Antijüdische Ausschreitungen - Egal, was Israel tut ...

Es ist ein Irrtum zu glauben, Ausschreitungen von Hamas-Anhängern in Deutschland würden nachlassen, würde sich Israel nur der Forderung nach mehr Zurückhaltung beugen. Denn das kann es erstens nicht tun, ohne sich selbst zu gefährden. Und zweitens: Unabhängig davon, wie Israel sich verhält - die Hamas wird es für ihre Propaganda ausschlachten.

Polizisten halten am Brandenburger Tor propalästinensische Demonstranten in Schach / dpa
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Ingo Way ist Chef vom Dienst bei Cicero Online.

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Der Krieg der Hamas gegen Israel und alles Jüdische ist längst auch in Deutschland angekommen. In der vergangenen Nacht versammelte sich ein islamistischer Mob aus mehreren hundert Menschen vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Dort wie im Stadtteil Neukölln griffen Anhänger der Hamas Polizisten an; in der Sonnenallee setzten sie eine Barrikade in Brand. Sie riefen „Free Palestine“, zündeten Feuerwerkskörper und warfen Flaschen und Steine auf Autos und Polizeibeamte. Heute in den frühen Morgenstunden haben dann zwei Täter die Synagoge in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte mit Molotowcocktails attackiert. Das Gebäude, in dem sich neben der Synagoge noch eine jüdische Schule und Kita befinden, ist glücklicherweise nicht in Brand geraten. Doch die Familien aus dem Umfeld der Synagoge sind natürlich verängstigt – genau das ist es, was Terror bezweckt.

Auslöser dieser jüngsten antiisraelischen Ausschreitungen war ein angeblicher israelischer Raketenangriff auf ein Krankenhaus im Gazastreifen, bei dem etwa 400 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Gemeldet hatte dies die Hamas, deutsche Medien waren nur allzu begierig, diese Meldung zu übernehmen. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass höchstwahrscheinlich eine verunglückte Terrorrakete des Islamischen Dschihad das Krankenhaus getroffen hat.

Doch den antisemitischen Mob dürfte überhaupt nicht interessieren, wer nun wirklich für den Raketenangriff auf das Krankenhaus verantwortlich ist. Für die Pro-Palästina-Meute ist Israel schuld, egal was es tut oder lässt. Natürlich wird es auch bei israelischen Angriffen auf legitime Ziele im Gazastreifen zivile Opfer geben. Ob nun diese oder diejenigen eines Querschlägers der eigenen Leute – sie sind willkommenes Futter für die Propagandaabteilung der Hamas und ihre bereitwilligen Abnehmer in westlichen Medien.

Israel tut wesentlich mehr, als es das Humanitäre Völkerrecht verlangt

Genau das ist die Falle, in die die Hamas Israel hat locken wollen: nämlich mit dem genozidalen Angriff auf israelische Zivilisten einen unvermeidlichen Gegenschlag der israelischen Armee zu provozieren, der dann zu zivilen Opfern führt, die sich wiederum zu Propagandazwecken gegen den jüdischen Staat ausschlachten lassen. Eine Falle, der Israel gar nicht entgehen kann, denn es kann nach dem in Gaza geplanten Massenmord an seinen Bürgern schließlich nicht einfach untätig bleiben; es hat das Recht und die Pflicht, die Verantwortlichen zu bekämpfen und unschädlich zu machen.

Dabei tut Israel wesentlich mehr, als es das Humanitäre Völkerrecht verlangt, um Zivilisten zu schonen. Armee-Sprecher Arye Sharuz Shalicar machte vor einigen Tagen bei „Anne Will“ darauf aufmerksam, dass die Streitkräfte (IDF) die Zivilbevölkerung im Gazastreifen vor zu erwartenden Angriffen warne und sie dazu aufrufe, den nördlichen Teil des Gazastreifens zu verlassen, wo sich die Kommandostruktur der Hamas befindet. Prompt wird Israel, etwa im linken britischen Guardian, Vertreibung und ethnische Säuberung vorgeworfen. Verzichtete es auf derartige Warnungen, würde aus der gleichen Ecke der Vorwurf erhoben werden, die Bevölkerung durch Überraschungsangriffe zu terrorisieren.

 

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Im Gegensatz zu Israel ist der Hamas sehr wohl daran gelegen, dass möglichst viele Bewohner des Gazastreifens von Bomben getroffen werden. Zu diesem Zweck verschanzt sich die Hamas gezielt in Wohngebieten, Schulen und Krankenhäusern. Denn jeder getötete Palästinenser lässt sich auf der Bühne der Weltöffentlichkeit gegen Israel verwenden. Wenn Israel also dicht bevölkerte Gebiete bombardiert, in denen sich die Hamas hinter menschlichen Schutzschilden versteckt, begeht es Kriegsverbrechen. Fordert es die dortige Bevölkerung auf, sich in Sicherheit zu bringen, begeht es ebenfalls ein Kriegsverbrechen, nämlich das der Vertreibung. Und der Vorwurf des Genozids ist dabei nie weit entfernt, oft genug wird er explizit erhoben, keineswegs nur in der arabischen Welt.

Wenn die Bevölkerung gewarnt wird, wird die Hamas ebenfalls gewarnt

Dazu beigetragen hat die in den vergangenen Jahren betriebene Inflationierung des Genozid-Begriffs, mit dem mittlerweile fast jede Kriegshandlung belegt wird, die von der jeweils unsympathischeren Seite begangen wird, sowie sonstige Verbrechen – von der Misshandlung australischer oder kanadischer Ureinwohner bis hin zum „kulturellen Genozid“, der ohne einen einzigen Toten auskommen kann –, die mit der ursprünglichen Genozid-Definition nichts zu tun haben, die die Intention voraussetzt, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“ – und zwar durch physische Vernichtung.

Israel tötet aber keine Palästinenser, um die Palästinenser als Gruppe zu zerstören, sondern um sich gegen Angriffe zu wehren. Die zweitausend Mörder – gemessen an der Einwohnerzahl Gazas (rund zwei Millionen) kein unerheblicher Prozentsatz der angeblich unschuldigen Bevölkerung –, die vor anderthalb Wochen über die Grenze nach Israel gedrungen sind, um wahllos jüdische Männer, Frauen, Kinder und Greise abzuschlachten, taten das in der Absicht, Juden zu töten, nur weil sie Juden sind, weswegen ihr Vorgehen auch in diesem Text mit voller Absicht als genozidal bezeichnet wird. Wer einfach nur Todeszahlen gegeneinander aufrechnet, ohne sich um Absicht und Intention auch nur zu scheren, ist moralisch blind, denn er setzt Mord mit Notwehr gleich.

Zudem sollte sich, wem es wirklich um Menschenleben im Gazastreifen geht, einmal die Frage stellen, ob die Praxis der israelischen Armee, die Zivilbevölkerung vor Angriffen zu warnen, um dem Wunsch der Weltöffentlichkeit nach „Proportionalität“ und „Angemessenheit“ nachzukommen, nicht am Ende mehr Opfer fordert, als wenn Israel auf solche Warnungen verzichtete. Denn wenn die Bevölkerung gewarnt wird, wird die Hamas ebenfalls gewarnt und bekommt Zeit, sich auf Angriffe vorzubereiten, ihre Waffenlager, Kommandozentralen und Raketenabschussrampen zu verlegen und gleichzeitig die Bevölkerung an der Flucht zu hindern. Die Opfer gingen auch in diesem Falle auf das Konto der Hamas – aber das, wie gesagt, dürfte ihre Freunde von Gaza-Stadt bis Berlin-Neukölln kaum interessieren.

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