Wettrüsten der Weltenretter - Die großen Pläne der Ursula von der Leyen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will einen „Europäischen Souveränitätsfonds“, um Zukunftsindustrien nicht an China und die USA zu verlieren. Mit einem Ausbau der Subventionen wächst allerdings auch die Gefahr, dass falsche politische Entscheidungen getroffen werden.

Will China und den USA auf Kosten der freien Marktwirtschaft trotzen: Ursula von der Leyen / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Die Europäische Union will sich nicht abhängen lassen. Im Wettlauf um tatsächliche und vermeintliche Zukunftstechnologien, die uns ins Zeitalter der Klimaneutralität transformieren sollen, hat Ursula von der Leyen zur Aufholjagd geblasen. Beim Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in Davos, das zumindest rhetorisch von einer querfrontartigen Allianz aus Ökosozialisten und Globalkapitalisten geprägt ist, kündigte die EU-Kommissionspräsidentin einen „Europäischen Souveränitätsfonds“ an.

Es ist ihre Antwort auf das milliardenschwere Subventionsprogramm der Amerikaner, mit dem US-Präsident Joe Biden auch europäische Unternehmen anlocken will, die klimafreundliche Spitzentechnologie entwickeln. Von der Leyen nannte die Amerikaner nicht beim Namen, sprach laut veröffentlichtem Redemanuskript allgemein von „Angeboten und Anreizen außerhalb der EU“, mit denen man mithalten müsse, damit die europäische Industrie attraktiv bleibe. Doch klar ist, dass sie damit neben China vor allem die USA meinte.

Wertschöpfungsketten für saubere Technologien

Als ersten Schritt kündigte sie an, die EU-Kommission werde „vorschlagen, unsere Beihilfevorschriften vorübergehend anzupassen, um Beihilfen schneller und leichter möglich zu machen“. Dabei geht es um nationale Subventionen der EU-Mitgliedstaaten, die bislang von Brüssel aus streng reglementiert und begrenzt werden, um Wettbewerbsverzerrungen auf dem gemeinsamen europäischen Markt zu verhindern. Konkret sprach von der Leyen über „gezielte Beihilfen für Produktionsanlagen in strategischen Wertschöpfungsketten für saubere Technologien, um Verlagerungsrisiken durch drittstaatliche Subventionen entgegenzuwirken“.

Der nächste Schritt sei dann der „Souveränitätsfonds“, von dem auch EU-Länder profitieren sollen, denen die finanziellen Spielräume für nationalstaatliche Subventionen fehlen. „Um eine Fragmentierung des Binnenmarkts zu vermeiden und den Übergang zu sauberen Technologien in der gesamten Union zu unterstützen, müssen wir auch die EU-Mittel aufstocken“, erklärte die Kommissionspräsidentin dazu.

Eine wirtschaftspolitische Grundsatzfrage

Dieser Vorschlag stieß bei Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, der ebenfalls nach Davos gereist war, auf Widerspruch. Er sprach sich gegen ein eigenes europäisches Programm aus. „Ein Wettbewerb, wer mehr Subventionen zahlen kann, würde die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen in Europa gefährden“, warnte Lindner und warb stattdessen für „ein globales Handelsabkommen der liberalen Demokratien“. Denn: „Wir brauchen keinen Handelskrieg, wir brauchen Handelsdiplomatie.“
 

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Lindners Vorbehalte gegen von der Leyens große Pläne sind auf eine wirtschaftspolitische Grundsatzfrage zurückzuführen, die dringend zu klären ist. Nicht nur in Davos. Sondern auch in Berlin und Brüssel. Denn seit dem Ausstieg der Briten aus der EU und dem Aufstieg der übereifrigen deutschen CDU-Politikerin an die Spitze der Europäischen Kommission verliert die liberale Idee, dass der Staat der Wirtschaft lediglich den Rahmen vorgibt, zunehmend an Rückhalt. Stattdessen setzen sich diejenigen durch, die an die überlegene Weisheit von Politikern und Bürokraten glauben und einen staatlich gesteuerten Umbau der Industrie anstreben. Das auf EU-Ebene beschlossene Verbrennerverbot ist das jüngste Beispiel für diese planwirtschaftlichen Bestrebungen.

Gefahr falscher Entscheidungen

Mit einem Ausbau der Subventionen, ob aus EU-Mitteln oder nationalen Haushalten, wächst die Gefahr, dass falsche Entscheidungen getroffen werden. Der „Übergang zu sauberen Technologien“ kann nicht durch Lobbyisten und Beamte gestaltet werden, denn sie können nicht wissen, welche Technologien sich langfristig durchsetzen. Deshalb sollte man es einem möglichst freien Markt überlassen, die effizientesten Lösungen zu finden.

Die Idee, bestimmte Zukunftsindustrien durch großzügige Subventionen anzulocken, leidet aber nicht nur an dem Problem, dass dazu staatliche Entscheidungen für und gegen einzelne Technologien notwendig sind. Sie leidet auch daran, dass es oft gar nicht funktioniert. Erinnert sei an den Niedergang der deutschen Photovoltaik-Hersteller und jüngst auch die Probleme der heimischen Windkraft-Industrie.

Das Steuergeld sprudelt nur so

Deutschland versucht gerade, die Produktion von Batteriezellen für Elektroautos aufzubauen. Das Steuergeld dafür sprudelt nur so. Im Frühjahr 2022 wedelte Wirtschaftsminister Robert Habeck stolz mit einem Riesenscheck über 155,4 Millionen Euro für eine Batteriefabrik in Schleswig-Holstein. Das schwedische Unternehmen Northvolt wollte dort investieren. „Ich freue mich sehr, dass Northvolt Schleswig-Holstein für eine große Fabrik für nachhaltige Batteriezellen in Betracht zieht. Lokal erzeugte erneuerbare Energie soll die Fertigung antreiben. Das zeigt: Deutschland ist ein attraktiver Standort für Zukunftsindustrien – und die Erneuerbaren sind mittlerweile ein handfester Wirtschaftsfaktor“, sagte Habeck laut Pressemitteilung.

70 Prozent der versprochenen Subvention sollen aus Bundesmitteln kommen, 30 Prozent das Land beisteuern. Die EU hatte der Beihilfe „im Rahmen des zweiten europäischen Großprojekts zur Batteriezellfertigung (Important Projects of Common European Interest, IPCEI)“ zugestimmt. Doch inzwischen hat Northvolt entschieden, erstmal in den USA zu expandieren. Die Planungen für einen deutschen Standort liegen auf Eis. Grund dafür sind offenbar weniger die Subventionsschecks, mit denen Joe Biden wedelt, sondern, dass es auf der anderen Seite etwas gibt, was bei uns zunehmend zum Problem wird: sichere und günstige Energie. Selbst die klimafreundlichsten Zukunftstechnologien sind darauf angewiesen, dass der Strom zuverlässig fließt und bezahlbar bleibt.

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