Geplantes Verbot von Öl- und Gasheizungen - „Ökologisches Heizen darf kein Elitenprojekt werden“

Die Ampelkoalition will den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024 verbieten. Doch der Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Robert Habeck lässt Zweifel an der Strategie aufkommen. Warum die stromfokussierte Energiewende zu einseitig ist, erklärt die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker.

Umgekehrter Kühlschrank: die Wärmepumpe / dpa
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Lukas Koperek ist Journalist und lebt in Mannheim und Berlin.

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Lamia Messari-Becker ist Bauingenieurin, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen und Mitglied im Club of Rome International.

Frau Messari-Becker, die Bundesregierung will den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ab dem 1. Januar 2024 verbieten. Von da an sollen nur noch Systeme verbaut werden, die mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Ganz grundsätzlich: Ist so eine Vorgabe realistisch?

Sie wäre jedenfalls realistischer, wenn die Politik zunächst ihre Hausaufgaben erledigt hätte, nämlich für kommunale Wärmepläne, für Wärmenetze auf Basis erneuerbarer Energien, für Wasserstoffnetze, für mehr Biogas und mehr Geothermie zu sorgen. So wäre die 65-Prozent-Regel auf vielfältige Art und Weise ohne soziale Härten erfüllbar. In Dänemark und Schweden wurden zunächst Wärmenetze konsequent aufgebaut, um anschließend, nicht vorher, den Umstieg auf klimafreundlichere Wärmeversorgung zu forcieren – mit Erfolg. In Holland, wo Haushalte zu 85 Prozent mit einheimischem Erdgas versorgt werden, wird es ein Verbot von Öl- und Gasheizungen im Gebäudebestand erst ab 2026 geben.

Halten Sie das Verbot für ein geeignetes Mittel gegen den Klimawandel?

Ich halte den Umstieg auf eine erneuerbare Wärmeversorgung im Gebäudebereich für richtig. Aber die Art und Weise, wie das passieren soll, ist fraglich und kostet viel Akzeptanz gegenüber dem Klimaschutz. Es wird so viele Härtefälle, Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen geben, dass man schon fragen muss: Wozu die ganze Bürokratie? Und wer soll den Vollzug sichern? Warum nicht erst eine echte Wärmewende voranbringen? Dann wäre der Umstieg viel leichter, breiter, am Ende auch schneller und sozialverträglicher.

Welche Heizsysteme kommen nach dem Verbot noch in Frage?

Grundsätzlich kämen direkte Stromheizungen, Wärmepumpen, Hybridheizungen, Biomasse wie Holzpellets, Biogas, Fernwärme, grüne Gase und theoretisch auch Wasserstoff und Brennstoffzellen in Frage. Diese Optionen wurden aber erst nach deutlicher Kritik anerkannt. Anfangs sollte es klar und überwiegend auf elektrisch betriebene Wärmepumpen hinauslaufen. Jetzt ist das Gebäudeenergiegesetz immerhin technologieneutral formuliert, Alternativen sind also erlaubt – wenn auch zu teils erschwerten Bedingungen und mit sehr vielen Einschränkungen.

Sind Wärmepumpen wirklich so klimafreundlich? Nur knapp die Hälfte unseres Stroms kommt von erneuerbaren Energien wie Wind- oder Solarenergie. Die andere Hälfte liefern immer noch fossile Energieträger.

Lamia Messari-Becker / Wikimedia Commons

Zunächst ein technischer Aspekt: Die Wärmepumpe macht aus einer Kilowattstunde elektrischer Energie mehrere Kilowattstunden Wärmeeinheiten. Daher kommt es bei der Gesamtbewertung darauf an, wie effizient sie im Heizungsbetrieb tatsächlich arbeitet. Aber die Angebotsseite ist in der Tat die größte Schwäche des Vorhabens. Der Gebäudemarkt ist ein sogenannter Peak-Markt, der die gesamte Heizleistung de facto in nur wenigen Wochen abruft und zwar ausgerechnet im Winter, wo erneuerbare Energien nicht sicher liefern können. Daher halte ich persönlich die stromfokussierte Energiewende für grundsätzlich zu einseitig. Die Energiewende gehört endlich diversifiziert. Zu Wind- und Solarkraft müssen endlich Speicherkapazitäten sowie erneuerbare direkte Wärme, etwa über Geothermie, Solarthermie, Biomasse und so weiter hinzukommen. Und wir müssen mehr Effizienz, Kraftwärmekopplung und Abwärme nutzen. Wir müssen uns breiter aufstellen. Anders ist das nicht zu schaffen.

Sie haben es ja gerade schon erwähnt: Den Alternativen zu strombetriebenen Heizungen wird es schwergemacht. Wodurch genau?

Heizen mit grünen Gasen, also mit grünem Wasserstoff oder Biomethan, ist zum Beispiel nur dann eine Option, wenn grüne Gase einen hundertprozentigen Anteil bei der Nutzung haben. Das ist gegenwärtig nur bei autarken Wasserstoffheizungen der Fall, die es nur als Prototypen gibt. Brenner können zwar schon heute Gas-Gemische verbrennen, aber Energieversorger müssten grüne Gase auch ins Netz einspeisen, einen verbindlichen Investitions- und Transformationsplan vorlegen, Wasserstoffnetze aufbauen. Laut Gesetz müssten die Heizungen aber schon 2030 mit mindestens 50 Prozent Biomethan und ab 2036 mit mindestens 65 Prozent Wasserstoff betrieben werden.

Es scheitert also auch an der Umsetzbarkeit innerhalb der vorgegebenen Fristen?

Ja. Der Gesetzestext ist zwar theoretisch technologieneutral, aber er enthält so viele Einschränkungen für die Alternativen. Für die Umsetzung bräuchte es einen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Kommunale Energieversorger etwa dürfen bei den Energieausschreibungen der Bundesregierung nicht leer ausgehen und müssen eine Chance bekommen, die Energiewende lokal voranzubringen.

Kann der Markt die zu erwartende Nachfrage nach Wärmepumpen überhaupt decken oder wird es zu Engpässen kommen? Bisher war das ja eher eine Nischentechnologie.

Anfangs haben viele Hersteller transparent gemacht, dass das nicht zu schaffen ist. Stichwort: Produktions- und Einbaukapazitäten. Inzwischen höre ich das nicht mehr. Dabei stehen wir heute, ein Jahr später, in Sachen Fachkräfte kaum besser da. Angeblich will das Wirtschaftsministerium neue Jobs rund um die Wärmepumpe schaffen, was ja gut wäre.

In der Begründung des Gesetzesentwurfs wird das Verbot von herkömmlichen Öl- und Gasheizungen als alternativlos dargestellt. Trotz umfassender Förderung, heißt es, würden immer noch zu viele fossil betriebene Heizsysteme verbaut. Aber müsste man sich nicht einmal fragen, woran das liegt? Sind elektrische Heizsysteme trotz der Subventionen finanziell unattraktiv?

Es ist komplizierter. Diese Sachlage als Argument für den gesetzlichen Zwang anzuführen, ist unangebracht, weil die Leute ja gesetzestreu gemäß der damaligen Regierungslinie „Gas als Brückentechnologie“ und sogar mit finanzieller Förderung gehandelt haben. Das Verfahren rund um Gas- und Ölheizungen hat viele Menschen verunsichert. Selbst Eigentümer, die dabei waren, einen Sanierungsfahrplan zu entwickeln, ihre Gebäude zu dämmen und die Heizung auf erneuerbare Energien umzustellen, waren derart verunsichert, dass sie kurzerhand die alte Gasheizung erneuert haben. Das ist fatal.

 

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Obwohl ein elektrisches Heizsystem genauso effizient gewesen wäre?

Die Gründe waren Unsicherheit und der spürbare Druck. Man muss aber immer unterscheiden: zwischen Neubau und Altbau, zwischen den verschiedenen Dämmstandards sowie zwischen den Energiequellen der Wärmepumpe selbst. Es ist unseriös zu behaupten, die Wärmepumpe sei überall effizient und kostengünstig. Genauso ist es unseriös zu behaupten, die Wärmepumpe gehe nirgends. Sie ist ein Baustein und kann und wird einen wichtigen Beitrag leisten.

Nun ist die Wärmepumpe ja trotzdem die Technologie, die zurzeit in aller Munde ist. Dabei wissen viele Leute vielleicht gar nicht, was genau sie sich darunter vorstellen müssen. Wie funktioniert das Heizen mit Wärmepumpe?

Die Wärmepumpe funktioniert wie ein umgekehrter Kühlschrank. Während der Kühlschrank seinem Innenraum die Wärme entzieht und nach außen abgibt, entzieht die Wärmepumpe der Außenluft, dem Grundwasser oder dem Erdinneren die Wärme und gibt sie an das Gebäude ab. Sie nutzt, vereinfacht formuliert, das Prinzip der Verdichtung: Ein Kältemittel wird durch Kompression auf ein höheres Druckniveau verdichtet und erhitzt sich. Aus einer Kilowattstunde elektrischer Energie generiert die Wärmepumpe so mehrere, theoretisch bis zu vier oder fünf Kilowattstunden Wärme.

Erfüllen die Gebäude in Deutschland überhaupt die baulichen Voraussetzungen für einen Umstieg auf strombetriebene Heizsysteme?

Nein, definitiv nicht. Unsere Gebäude weisen je nach Alter unterschiedliche energetische Qualitäten auf, haben unterschiedliche technische Voraussetzungen und müssen mit unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten auskommen. Gerade bei Wärmepumpen ist es wichtig, darauf zu achten, dass das Gebäude beispielsweise einen guten Dämmzustand aufweist. Nur dann können sie auch effizient und kostengünstig arbeiten. Es gibt daher nicht die eine Lösung, die für alle gut funktioniert. Für den einen ist es die Wärmepumpe, für den nächsten ist es Biogas oder Fernwärme. Andere fahren gut mit Biomasse oder autarken Lösungen. Vielerorts werden wir Quartiersansätze brauchen, anstatt nur Einzelgebäudebetrachtungen.

Angesichts der anstehenden Umbauarbeiten brennt vielen Menschen die Kostenfrage auf den Nägeln. Das Wirtschaftsministerium rechnet in den ersten fünf Jahren mit jährlichen Kosten von insgesamt etwas über neun Milliarden Euro für die Hauseigentümer. Dem stünden Einsparungen von circa elf Milliarden Euro auf 18 Jahre Laufzeit gegenüber. Doch der Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund, Kai Warnecke, widerspricht: Bei 500.000 eingebauten Wärmpumpen pro Jahr und 40.000 Euro Kosten pro Wärmepumpe entstünden jährliche Kosten in Höhe von 20 Milliarden Euro. Hat Robert Habeck sich verrechnet?

Bestandssanierungen können immer unerwartete Kosten verursachen. Ich halte die Berechnungen des Wirtschaftsministeriums für zu optimistisch. Insgesamt wird es aber stark davon abhängen, wie sich die Preise entwickeln. 40.000 Euro für eine Wärmepumpe, also Technik plus Einbau, für den es das zwei- bis dreifache an Montagestunden im Vergleich zu konventionellen Systemen braucht, sind jedenfalls nicht aus der Luft gegriffen. Es geht nicht nur um einen Geräteaustausch, sondern um einen Systemwechsel. Einige Sanierungsbeispiele liegen darunter, andere weit darüber. Was aber sowohl Warnecke als auch der Wirtschaftsminister unterschätzen: die Lebensdauer der Wärmepumpen. Diese ist, außer bei einer Erdreich-Wärmepumpe, in der Regel kürzer als bei konventionellen Heizgeräten, und zwar rein effizienzgetrieben. Man muss die Kapazitäten für den Austausch der heute eingebauten Wärmepumpen realistisch mit einkalkulieren. Durch Forschung und Entwicklung wird sich das aber bessern.

Warnecke kritisiert auch, dass der Zeitraum bis zum vollständigen Verbot von Öl- und Gasheizungen im Jahr 2045 zu kurz sei. Das sind 21 Jahre. Bei 500.000 eingebauten Wärmepumpen pro Jahr würde es aber 39 Jahre dauern, bis alle 19,4 Millionen Wohnhäuser in Deutschland eine Wärmepumpe hätten. Ist auch das ein Rechenfehler?

Das ist ohne Weiteres leider nicht nachvollziehbar. Das Wirtschaftsministerium definiert eben die Ziele und schreibt Gesetze, aber nicht, wie das realistisch erreicht werden soll. Man wird 500.000 Wärmepumpen pro Jahr kaum schaffen, aber es geht auch nicht darum, alle Wohngebäude auf Wärmepumpen umzustellen – auch wenn das gewollt ist. Es wird jede Menge Gebäude geben, die Biogas, Biomasse, Fernwärme und so weiter nutzen. Eine große Herausforderungen, die trotz Übergangsfristen noch ungelöst ist, sind Eigentümergemeinschaften mit Etagenheizungen. Hier wird der Umstieg viel länger dauern.

Welche Ansätze braucht es, um klimaneutrales Heizen in ganz Deutschland zu ermöglichen?

Es braucht enorme Anstrengungen auf mehreren Ebenen. Wir brauchen eine echte Wärmewende, anstatt nur eine Stromwende, die dann automatisch einseitig nur elektrisch basierte Lösungen forciert. Der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmebereich liegt bei nur 16 Prozent – das muss steigen. Zugleich braucht es Optionen für die unterschiedlichen Problemlagen sowie Wärmenetze, Stichwort: kommunale Wärmepläne. Generell sollte man auch den Energiebedarf an sich reduzieren – durch Energieeffizienz, digital optimierte Heizungen, Kraftwärmekopplung, Abwärmenutzung und so weiter.

Und dann ist da noch die Frage der sozialen Akzeptanz …

Kein politisches Vorhaben darf dazu führen, dass Mieten massiv steigen oder Eigentümer ihr Eigenheim verlieren, das oft ihre Altersvorsorge ist. Auch mit Blick auf die angekündigte EU-Sanierungspflicht gilt es umso mehr, die soziale Frage ernsthaft zu adressieren. Eigentlich müsste man die Rahmenbedingungen so setzen, dass Menschen gerne sanieren, gerne auf erneuerbare Energien umsteigen, gerne nachhaltige Mobilität nutzen. Die soziale Akzeptanz sichert langfristig sämtliche Nachhaltigkeitsziele, und Klimaschutz gehört in die Breite der Gesellschaft. Ökologisches Wohnen und Heizen darf kein Eliteprojekt werden.

Das Gespräch führte Lukas Koperek.

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