Lamia Messari-Becker im Gespräch mit Daniel Gräber - Cicero Podcast Wirtschaft: „Die Energiewende hat den falschen Fokus gesetzt“

Zu lange hat sich die deutsche Energiewende nur auf die Stromerzeugung konzentriert, sagt Lamia Messari-Becker. Die Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik sieht noch enormen Nachholbedarf beim Bauen und in Bestandsgebäuden. Denn ein Großteil der CO2-Emissionen stamme aus Heizungen.

Lamia Messari-Becker, Foto: SRU
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Im Strombereich „sind wir bei 50 Prozent erneuerbarer Energie“, rechnet Lamia Messari-Becker vor. „Das kann man als Erfolg verbuchen. Im Wärmebereich haben wir gerade 15 Prozent, das ist so gut wie nichts.“ Die Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen beschäftigt sich damit, wie der Bausektor zum Erreichen der Klimaziele beitragen kann. Ihr fehlt in der deutschen Energiepolitik der ganzheitliche Blick.

Die Energiewende hat lange Zeit den falschen Fokus gesetzt“, sagt Messari-Becker im Cicero Podcast Wirtschaft, „nämlich die ausschließliche Strom-Fokussierung.“ Da der Gebäudesektor 30 Prozent der CO2-Emissionen und 40 Prozent des Energieverbrauchs verantwortet, sei dieser Bereich extrem wichtig. „Wir kriegen keine Transformation, auch keine Energiewende, ohne den Bausektor zentral mitzunehmen“, sagt die Bauingenieurin.

Die derzeit in Deutschland geführte Debatte über Klimaschutz hält die Wissenschaftlerin und Nachhaltigkeitsexpertin für zu einseitig. „Man neigt dazu, im Panikmodus vermeintliche einfache Lösungen zu propagieren. Das geht von ‚Verbietet das Auto‘ bis hin zu ‚Verbietet Beton‘, weil es CO2-intensiv ist“, so Messari-Becker. Dabei seien nicht Verbote, sondern technologische Lösungen gefragt.

„Das Nichtheranziehen von ingenieurtechnischen Perspektiven führt dazu, dass wir am Ende falsche Entscheidungen treffen und dass wir so eine beinahe schizophrene Energiepolitik die ganze Zeit hatten“, kritisiert sie. Deutschland müsse jetzt zudem darauf achten, neue Technologien wie die Wärmepumpen-Heizung oder Wasserstoff-Anlagen nicht an Hersteller aus Asien zu verlieren. „Wir müssen tatsächlich in der Zukunft stärker darauf achten, dass die Energiewende auch Jobs hier schafft und nicht nur schafft, sondern auch hier hält.“

Das Gespräch wurde am 24. Januar 2023 aufgezeichnet. 


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