Lage und strebte auch danach, zwischen dem Iran und Saudi-Arabien die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen zu vermitteln. Das wäre Russland nicht möglich gewesen. China benutzt die Absprache zwischen den beiden Staaten des Nahen Ostens seither als Beweis für seinen positiven Einfluss in der Welt. Auch der „Friedensplan“ für die Ukraine wird in diesem Kontext genannt. Doch kommt China hier derzeit nicht weiter, weil es einseitig Partei für Russland ergreift.

Denn China steht fest an der Seite Russlands. Neben Importinteressen an Rohstoffen und Getreide sowie Exportinteressen in allen Handelsbereichen, wo westliche Unternehmen aus Russland abgezogen sind, ist China besonders daran interessiert, dass Russland ein autoritärer Staat und am besten der anscheinend kalkulierbare Putin im Amt bleibt. Nicht in Putins, sondern in Chinas Interesse liegt diese Positionierung. Denn eine demokratische Entwicklung in Russland würde China seines wichtigen strategischen Partners berauben und die Anti-China-Koalition im Indo-Pazifik noch herausfordernder erscheinen lassen.

Putin unter Druck

Diese teilweise lockeren Koalitionen zeigen sich in vielen Formaten und bilateralen Beziehungen. In der Quad, die Japan, Australien, Indien und die USA umfassen, in AUKUS, das aus Australien, Großbritannien und den USA besteht, in den engen bilateralen Beziehungen der USA zu Japan, Südkorea, Australien und den Philippinen, in der verstärkten Zusammenarbeit zwischen Japan und Südkorea sowie Japan und Indien, die in China zusammengefasst als gegen das Land gerichteter Block – quasi eine Nato im Pazifik – wahrgenommen werden. Das übersieht die vielfachen Brüche in diesen Staatenbeziehungen, hat aber als besonders schlechte Möglichkeit der zukünftigen sicherheitspolitischen Entwicklung aus chinesischer Sicht einige Berechtigung, wenn es um die Durchsetzung offensiver chinesischer Interessen mit militärischer Gewalt, also um Taiwan geht. 

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat auch im Pazifik die sicherheitspolitische Kooperation intensiviert. Er kommt chinesischen Interessen auch hier entgegen, ebenso wie auf dem Gebiet von Handel und Investitionen. China hatte einen kurzen, erfolgreichen Krieg Russlands befürwortet, weil es nichts unternahm, ihn abzuwenden. Die USA hatten China dazu seit Herbst 2021 aufgefordert. Die mittlerweile über ein Jahr andauernden Kampfhandlungen aber liegen nicht im chinesischen Interesse. Doch noch weniger liegt im Interesse Chinas, dass Russland den Krieg so verliert, dass das autoritäre Regime Putins unter Druck gerät. 

Kein Interesse am Krieg

Chinas Interesse an Putins Herrschaft über Russland ist Putins wichtigstes Argument für Chinas Unterstützung. Die ist derzeit allerdings nicht so ausgeprägt, wie Russland sich dies wünscht. Denn China will weder die USA noch die EU zu Sanktionen provozieren, weshalb Waffenlieferungen für den Krieg in der Ukraine bisher ausblieben. Gleichzeitig hat China kein Interesse an einem weiterhin sehr lange andauernden Krieg, weil dies die sicherheitspolitische Kooperation im Pazifik und die transatlantischen Beziehungen stärkt sowie die wirtschaftliche Entwicklung in China bremst.

Ein wichtiges Interesse Chinas hingegen ist, die EU und USA zu entzweien sowie die bilateralen Beziehungen im Pazifik für eine Politik des „teile und herrsche“ zu nutzen. In dieser Zwickmühle steckt China wegen Russlands Krieg. Welchen Einfluss dies auf die Zukunft der bilateralen chinesisch-russischen Beziehungen haben wird, bleibt abzuwarten. Einstweilen gibt sich China damit zufrieden, Russland als Gefolgschaftsstaat einreihen zu können, auch wenn das bedeutet, auf die russische Vorgehensweise ein wenig Rücksicht nehmen zu müssen. Wie viel oder wenig Rücksicht wird sich möglicherweise schon bald zeigen. 

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