EU-Pläne für den Gebäudesektor - Alles kann, nichts muss

Sanierungspflicht und Wärmepumpen-Zwang durch die Hintertür: Während die Ampel noch mit dem neuen Gebäudeenergiegesetz ringt, zieht in Brüssel schon das nächste Unwetter auf. Was plant die EU-Kommission im Gebäudesektor?

Welche Pläne hat Ursula von der Leyen für den Gebäudesektor? / dpa
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Lukas Koperek ist Journalist und lebt in Mannheim und Berlin.

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Über drei Monate sind vergangen, seit der umstrittene Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz des Bundeswirtschaftsministeriums erstmals an die Öffentlichkeit gelangt ist, und die Debatte hat sich seitdem nur noch verschärft. Massive Kritik von Energie- und Bauexperten sowie von Mitgliedern des Bundesrats, der Teilverkauf des Heizungsherstellers Viessmann und nicht zuletzt der anhaltende Streit innerhalb der Regierungskoalition haben das Vorhaben Robert Habecks, ab 2024 praktisch nur noch Wärmepumpen zum Neueinbau zuzulassen, ins Wanken gebracht. Der FDP, die das Heizungsgesetz in seiner jetzigen Form blockiert, wirft der Wirtschaftsminister Wortbruch vor; erste Mutmaßung werden laut, die Ampel könnte am Heizungsstreit zerbrechen. Und während in Berlin noch die Colts rauchen, scheint sich in Brüssel schon das nächste Unwetter zusammenzubrauen.

„EU plant härteren Heiz-Hammer als Habeck“, überschreibt die Bild-Zeitung einen Artikel vom vergangenen Mittwoch (7. Juni) und zitiert dazu den Fraktionsvorsitzenden der FDP im Bundestag, Christian Dürr: „Das, was da aus Brüssel kommen soll, halte ich für einen Skandal! Frau von der Leyen würde damit alles torpedieren, worum wir uns hier in Deutschland bemühen.“

Was ist dran an der Aufregung?

Konkret geht es um die „Neufassung der Durchführungsverordnung zu EU-Öko-Design-Richtlinie“. Laut dem geleakten Entwurf, auf den sich die Bild bezieht, sollen ab 2029 – also immerhin fünf Jahre später als das geplante Heizungsgesetz in Deutschland – in EU-Ländern nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die einem Effizienzgrad von 115 Prozent entsprechen, heißt: Aus einer Kilowattstunde Energie müssen 1,15 Kilowattstunden Wärme entstehen. Dies wird von Dürr und anderen als eine Wärmepumpen-Pflicht durch die Hintertür kritisiert, da Wärmepumpen, die aus einer Kilowattstunde Energie theoretisch bis zu fünf Kilowattstunden Wärme erzeugen können, diese Vorgabe derzeit als einziger Heizungstyp erfüllen könnten.

In dieser Hinsicht ähnelt der Verordnungsentwurf der EU dem neuen Gebäudeenergiegesetz. Letzteres schreibt zwar keinen Effizienzgrad vor, sondern soll den Einbau neuer Heizungen verbieten, die nicht mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien laufen. Doch praktisch läuft es auf das Gleiche hinaus: Da nur Wärmepumpen in der Lage sind, die Vorgabe zu erfüllen, erweist sich die vielbeschworene Technologieoffenheit als Papiertiger.

Durchaus nachvollziehbar ist daher Christian Dürrs Kritik an dem Vorhaben der EU-Kommission. Immerhin kämpft seine Fraktion derzeit verbissen für eine Abschwächung des Gebäudeenergiegesetzes – für mehr Technologieoffenheit und eine Verschiebung des Starttermins nach hinten, um nur zwei Reibungspunkte zu nennen. Sollte die Verordnung der EU-Kommission in der jetzigen Form erlassen werden, würde dies jede Bemühung um ein neues Gebäudeenergiegesetz auf Bundesebene zur Makulatur machen.

Noch ist der „EU-Heiz-Hammer“ nicht beschlossen

Dass es so kommt, ist jedoch alles andere als beschlossene Sache. Noch handelt es sich beim „EU-Heiz-Hammer“ nicht um einen fertigen Gesetzesvorschlag, sondern nur um einen geleakten Entwurf. Falls die EU-Kommission irgendwann einen fertigen Vorschlag präsentiert, könnten EU-Mitgliedstaaten das Gesetz zudem mit einer Mehrheit stoppen. Die Frage, wie die Bundesregierung einem solchen Vorstoß begegnen würde, bringt allerdings erhebliches Spaltungspotential mit sich. Es ist anzunehmen, dass sich die Lager, die gerade über dem deutschen Heizungsgesetz im Clinch liegen, auch darin nicht einig wären.

 

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Die Gefahr birgt auch der zweite Konflikt, der gerade am europäischen Horizont aufzieht: eine geplante Sanierungspflicht für Bestandsgebäude in EU-Ländern, die über neue Mindeststandards für die Energieeffizienz von Häusern beschlossen werden könnte.

Bereits 2021 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Überarbeitung der „Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ vorgelegt und damit das Gesetzgebungsverfahren gestartet. Am 14. März dieses Jahres einigte sich das EU-Parlament auf eine abgeänderte Fassung der Richtlinie, die nun mit den EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Rat verhandelt werden muss.

Die Richtlinie sieht vor, dass die Gebäude in der gesamten EU noch bis 2025 in Energieeffizienzklassen von A bis G eingeteilt werden. Die Einteilung erfolgt dabei auf Länderebene: In Energieeffizienzklasse G sollen immer die energetisch schlechtesten 15 Prozent des jeweiligen Landes fallen. In Klasse A fallen dagegen nur sogenannte Nullemissionsgebäude, die sich durch höchste Energieeffizienz durch gute Dämmeigenschaften ausweisen und einen bestimmten Teil ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen. Die übrigen Gebäude eines Landes fallen nach der Berechnung der Gesamtenergieeffizienz zu gleichen Anteilen in die Klassen B bis F. Eine Sanierungspflicht für die Gebäude mit der niedrigsten Effizienz sieht vor, dass Häuser in den Klassen F und G bis 2030 mindestens auf die Klasse E gebracht werden müssen. Ab 2033 sollen Wohngebäude mindestens die Klasse D aufweisen.

Andere Länder, andere Standards

Auf Kritik stoßen derzeit die unterschiedlichen Standards, die sich aus der länderspezifischen Einteilung der Gebäude ergeben. Da die Einteilung in Energieeffizienzklassen pro Land erfolgt, nicht auf gesamteuropäischer Ebene, und sich die Energieeffizienz der Häuser im Länderdurchschnitt teilweise stark unterscheidet, würden die Klassen in den verschiedenen Ländern auch verschiedene Standards bezeichnen. Zudem existiert keine standardisierte Berechnungsweise für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Stattdessen gibt die Richtlinie nur einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Länder flexibel agieren können. Kritiker bemängeln, dass hierdurch ungerechte Doppelmaßstäbe entstehen und Hauseigentümer in den verschiedenen Ländern nach EU-Recht unterschiedlich streng in die Pflicht genommen werden könnten.

Allerdings handelt es sich auch bei dieser Richtlinie erst um einen Entwurf und noch keinesfalls um einen endgültig beschlossenen Rechtstext. Wann es zu einer Einigung mit dem Rat kommen wird, bleibt abzuwarten. Bis dahin gilt bei der Frage, welche EU-Vorschriften auf Hauseigentümer zukommen: Alles kann, nichts muss.

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