Habecks Chefberater Patrick Graichen - Falsches Mindset

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat den Energiewende-Lobbyisten Patrick Graichen zu seinem wichtigsten Berater gemacht – das rächt sich nun. Je größer die Zweifel werden, ob sich die sichere und bezahlbare Stromversorgung eines Industrielands durch wetterabhängige Erzeugung gewährleisten lässt, umso häufiger blitzt bei Graichen der Hochmut des Glaubenskämpfers auf.

Robert Habeck zusammen mit seinem Chefberater Patrick Graichen auf einer Pressekonferenz / dpa
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Zu Beginn der sich abzeichnenden Gaskrise erntete Robert Habeck viel Lob, auch aus der Industrie. Der Grünen-Politiker, angetreten als Superminister mit ehrgeizigen Klimazielen, wirkte als Krisenmanager pragmatisch, offen und kommunikativ. Doch davon ist nicht mehr viel übrig. Die unglückliche Gasumlage, die schleppende Rückkehr von Kohlekraftwerken, die ausbleibenden Erfolge bei der Suche nach neuen Erdgaslieferanten wecken Zweifel, ob der Wirtschaftsminister seiner Aufgabe gewachsen ist. Hinzu kommt Habecks Weigerung, am Atomtabu seiner Partei zu rütteln und die von maßgeblichen Ökonomen dringend empfohlene Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke anzugehen. In Wirtschaftskreisen fragt man sich, was dahintersteckt: grüne Ideologie oder falsche Berater?

Die Antwort lautet: beides. Habecks wichtigster Mann im Ministerium ist der verbeamtete Staatssekretär Patrick Graichen, Schwager des Parlamentarischen Staatssekretärs und ehemaligen Grünen-­Geschäftsführers Michael Kellner. Graichen ist für die Abteilungen Klimaschutz, Wärme/Wasserstoff und Strom zuständig. Eigentlich holte ihn der Hausherr in sein Ministerium, um eine Jahrhundertaufgabe zu stemmen: den Umbau des deutschen Energiesystems. Weg von Atomstrom, Kohle und später auch Erdgas, hin zu Sonne, Wind und Wasserstoff. Doch jetzt muss er das bestehende Energiesystem retten, um Deutschlands Industrie vor dem Niedergang zu bewahren. Kann das gut gehen? 

Im Herzen ein Glaubenskämpfer

Bevor Graichen Ende 2021 zum Staatssekretär ernannt wurde, war er Chef der einflussreichen und finanziell gut ausgestatteten Lobbyorganisation Agora Energiewende. Die Öko-Denkfabrik liefert Studien und Marschpläne zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Selbst Kritiker, die das Fernziel von 100 Prozent Wind- und Solarstrom für unerreichbar halten, bescheinigen den Agora-Berechnungen Substanz und Qualität. „Die rechnen schon gut, können alles mit Zahlen belegen“, sagt ein Kenner der deutschen Energiewirtschaft. „Nur wenn man genauer hinsieht, stößt man auf Grundannahmen und Randbedingungen, die einfach nicht realistisch sind. Am Ende ist es eben doch eine Glaubensfrage.“

Patrick Graichen, der seine politische Karriere 2001 im Bundesumweltministerium unter Jürgen Trittin begonnen hatte und es dort bis zum Referatsleiter für Klima- und Energiepolitik brachte, hat den Atomausstieg und die deutsche Energiewende-Politik von Anfang an begleitet. Nach außen tritt er sachlich argumentierend auf, wirkt nüchtern und nicht wie ein ideologisierter Ökoaktivist, deshalb wird Graichen ernst genommen. Doch jetzt, wo er beweisen muss, dass die Ideen aus seiner Denkfabrik auch in der Wirklichkeit funktionieren, ändert sich das Bild.

 

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Je größer die Widerstände werden, je lauter die Zweifel daran, ob sich die sichere und bezahlbare Stromversorgung eines Industrielands durch wetterabhängige Erzeugung gewährleisten lässt, umso häufiger blitzt bei Habecks Energie-Staatssekretär der Hochmut des Glaubenskämpfers auf. Daran zeigt sich, was die Ursünde der deutschen Energiepolitik ist und was dem Land jetzt gewaltige wirtschaftliche Probleme bereitet: Den Grünen und der mit ihr eng verflochtenen Erneuerbare-Energien-­Industrie ist es gelungen, die ingenieurmäßige, technische Herausforderung einer funktionierenden Stromversorgung zu emotionalisieren und zu politisieren. Dort die teuflische Atomkraft und die sündhafte Kohle, hier die Erlösung durch Wind und Sonne. Das verhindert nun schnelle und pragmatische Lösungen, um die Stromkostenexplosion zu stoppen. 

Versorgungssicherheit als Hindernis

So war Graichen maßgeblich an der Entstehung eines gemeinsamen „Prüfvermerks“ beteiligt, mit dem das Wirtschafts- und das für Nuklearsicherheit zuständige Umweltministerium die nach Russlands Angriff auf die Ukraine aufgekommene Debatte um eine Verschiebung des Atomausstiegs beenden wollten. Dabei ging es keineswegs um eine ideologiefreie Prüfung der Laufzeitverlängerung, wie es Habeck („keine Denktabus“) angekündigt hatte. Sondern darum, sachlich wirkende Argumente gegen die Weiternutzung der Kernkraft zu finden.

Entlarvend und besorgniserregend ist ein Auftritt Graichens in einem ZDF-Film über die Schattenseiten der Energiewende. Nachdem ein Mitarbeiter des Netzbetreibers Amprion über drohende Stromausfälle spricht, kommt der für Versorgungssicherheit zuständige Staatssekretär zu Wort. Es handle sich um eine „konservative Branche“, sagt Graichen, das „Mindset vieler Menschen in der Netzwelt“ sei „auf der sehr sicherheitsorientierten Seite“. Er meint das als Vorwurf. Denn dieses Mindset steht seinen großen Umbauplänen im Weg.

 

Dieser Text stammt aus der Oktober-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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