Bertelsmann-Chef Thomas Rabe - Eiskalt kalkuliert

Bertelsmann-Chef Thomas Rabe ist durch die Zerschlagung des Verlags Gruner + Jahr unter Druck geraten. Doch er vertraut auf die Rückendeckung der Familie Mohn.

Thomas Rabe hat den Gruner + Jahr Verlag zerschlagen / Stefan Finger
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Autoreninfo

Thomas Schuler, geboren 1965, Absolvent der Columbia Journalism School in New York, lebt und arbeitet als freier Journalist in München. Er schreibt unter anderem für den SPIEGEL, die Süddeutsche Zeitung, die Berliner Zeitung und die Neue Zürcher Zeitung. Er ist Autor der Familienbiografien »Die Mohns« (2004) sowie »Strauß« (2006) und des Sachbuchs "Bertelsmannrepublik Deutschland" (2010) über die Bertelsmann Stiftung.

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Thomas Rabe wusste sicher, was auf ihn zukam, als er Mitte März für RTL Bilanz zog und die Zerschlagung des traditionsreichen Zeitschriftenverlags Gruner + Jahr begründete. Aber der Bertelsmann-Chef tat so, als überrasche ihn der Vorwurf, er habe dessen Zahlen schlechtgerechnet. Tags zuvor hatte das Handelsblatt darüber berichtet. Rabe widersprach: „Die Zahlen sind eindeutig und nicht hingerechnet. Ich wüsste nicht, was meine Motivation sein sollte, ein Geschäft von G + J schlechtzureden.“ Ziel der Einsparungen und des Abbaus von 700 der 1900 Arbeitsplätze sei, sichere Arbeitsplätze zu schaffen. Er sprach, als agiere er als verkannter Wohltäter in der Krise.

„Rabenvater“ und „Totengräber“ schimpfen sie ihn bei Gruner + Jahr in Hamburg. Anfang Februar hatte Rabe der Belegschaft erklärt, dass 23 Magazine im Zuge der Fusion mit RTL eingestellt würden. Viele weitere sollen verkauft werden. Nur Stern, Geo, Schöner Wohnen, Brigitte, Gala, Capital und wenige andere will RTL behalten. Während seiner Präsentation ertönten Buhrufe und Trillerpfeifen. Rabe war kurz irritiert, ratterte dann weiter seine Zahlen runter, als halte er sich daran fest.

Mit Intrigen an die Spitze

Im August 1965 kam Thomas Rabe zur Welt, wenige Wochen davor war der Verlag Gruner + Jahr entstanden, der später viele Jahre Milliarden nach Gütersloh fließen ließ und so den Aufstieg des Provinzverlags Bertelsmann zum Weltunternehmen mit ermöglichte. Rabe promovierte in Wirtschaftswissenschaften, arbeitete bei der EU in Brüssel und der Treuhand in Berlin, ab 2000 bei RTL.

Sein Drang an die Spitze von Bertelsmann wäre 2008 beinahe beendet worden. Damals war er seit zwei Jahren Finanzvorstand des Medienkonzerns. Kurz bevor sich dessen neuer Chef Hartmut Ostrowski Führungskräften aus aller Welt vorstellen wollte, überraschte ihn Rabe mit einem nicht abgesprochenen Interview. Er gab seine Pläne für Bertelsmann kund – so als wäre er der Herr im Haus. Enge Mitarbeiter rieten Ostrowski daraufhin, Rabe rauszuwerfen. Doch Ostrowski hielt an ihm fest.

 

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2010, im Jubiläumsjahr von Bertelsmann, bewies Rabe Kreativität in der Buchführung und ließ seinen Chef einen Gewinn verkünden. Doch während der laufenden Pressekonferenz bestätigte er auf Nachfrage einen Verlust. Rabe hatte Bertelsmann Gewinne von RTL zugerechnet, die noch an Minderheitsgesellschafter abgeführt werden mussten, ohne das zunächst deutlich zu machen. Im vertraulichen Vorgespräch mit Rabe hatten Journalisten davon erfahren. Erneut war Ostrowski bloßgestellt. Nach außen schien Rabe loyal, aber Insider erkannten, dass er eiskalt kalkuliert und handelt. In der Folgezeit drohte Rabe mehrfach mit einem Wechsel zur Konkurrenz, bis Ostrowski 2012 entnervt den Vorstandsvorsitz räumte.

Mit sich im Reinen

Entscheidende Grundlagen für die vollständige Übernahme von G + J legte Rabe vor mehr als zehn Jahren. Um die Strategie umzusetzen, musste der damalige Mehrheitsgesellschafter Bertelsmann (75 Prozent) den Minderheitsgesellschafter Jahr (25 Prozent) zu einem möglichst günstigen Verkauf bringen. Dann veräußerte Rabe weniger lukrative Teile mit hohen Gewinnen und andere, die mehr Wachstum versprachen, verleibte er dem Mutterkonzern ein. Am Ende war nur noch ein Rest übrig, den er nun zerschlägt.

2014 zahlten Rabe und Bertelsmann der Familie Jahr 100 Millionen Euro, dazu übernahmen sie für weitere 100 Millionen die Pensionsverpflichtungen der Jahrs. Rechnet man die Gewinne aus Verkäufen von Bertelsmann auf, so haben die Jahrs für ihren Anteil 100 Millionen Euro zu wenig erhalten. Rabe kassierte allein für den Verlagssitz „Am Baumwall“, das Frankreich-Geschäft, die US-Druckereien und die Motor-Presse in Stuttgart schätzungsweise mehr als 600 Millionen Euro. Lukrative Beteiligungen wanderten zu Bertelsmann.

Rabes Vertrag als Bertelsmann-Chef läuft bis 2026, doch nach gescheiterten Fusionen in den USA, den Niederlanden und Frankreich und nun bei RTL und G + J musste er sich fragen lassen, ob die Familie Mohn noch zu ihm halte. Christoph Mohn, Aufsichtsratschef von Bertelsmann, betonte in der Financial Times: Trotz der Rückschläge seien die großen Investitionen in Rabes Amtszeit erfolgreich. „Damit gehören Herr Rabe und seine Vorstandsmitglieder in die Champions League, und ich vertraue darauf, dass diese bewiesenen Fähigkeiten des Vorstands Bertelsmann erfolgreich entwickeln.“ 
Rabe selbst vermeldete im März für RTL und für Bertelsmann jeweils Rekordumsätze und sagte zum Rückhalt der Familie Mohn: „Ich bin mit mir vollkommen im Reinen. Ich spüre umfassende Rückendeckung für alles bei Gruner + Jahr.“

 

Dieser Text stammt aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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