Annalena Baerbock bei Caren Miosga - Die Lernkurve

In der Sendung von Caren Miosga bringt die Bundesaußenministerin einen Taurus-Ringtausch mit den Briten ins Spiel und verzweifelt erkennbar an Olaf Scholz. Tatsächlich machte Baerbock eine bessere Figur als der Bundeskanzler – und sorgte für ein paar Überraschungen.

Caren Miosga und Annalena Baerbock / Screenshot
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Über viele Jahre konnte man froh sein, dass die deutsche Außenpolitik faktisch im Kanzleramt bestimmt wurde und nicht im Auswärtigen Amt – man denke nur an den Außenminister Heiko Maas im letzten Kabinett Merkel. Inzwischen hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz allerdings in außen- und sicherheitspolitischen Fragen als ein derart unsicherer Kantonist erwiesen, dass man sich wünscht, andere hätten mehr zu sagen als er. 

Beispielsweise die Hausherrin am Werderschen Markt, Annalena Baerbock. Die Bundesaußenministerin war am Sonntagabend zu Gast in der Talkshow von Caren Miosga – und hat dort einen ausgesprochen aufgeräumten und vernünftigen Eindruck hinterlassen. Ohnehin hat sich das Nachfolgeformat von „Anne Will“ gestern zum ersten Mal richtig bewährt, weil die dezidiert nicht-krawallige Diskussionsführung zu mehr Erkenntnisgewinn beitragen konnte als das sonst übliche Haudrauf-Spiel.

Wie war das mit Lawrow?

Am Anfang drohte die Sache zwar ins – Verzeihung für den unpassenden Ausdruck – Anekdotische abzugleiten, weil Miosga ihren Gast immer wieder nach Ereignissen fragte, die diese bei ihren Dienstreisen erlebt hatte: Wie war das auf der Konferenz mit dem russischen Amtskollegen Lawrow? Wie war die Situation, als Baerbock und ihre Delegation zu Besuch in der ukrainischen Stadt Mykolaiv unlängst von einer russischen Drohne verfolgt wurden? Die Außenministerin stand zwar empathisch Rede und Antwort, aber um eine ganze Stunde zu füllen, wären solche Geschichten deutlich zu kleines Karo gewesen. Was übrigens zum etwas unpassenden Titel dieser Sendung gepasst hätte: „Putins Krieg und Deutschlands Rolle: Wie undiplomatisch können Sie sein, Frau Baerbock?“
 

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Die Antwort: Diplomatischer jedenfalls als der Bundeskanzler. Olaf Scholz schaut zwar immer besonders wissend in jede Kamera und lässt mit seinem Minenspiel erkennen, dass er angeblich mehr weiß (und dass er es vor allem besser weiß) als alle anderen. Allerdings entpuppt sich diese zur Schau gestellte Professionalität immer mehr als bloßes Schmierentheater. Zuletzt natürlich in der Taurus-Debatte, die er mit einem apodiktischen „Nein“ glaubte beenden zu können. Seine Begründung: Deutschland riskiere ansonsten Kriegspartei zu werden. 

Der Rest der westlichen Welt sieht das freilich anders, auch in der Ampelkoalition sind Grüne, FDP (aber auch Teile der SPD) über den schlingernden Kurs des Kanzlers bei der Unterstützung der Ukraine maximal frustriert. Sollte Scholz übrigens versucht haben, sich mit seinen jüngsten Volten als „Friedenskanzler“ zu inszenieren, so ist ihm den jüngsten Umfragen zufolge auch dies nicht geglückt: Die Kanzlerpartei SPD liegt festgetackert bei 15 Prozent (Insa von Samstag).

Aus dem Alltag einer Außenministerin

Zurück zu Baerbock: Nach den anfänglichen Erzählungen aus dem Alltag einer Außenministerin ging es dann doch irgendwann zur Sache. Baerbocks Botschaft, in wenigen Worten zusammengefasst: Putin versuche ein ums andere Mal, den Westen auf die Probe zu stellen und reagiere mit weiterer Aggression, wenn er merke, dass seine Gegner sich einschüchtern ließen. Der Kreml führe auch gegen Deutschland einen hybriden Krieg, inklusive der Verbreitung von Falschnachrichten und aus dem Zusammenhang gerissenen Leaks wie dem jüngst durch russische Medien verbreiteten Gespräch zwischen deutschen Luftwaffenoffizieren. Putin selbst lüge, dass sich die Balken biegen – und nicht zuletzt der Papst falle auf diese Märchen herein, wenn er jetzt die Ukraine dazu auffordere, die „weiße Flagge zu hissen“. Baerbock indes wiederholte, man müsse alles dafür tun, dass die Ukraine den Krieg nicht verliere, zumal es „mit Putin-Russland auf absehbare Zeit keine Sicherheit geben“ werde.

Auf den Taurus-Komplex angesprochen, reagierte die Außenministerin äußerst zurückhaltend und vermied explizite Kritik am Bundeskanzler – übrigens mit dem Hinweis darauf, dass der Kreml es genau darauf abgesehen habe, Zwistigkeiten und Streit im gegnerischen Lager zu schüren. Gleichwohl von ihrer Seite aus eine klare Ansage: „Wenn wir jetzt nicht Stärke zeigen, wird es keinen Frieden geben.“ In diesem Zusammenhang brachte Baerbock denn auch einen Ringtausch ins Spiel, wie es ihn zu Beginn des Ukrainekriegs bei Panzerlieferungen gegeben hatte. Also: Deutschland liefert Taurus-Systeme an Großbritannien, die ihrerseits Marschflugkörper an die Ukraine weiterreichen.

Des Kanzlers strategische Dummheit 

Nach Halbzeit der Sendung gesellten sich noch Minna Alander und Michael Thumann mit an den runden Miosga-Tisch. Alander, eine junge Politikwissenschaftlerin aus Finnland, erinnerte daran, dass Putin seine wüsten Drohungen gegen ihr Heimatland nicht wahrgemacht habe, nachdem Finnland sich entschieden hatte, der Nato beizutreten. Und Thumann, Moskau-Korrespondent der Zeit, beklagte, dass Bundeskanzler Scholz stets offen kommuniziere, was er bei der Ukraine-Unterstützung zu tun (und vor allem nicht zu tun) gedenke. Dabei wäre es strategisch wesentlich klüger, Putin im Unklaren zu lassen (und notfalls auch eine Boden-Option in den Raum zu stellen wie Frankreichs Präsident Macron).

Thumann erinnerte daran, dass von einer von Scholz immer wieder an die Wand gemalten Kriegsbeteiligung der Nato erst dann die Rede sein könne, „wenn ein Nato-Soldat auf einen russischen Soldaten schießt“. Mit dieser Bemerkung traf der Zeit-Journalist übrigens auf volle Zustimmung der Bundesaußenministerin. Zwar hatte Annalena Baerbock vor mehr als einem Jahr noch öffentlich verkündet, „wir“ (also der Westen) würden einen „Krieg gegen Russland“ führen. Aber solch eine Unbedachtheit würde ihr heute offensichtlich nicht mehr passieren. Man muss Baerbock mithin eine positive Lernkurve attestieren. Für den Bundeskanzler gilt das erkennbar nicht.
 

Guido Steinberg im Gespräch mit Alexander Marguier
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