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Putins Kronprinz

Der Präsident hat gesprochen. Wladimir Putin schickt Dmitri Medwedew ins Rennen um seine Nachfolge.

Wladimir Putin verlässt die politische Bühne – zumindest als Präsident. Sein Nachfolger wird höchstwahrscheinlich Dmitri Medwedew, sein langjähriger Stabschef. Der knapp 42-Jährige wurde am 10.Dezember von der Kremlpartei Geeintes Russland sowie drei weiteren kremlnahen Parteien als Spitzenkandidat für die Präsidentschaftswahlen am 2.März nominiert. Medwedew braucht keinen ernsthaften Gegner zu fürchten. Putin hat sich persönlich für ihn ausgesprochen – das ist mehr als die halbe Miete für den Sieg. Medwedews Biografie wirkt auf den ersten Blick recht farblos. Außer der Präsidialadministration hat er niemals eine Region oder ein Ministerium geleitet. Der junge Dmitri wuchs als Einzelkind, wohlbehütet im Bildungsmilieu des ehemaligen Leningrad auf. Er war noch nicht volljährig, als Sowjetführer Leonid Breschnew starb und mit ihm die letzte kommunistische Epoche zu Grabe getragen wurde. Die Politik der Perestroika, die Michail Gorbatschow 1985 einleitete, erlebte Medwedew als Jurastudent. Er schien sich für die neuen liberalen politischen Wehen nicht sonderlich zu interessieren. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion versuchte er sich zeitweilig als Unternehmer, gründete mit Kommilitonen eine der ersten Mittelstandsfirmen in Sankt Petersburg. Gleichzeitig heuerte er als Rechtsberater bei der Stadtverwaltung an. Einige Jahre beriet er dort den Stellvertretenden Oberbürgermeister der Stadt – Wladimir Putin. Putin legte großen Wert auf Medwedews Ratschläge. In Sankt Petersburg musste die Marktwirtschaft praktisch aus dem Boden gestampft, Privateigentum legalisiert, Firmengründungen unterstützt, die ausufernde Wirtschaftskriminalität bekämpft und der Außenhandel mit dem westlichen Ausland gestaltet werden. Medwedew war aber nicht nur als Putin-Berater, sondern auch in der Verfolgung eigener kommerzieller Interessen durchaus erfolgreich. Nach dem Weggang Putins aus der Stadtadministration wurde Medwedew einer der führenden Holzfabrikanten von Sankt Petersburg. Nach dem überraschenden Aufstieg Putins zum neuen Präsidenten in der Silvesternacht 1999 fand sich der in der damaligen Herrschaftshierarchie völlig unbekannte Medwedew plötzlich als stellvertretender Leiter der Präsidialadministration im Kreml wieder. Kurze Zeit später hievte ihn sein Gönner Putin auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden des Gasmonopolisten Gasprom – als seinen persönlichen Aufpasser. In Putins zweiter Amtszeit stieg Medwedew zum mächtigen Leiter der Präsidialadministration auf. Dort fiel er, inimitten der ihn umringenden Geheimdienstleute, mit wirtschaftsliberalen Ansichten auf. Medwedew war der einzige Kremlpolitiker, der es gewagt hatte, die Zerschlagung des Ölkonzerns Jukos öffentlich zu kritisieren. In den Folgejahren verwickelte sich Medwedew immer tiefer in einen erbitterten Machtkampf mit der Geheimdienstlobby im Kreml, den Silowiki. Als Putin im September 2005 Medwedew aus dem Kreml entfernte und zum Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannte, dachten einige Beobachter schon, der sympathisch wirkende Apparatschik wäre im Machtkampf dem Führer der Silowiki, Igor Setschin, erlegen. Doch dem war nicht so. Tatsächlich begann zu diesem Zeitpunkt schon der Aufstieg Medwedews zum Kronprinzen Putins. Er erhielt die auf der ersten Blick populistisch wirkende Aufgabe, in Russland den Sozialstaat aufzubauen. Medwedews Ansehnen stieg in der Bevölkerung. Der Präsident schien sich für Medwedew als Nachfolger schon entschieden zu haben, wollte wohl seine Tauglichkeit und sein Nervenkostüm jedoch ein weiteres Mal testen. Im Februar 2007 ernannte Putin mit Verteidigungsminister Sergej Iwanow plötzlich einen zweiten Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten. Nun musste Mewedew beweisen, dass er gegen dieses Schwergewicht zu bestehen wusste. Und im September schickte der Präsident mit dem neu ernannten Regierungschef Viktor Subkow gar ein drittes Pferd ins Rennen. Noch vor wenigen Tagen schien es, als ob Putin sich für keinen der drei Kandidaten entscheiden wollte und mit der Variante liebäugelte, unter Manipulation der Verfassung selbst noch einmal anzutreten. Nachdem die internen Machtkämpfe im Kremlapparat aber so heftig wurden, dass sie die Stabilität des Staatsgefüges zu bedrohen begannen, musste Putin handeln. In den nächsten Wochen soll Medwedew Schritt für Schritt inthronisiert, dabei auch in die neu entstehenden Kontrollstrukturen eingebunden werden. Allerdings ist auch eins klar: Putin wird nicht zulassen, dass sein engster Vertrauter dieselbe Machtfülle erhalten wird wie einst er. Der noch amtierende Präsident wird sich die Möglichkeit nicht nehmen lassen, auf die Politik des nachfolgenden Kremlchefs einzuwirken. Eine Marionette Putins wird Medwedew aber dennoch nicht werden. Für den Westen ist Medwedews Berufung ein gute Nachricht. Der neue Putin kommt nicht aus der Riege der Geheimdienste, hat sich in seiner politischen Laufbahn klar zu marktwirtschaftlichen Prinzipien bekannt, möchte die Inte­gration Russlands in die Weltwirtschaft fortsetzen und dürfte in seiner Außenpolitik versuchen, sich mit dem Westen, nach den vergangenen Jahren erbitterten Streits, wieder zu versöhnen. Der Ukraine hat Medwedew schon Entgegenkommen im Gasstreit signalisiert. Wer weiß, vielleicht wird Medwedew sogar den im Arbeitslager sitzenden Oligarchen Michail Chodorkowski amnestieren? Alexander Rahr ist Programmdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Von ihm erschien „Wladimir Putin. Der ‚Deutsche‘ im Kreml“ (Universitas)

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