Es ist ein bekanntes Phänomen bei vielen Mächtigen: Irgendwann verwechseln sie, durch den Machtapparat und die Ehrfurcht der Berichterstatter von den weniger mächtigen Menschen abgeschirmt, ihre eigenen Wunschvorstellungen mit der Wirklichkeit. Meist dauert es einige Zeit, bis das eintritt. Bei Robert Habeck sind deutliche Anzeichen schon nach nicht einmal zwei Jahren als Vizekanzler und Wirtschaftsminister wahrzunehmen. Das offenbart sein aktuelles Interview mit Zeit-Chef Giovanni di Lorenzo.
Dass er seiner Regierung und auch sich „persönlich“ höchsten Fleiß bescheinigt („eine enorme Agenda abgearbeitet“), war zu erwarten. Bescheidenheit ist out, erst recht im grün dominierten Politikbetrieb der Gegenwart. Aber selbst der durchaus wohlwollende Interviewer ist doch erstaunt und widerspricht, als Habeck behauptet, „dass in der Bevölkerung ein ganz großer Gestaltungswille da ist“, womit er wohl sagen will, dass diese hinter seiner Transformationsagenda stehe. Und den Hinweis auf „so viel Unzufriedenheit, so viel Sorge und Enttäuschung darüber, dass in diesem Land, das mal ein Muster war für Effizienz, so wenig funktioniert“, quittiert Habeck mit: „... das sehe ich anders“.
Deutlicher Anstieg der Firmeninsolvenzen
Habeck glaubt offenbar seiner eigenen Kampagne „Wer, wenn nicht hier“ mit Parolen wie „Deutschland kann seinen Wohlstand erneuern“ und „Deutschland kann grüne Energie“ mehr als den aktuellen Daten der ökonomischen Statistiker und Umfrageinstitute. Laut einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung EY unter 100 Vorstandschefs in Deutschland, sagten 53 Prozent, dass sie geplante Investitionen stoppen. Am heutigen Freitag meldet das Statistische Bundesamt zudem einen deutlichen Anstieg der Firmeninsolvenzen. 78 Prozent der Deutschen sind laut ARD Deutschlandtrend vom August unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. Das Rheingold-Institut stellt in einer aktuellen Studie eine weitverbreitete „Endzeitstimmung“ fest und der Präsident des Verbands der Chemischen Industrie Markus Steilemann sagt: „Das Haus brennt“.
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Der frühere Roman-Autor Habeck scheint das vor allem für ein mentales Problem zu halten: „Das klingt alles nach schlecht gelaunter Untergangsstimmung“. Gegen diese schlechte Laune und generell für alle wirtschaftlichen Probleme hat Habeck offenkundig eine generelle Lösung vorgesehen: eine Art Schulterschluss zwischen Unternehmen und dem (von ihm repräsentierten) Staat.
Gute Stimmung in Habecks Sinne
Untergangsstimmung? „Dann müssen die Vorstandsvorsitzenden die Mentalität mit verändern!“ dekretiert Habeck im Interview. Private Unternehmensführungen haben also nach Ansicht des Ministers die Aufgabe, für gute Stimmung im Sinne der Regierenden zu sorgen. Wozu vermutlich Habeck mit seiner Supersubventionsidee des Industriestrompreises zusätzlich die Stimmung anheizen will. Ein seltsam korporatistisches Verständnis vom Zusammenwirken von Unternehmen und Regierung!
Noch deutlicher wird Habecks Vorstellung einer staatlich dominierten Wirtschaft, als er regelrecht ins Schwärmen kommt über einen Zwei-Milliarden-Förderbescheid, den er persönlich in Duisburg an den ThyssenKrupp-Konzern überreichte. Und auch als er auf die per Saldo aus Deutschland abfließenden Direktinvestitionen angesprochen wird, erwähnt er als Gegenbeispiel die Investition des taiwanischen Halbleiter-Herstellers TSMC in Dresden. Auch die erfolgte aber erst nach einer staatlichen Milliardensubvention. Dass ein Konzern ganz ohne politisch motivierte Geschenke vom Steuerzahler in Deutschland investiert, scheint schon jenseits seines Erwartungshorizonts.