Fabio De Masi - Freischaffender Finanzsheriff

Linken-Politiker Fabio De Masi ist nicht mehr im Bundestag, doch seinen Kampf gegen Steuerbetrug will er fortsetzen. Für den neuen Bundeskanzler Olaf Scholz könnte das noch gefährlich werden. Denn der möchte an seine Rolle in zwei Finanzskandalen ungern erinnert werden.

Fabio De Masi / Andreas Chudowski
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Ob der SPD-Kanzlerkandidat wohl erleichtert war, als Fabio De Masi ankündigte, nicht noch einmal für den Bundestag zu kandidieren? Schließlich hat der linke Finanzexperte in der vergangenen Legislaturperiode hartnäckig an der Aufarbeitung zweier Finanzskandale mitgewirkt, in denen Olaf Scholz eine ungeklärte Rolle spielt. Im Finanzausschuss des Bundestags trieb De Masi die Aufklärung der Cum-Ex-Betrügereien voran, als Obmann des Wirecard-Ausschusses ging er dem Versagen deutscher Behörden nach.

Für seine Expertise und seine undogmatische Art fand der 41-Jährige, der stets die gute Zusammenarbeit mit der FDP betonte, parteiübergreifend Anerkennung. Doch Anfang des Jahres kündigte er überraschend seinen Rückzug aus der Bundespolitik an, aus persönlichen Gründen, aber auch, weil er mit seiner Partei hadert. Die Linke trage zu einer Debattenkultur bei, die nichts mit Aufklärung zu tun habe, sondern „Ausdruck eines elitären Wahrheitsanspruchs“ sei, schrieb er in einem offenen Abschiedsbrief.

Die Quittung bei der Wahl

Der Vertraute von Sahra Wagenknecht spielte auf den Dauerstreit zwischen dem traditionell linken Lager, das soziale Fragen in den Fokus rücken will, und den an Einfluss gewinnenden identitätspolitischen Linken an. Dabei müssten sich beide Anliegen nicht ausschließen, sagt De Masi: „Man sollte keine Ressentiments schüren, aber man muss schon so sprechen, dass normale Menschen einen verstehen.“ Die Bundestagswahl brachte die Quittung. Die Linke verfehlte die Fünfprozenthürde, besonders bei Arbeitern verlor sie massiv an Stimmen.

Seine Partei versage darin, die Lebenssituation der Gering- und Normalverdiener zu verbessern, so De Masi. „Eine Linke, die den Kapitalismus kritisiert, sich aber für Wirtschaft nicht interessiert, ist wie ein Kfz-Mechaniker, der den Motor nicht versteht.“ De Masi wurde 1980 in Groß-Gerau als Sohn eines italienischen Gewerkschafters und einer deutschen Sprachlehrerin geboren. Das Politische liegt in der Familie: Sein italienischer Großvater kämpfte als Partisane gegen den Faschismus. In seiner Wahlheimat Hamburg und in Kapstadt studierte De Masi Volkswirtschaft auf Diplom, in Kapstadt absolvierte er einen Master in Internationalen Beziehungen und in Berlin einen weiteren in Internationaler Volkswirtschaft. 2014 zog er für Die Linke in das Europaparlament, 2017 in den Deutschen Bundestag.

Scholz auf der Spur

Seine Hartnäckigkeit brachte Olaf Scholz bald in Erklärungsnot. Denn De Masi stellte kritische Anfragen zur Rolle der Finanzaufsicht Bafin im Wirecard-Skandal, für die Scholz als Bundesfinanzminister verantwortlich war. Der Zahlungsdienstleister Wirecard hatte in großem Stil Bilanzen gefälscht. Obwohl es seit Jahren Hinweise darauf gab, ließen die Wirtschaftsprüfer das aufstrebende Vorzeigeunternehmen Deutschlands gewähren. Noch brisanter ist für den neuen Bundeskanzler der Cum-Ex-Skandal um die Hamburger Privatbank M. M. Warburg. Ab 2007 erzielte sie mit den inzwischen als kriminell verurteilten Aktiendeals Geldsummen im dreistelligen Millionenbereich. Auf eine Rückforderung verzichteten die Hamburger Steuerbehörden. Als damaliger Bürgermeister steht Scholz unter Verdacht, der Bank dabei geholfen zu haben.

Ein persönliches Treffen zwischen Warburg-Chef Christian Olearius und Scholz wurde nachträglich bekannt. De Masi fragte daraufhin im Finanzausschuss, ob es weitere Kontakte gegeben habe. Scholz, so berichtet es De Masi, verneinte. Eine unwahre Aussage, denn wie später herauskam, gab es zwei weitere Treffen und ein Telefonat zwischen dem Bankier und dem Ersten Bürgermeister.

De Masi will weiter aufklären

Finanzskandale sind abstrakt und gehen in der Öffentlichkeit zwischen all den Empörungslappalien unter. De Masis Aufgabe liegt deswegen nicht nur in der Aufklärung, sondern auch in der allgemeinverständlichen Konkretisierung. Für die Cum-Ex-Geschäfte, bei denen sich die Akteure durch Tricks Kapitalertragsteuern mehrfach auszahlen ließen, fand er folgenden Vergleich: „Ich kopiere mir zu Hause einen Pfandbon, gehe direkt an die Supermarktkasse und löse den Bon ein, obwohl ich keine Flaschen abgegeben habe.“

Wird De Masi nun Ruhe geben? Nein, er werde sein Netzwerk nutzen, um sich weiterhin gegen Geldwäsche und für die Regulierung der Finanzmacht der großen Digitalkonzerne einzusetzen – als freischaffender „Finanzsheriff“, wie er sich selbst nennt. In seiner zweiten Wahlheimat Südafrika wird er an der Universität Kapstadt ein Wirecard-Seminar halten, außerdem arbeitet er an Filmprojekten zu Finanzkriminalität und möchte ein Buch schreiben. Olaf Scholz kann noch nicht aufatmen.

 

Dieser Text stammt aus der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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