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Tschechien und Slowakei - Labor für eine Euro-Teilung

Einst lebten Tschechen und Slowaken in einem gemeinsamen Land. Heute stehen sie auf zwei gegenüberliegenden Seiten der Eurokrise. Wie der Euro Europa teilt, kann man an diesen beiden Völkern wie unter dem Brennglas beobachten

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Suchá, Lucie

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Ein Land, ein Volk; das galt bis vor zwanzig Jahren und vier Monaten für Tschechien und die Slowakei. Und eine Währung: die Tschechoslowakische Krone. Auf der 20-Kronen-Note war Johann Amos Comenius zu sehen, auf der 50-Kronen-Note bis 1991 sowjetische Soldaten. Die sind längst abgezogen. Aus dem Land und auch von den Banknoten.

Nach dem Niedergang des Kommunismus teilte sich die Tschechoslowakei. In einem Land zahlt man heute mit Euro, in dem anderen mit tschechischen Kronen. Angesichts der Eurokrise stellt sich nun die Frage: Wer ist den richtigen Weg gegangen?

Für ihre Teilung sind die beiden Republiken in ganz Europa bekannt. „Wieso haben sie sich so freundschaftlich getrennt?“ Das fragt mich jeder zweite Ausländer. „Im ehemaligen Jugoslawien herrschte Krieg, aber sie haben es so friedlich geschafft“. Und dann schließt sich gleich die Frage an, die auch bei einvernehmlichen Ehe-Scheidungen gestellt wird: Möchtet ihr nicht doch wieder zusammen sein?

Viele Tschechen und Slowaken könnten sich das wahrscheinlich vorstellen; den meisten ist es aber egal. Es gibt zwar schon wieder zweisprachige Shows im Fernsehen. Manche Krankenschwester und manche Kellnerin in Prag spricht slowakisch. Studenten an slowakischen Unis lesen auch Fachbücher auf Tschechisch. In diesem Jahr haben zum 20. Jahrestag der Teilung beide Parlamente zusammen getagt.

Politisch jedoch haben sich beide Länder weit auseinanderentwickelt. Die Währung ist ein gutes Beispiel dafür.

Die Slowaken stehen hinter der Euro-Einführung. „Es gibt kein vergleichbares politisches Projekt in der Geschichte des slowakischen Staates, das alle Parteien, Regierung und Opposition derart geschlossen unterstützt haben“, sagt Igor Barát, Wirtschaftsexperte und Vorstandsmitglied der Slowakischen Post Bank. Seit 2009 gehört das Land zur Eurozone, Barát war Beauftragter seines Landes für die Euro-Einführung. Er glaubt an den Euro, bis heute.

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„Damals konnte niemand wissen, dass die Krise kommt. Trotzdem hat der Euro uns mehr gebracht als genommen. Die Slowakei muss zwar für den ESM zahlen, aber das Land bekommt aus der EU viel Geld. Unser größter Handelspartner ist Deutschland. Die gleiche Währung zu haben, führt bei uns zu wirtschaftlicher Stabilität“, erklärt Barát. 

In Tschechien ist die Stimmung ganz anders. Nicht nur der bis vor Kurzem regierende Präsident Vaclav Klaus ist euroskeptisch. Diese Kritik an der Währung ist eine der wenigen Gedanken, die die Mehrheit der Gesellschaft mit ihm teilt. Die gemeinsame Überzeugung lautet: Wir gehen unseren eigenen Weg und wir lassen uns nicht aus Brüssel fremdbestimmen.

Umfragen zufolge glauben immer weniger Tschechen an den Euro. 2001 bevorzugten laut Meinungsforschungsinstitut CVVM 52 Prozent der Tschechen den Euro gegenüber der Krone als Zahlungsmittel. 2012 waren es nur noch 19 Prozent. 76 Prozent lehnen eine Euro-Einführung ab.

„Für die tschechische Wirtschaft, die sich stark von den Ländern der Eurozone unterscheidet, ist eine eigene Währung von Vorteil“, sagt der Chefökonom der tschechischen Investmentbank Patria Finance, David Marek. Der Kurs der Krone sei zuletzt gefallen, diese Abwertung stelle für die tschechische Wirtschaft ein Ventil da. Mit dem Euro gäbe es dieses nicht mehr. Es bestünde die Gefahr, dass die Löhne entwertet werden und die Arbeitslosenquote steigt.

„Auch wenn wir in der Slowakei die Möglichkeit hätten, die eigene Währung abzuwerten, würde es uns nicht helfen. Zwar würde der Export profitieren, aber gleichzeitig würden sich die Importe verteuern“, entgegnet Igor Barát.

Aber beim Euro geht es in dem kleinen Staat nicht nur um die Wirtschaft. Es geht auch um das Selbstwertgefühl der Menschen. Bis 2009 hätten die Slowaken in Europa im Abseits gestanden. „Wir waren schwarze Schafe, die in viele Entscheidungen nicht eingebunden waren. Das hat der Euro verändert. Der Eintritt in die Eurozone hat unseren Nationalstolz gestärkt“, sagt Barák.

In Tschechien ist das anders. Dort sind zwei Drittel der Einwohner wenig begeistert darüber, dass ihr Land Mitglied der Europäischen Union ist. Somit hat wohl auch der Euro in Tschechien keine Chance.

Oder doch?

Schon einmal in der jüngeren Geschichte des Landes wurde eine historische Entscheidung gefällt, mit der die Menschen nicht ganz einverstanden waren: Die Teilung der Tschechoslowakei.

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