ADAC-Interview zum Tankrabatt - „Die Verbraucher zahlen die Zeche für die Mineralölkonzerne“

3,51 Milliarden Euro lässt sich die Bundesregierung den Tankrabatt kosten. Die viel kritisierte Maßnahme zur Entlastung der Verbraucher ist seit dem 1. Juni in Kraft, von signifikant gesunkenen Preisen an der Zapfsäule kann jedoch kaum die Rede sein. Warum bleibt der gewünschte Effekt aus, wo die Ölkonzerne doch laut ifo-Institut die Steuererleichterung fast gänzlich an die Verbraucher weitergeben? Andreas Hölzel vom ADAC meint: „Die Spritpreise wurden im Vorfeld der Steuersenkung massiv angehoben.“

So teuer wie nie: Die aktuellen Kraftstoffpreise in Deutschland / dpa
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Sophia Martus hat Soziologie studiert und absolviert derzeit ein Redaktionspraktikum bei Cicero.

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Andreas Hölzel ist Unternehmenssprecher für den Allgemeinen Deutschen Automobilclub e.V. (ADAC). 

Herr Hölzel, der Tankrabatt ist offensichtlich ein mittleres Fiasko, von signifikant gesunkenen Preisen an der Zapfsäule kann kaum die Rede sein. War bereits die Idee schlecht, oder liegt der Fehler in der Umsetzung?

Der zugrundeliegende Gedanke, Autofahrerinnen und Autofahrer zu entlasten, war richtig. Die Steuer ist tatsächlich gesenkt worden. Allerdings haben die Mineralölkonzerne die Kraftstoffpreise schon vor der Steuersenkung massiv angehoben. Zudem wurde die Steuersenkung nicht ganz weitergegeben, so dass wir heute dieses deutlich überhöhte Preisniveau an den Zapfsäulen sehen.

Profitiert tatsächlich jemand von den Steuersenkungen? Im Vorfeld gab es etwa die Kritik, dass der Tankrabatt ausschließlich Besserverdienenden zu Gute käme, die Entlastungen daher nicht zielgerichtet seien.

Es war die Entscheidung der Politik, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Ein Weg ist der Tankrabatt, ein weiterer ist das 9-Euro Ticket. Beide Maßnahmen gehen grundsätzlich in die richtige Richtung. Leider kommt der Tankrabatt nicht im gewünschten Umfang bei den Verbrauchern an.

Auch klimapolitisch und im Hinblick auf die Abhängigkeit von Russland setze man so die falschen Anreize. Gibt es erste Zahlen, etwa zum Fahrverhalten?

Die Abhängigkeit vom russischen Rohöl wurde bereits reduziert. Bezog Deutschland zu Kriegsbeginn noch 35 Prozent seiner Rohölimporte von Russland, waren es wenige Wochen später nur noch 12 Prozent. Darüber hinaus muss man schon die Sorgen und Nöte derjenigen im Auge behalten, die zwingend auf das Auto angewiesen sind, etwa weil sie auf dem Land leben und über keinen gut ausgebauten ÖPNV verfügen. Das Auto ist und bleibt für viele existenziell notwendig und es muss bezahlbar bleiben.

 

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Bremst der Tankrabatt Ihrer Einschätzung nach den Umstieg auf alternative Mobilitätskonzepte?

Der Tankrabatt ist auf drei Monate angelegt, eine derart kurzfristige Maßnahme dürfte langfristige Trends nicht verändern.

Berechnungen des ifo- Instituts zeigen heute, dass Konzerne die Steuersenkungen zum Großteil an die Konsumenten weiter gegeben haben. Auf den Liter gerechnet zu einem Anteil von  85 Prozent bei Benzin, bei Diesel sogar zu 100 Prozent. Liegt es an Marktentwicklung, dass die Benzinpreise nicht spürbar sinken, oder was ist hier der Grund?

Der ADAC verfolgt und analysiert die Preisentwicklung an den Zapfsäulen seit Jahrzehnten. Die Spritpreise wurden im Vorfeld der Steuersenkung massiv angehoben und am überhöhten Preisniveau hat auch der Tankrabatt nichts geändert. Die Preise sind um mehr als 20 Cent je Liter zu hoch, die Verbraucher zahlen die Zeche für die Preispolitik der Mineralölkonzerne.

Sind Vorwürfe, die Mineralölkonzerne würden die Steuererleichterung nicht weitergeben, demnach ganz unbegründet?

Es sah am ersten Tag des Tankrabatts danach aus, als ob die Steuersenkung zum Großteil beim Verbraucher ankäme. Allerdings ist der Rabatt peu à peu weggeschmolzen. Damit ist Tanken nochmal deutlich teurer geworden.

Wie erklärt sich der Unterschied zwischen Diesel und Benzin?

Seit 1. Juni liegen die Energiesteuersätze für Benzin und Diesel nahe beieinander, während es bis Ende Mai eine steuerliche Differenz von gut 20 Cent gab

Wie hängen Tankrabatt und Inflation zusammen?

Die derzeitige Inflationsrate wird zu einem Großteil durch die Höhe der Energiepreise bestimmt.

Was erwarten Sie von der Reform des Kartellrechts, die Robert Habeck jetzt angekündigt hat?

Das Kartellamt und seine Handlungsspielräume spielen für die Entwicklung und Bewertung der Kraftstoffpreise eine große Rolle. Bislang wurden die Maßnahmen zur Reform des Kartellrechts nicht näher konkretisiert. Sofern mehr Transparenz auf dem Kraftstoffmarkt dabei herauskommt und die Marktmacht der Konzerne begrenzt wird, ist dies ein gutes Ergebnis.

Die Fragen stellte Sophia Martus.

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