Mallorca-Flüge der TUI in der Kritik - „Fliegen Sie der Ausgangssperre einfach davon!“

Während die Ministerpräsidenten heute über den Osterurlaub im eigenen Land diskutieren, gibt es bei Reisen nach Mallorca keine Beschränkungen. Ausgerechnet der vom Staat gerettete TUI-Konzern bietet sich als „Fluchthelfer“ für vom Lockdown genervte Menschen an.

Die Schlange vor dem Check-In für die Reise nach Mallorca wird länger. / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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„Traumhafte Pauschalreisen nach Mallorca.“ „All Inclusive Verwöhnurlaub buchen.“ „Schonen Sie Ihre Urlaubskasse!“ Bei solchen Angeboten können die ebenso auf Sonne wie Rabatte erpichten Deutschen kaum widerstehen. Das hat der Reisekonzern TUI richtig eingeschätzt: Die Bundesbürger fliegen auf diese Angebote – in Maschinen, die bis zum letzten Platz besetzt sind. 

Rettung naht

Während die Staatskanzleien der Länder heftig mit dem Bundeskanzleramt darüber diskutieren, ob man über Ostern im Freien eine Tasse Kaffee trinken oder in heimischen Landen wenigstens eine Ferienwohnung buchen darf, gibt es bei Reisen nach Mallorca keine Beschränkungen. Dabei wird das Infektionsrisiko nicht automatisch kleiner, wenn man nach Spanien fliegt und mit vielen anderen Deutschen in Hotels zusammenwohnt, auf der Strandpromenade flaniert oder in zeitweise geöffneten Bars und Kneipen Rotwein trinkt. Ob da immer und überall so strikt auf Maske und Abstand geachtet wird, wie es vernünftig wäre, darf bezweifelt werden.

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Dass der TUI-Konzern, der größte Reiseveranstalter der Welt, überhaupt noch fliegt, verdankt er allein dem deutschen Steuerzahler. Vor einem Jahr war TUI das erste Großunternehmen, das der Staat mit einem Darlehen von 1,8 Milliarden Euro vor dem finanziellen Absturz bewahrte. Inzwischen sind insgesamt 4,3 Milliarden Euro an das Unternehmen mit Doppelsitz in Berlin und Hannover geflossen. Von solchen Corona-Hilfen können andere unter der Pandemie leidende Unternehmen und Selbständige nur träumen – nicht nur wegen der Höhe, sondern auch wegen der Schnelligkeit, mit der die Gelder flossen. 

Grotesker geht’s nicht

Die deutschen Steuerzahler haben TUI vor dem Absturz bewahrt; ob der Konzern damit auf Dauer gerettet ist, ist keineswegs sicher. Und was macht das Touristikunternehmen? Es bietet sich als „Fluchthelfer“ für vom Lockdown genervte Menschen an. Man kann es auch anders ausdrücken: Die nur dank staatlicher Hilfe noch flugfähige Airline hilft den Deutschen, den zweifellos unangenehmen und lästigen Folgen des Lockdowns für einige Zeit zu entkommen. 

Grotesker geht’s nicht. Ein dank „Staatsknete“ noch nicht insolventes Unternehmen verdient daran, die Zahl der Kontakte und damit der Infektionsmöglichkeiten zu erhöhen – und unterläuft damit indirekt den Lockdown. Vielleicht kommen die Marketing-Experten von der TUI noch auf die Idee, mit folgendem Slogan zu werben: „Fliegen Sie der Ausgangssperre einfach davon – TUI.“

Richtige Entscheidung?

Nun ist das mit staatlicher Hilfe immer so eine Sache. Wenn der Staat Geld gibt, in diesem Fall in Form von Darlehen, kann er daraus nicht das Recht ableiten, das Unternehmen zu steuern. Das wäre auch nicht zu empfehlen, da die Ministerialbürokratie nicht unbedingt über besondere Managementfähigkeiten verfügt. Da reichen die Stichworte: Masken, Impfen, Testen. Aber es kann ebenfalls nicht im Sinn der Steuerzahler sein, unternehmerische Angebote mitzufinanzieren, die nicht so recht zur staatlichen Pandemiebekämpfung passen wollen.

Ohnehin sind staatliche Hilfen für Unternehmen immer problematisch. Es ist schwer abzuschätzen, ob ein Geschäftsmodell so gut ist, dass sich seine Rettung im volkswirtschaftlichen Interesse lohnt. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hat kürzlich betont, es sei richtig, wichtige und auch für die 
Wirtschaft relevante Unternehmen wie die Lufthansa mit Steuerzahlergeld zu stützen und zu retten.

Kritisches Draufschauen

Nach Ansicht der Wettbewerbsexpertin müsse man sich dagegen bei anderen Firmen fragen, ob sie vielleicht schon vor der Krise in „gewissen Schwierigkeiten“ waren oder ob sie nach der Virus-Pandemie – wegen geänderten Kundenverhaltens – überhaupt zu ihrem alten Geschäftsmodell zurückkehren können. „Insofern muss man bei einem Unternehmen wie TUI vielleicht etwas kritischer draufschauen“, sagt die Ökonomin. Nun ja, zum „kritischen Draufschauen“ liefert TUI mit seiner Mallorca-Offensive weitere gute Gründe.

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