Kulturkampf in den USA - Dylan Mulvaney und die empörten Biertrinker 

Der Bierkonzern Anheuser-Busch ließ eine Dose „Bud Light“ mit dem Gesicht des transsexuellen Performancekünstlers Dylan Mulvaney anfertigen. Daraufhin brach der Umsatz des Bieres dramatisch ein - wie so vieles, spaltet auch dieser Vorfall Amerika entlang der üblichen Kampflinien.

Transsexueller Performancekünstler Dylan Mulvaney: Symbolfigur für das gespaltene Amerika / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Bevor Dylan Mulvaney zu einer Symbolfigur für das tief gespaltene Amerika wurde, war er ein arbeitsloser, homosexueller Broadwayschauspieler aus Kalifornien in seinen Mittzwanzigern, der kein Engagement mehr bekam, als das Broadway-Musical „The Book of Mormon“ der Coronakrise wegen abgesetzt wurde. Dann entdeckte er, dass er auch mit Social Media gut über die Runden kam. Er legte eine Serie bei TikTok auf, dem bei Teenagern beliebten Minivideo-Service, wo er seine jahrelange Transition zu einem Mädchen beschrieb, mit dem Titel „365 Days of Girlhood“. 

Er filmte sich, wie er Mädchenkleider anzog, sich schminkte, sich die Haare stylen ließ, sich albern benahm und zuletzt auch Schönheitsoperationen über sich ergehen ließ, die vielleicht, vielleicht aber auch nicht echt waren. Zehn Millionen Follower soll ihm das eingebracht haben. Zwar geriert er sich auf seine Webseite, die hauptsächlich dem Verkauf von T-Shirts dient, als Audrey-Hepburn-Klon in Pinkface, aber auf den Paraparazzifotos sieht er immer noch aus wie ein Mann mit Bartschatten. Und mit Photoshop lässt sich ja auch eine Menge machen. 

Dabei traf Mulvaney auch auf US-Präsident Joe Biden im amerikanischen TV-Sender NBC und erregte sich darüber, dass Republikaner in vielen Staaten Geschlechtsoperationen an Minderjährigen verbieten wollen. Das sei „unmoralisch“. Das brachte ihm zwar Ärger mit Amerikas berühmtester Transfrau Caitlin Jenner ein, aber auch ein paar Werbeverträge, etwa mit Nike, für die der komplett brustlose Schauspieler einen Sport-BH für Frauen anzieht, und mit dem Kosmetikhersteller Maybelline. 

Umsatz von Bud Light brach dramatisch ein

Aber richtig krachte es erst, als der belgisch-amerikanische Bierriese Anheuser-Busch dem Performancekünstler eine Dose „Bud Light“ schickte, mit dessen Antlitz. Das nutzte Mulvaney, klar, gleich wieder zu Selbstwerbezwecken auf TikTok und Instagram. Es stellte sich zügig heraus, dass biertrinkende Männer weniger leidensfähig sind als sporttreibende Frauen. Der Umsatz von Bud Light brach dramatischer ein als der deutsche Schlager im ESC. Zwölf Prozent verlor der Bierriese in nur einer Woche, die Marke Bud Light, das bestverkaufte Bier in Amerika, fast doppelt so viel. Das Mulvaney-Disaster wurde zum Warnschuss für alle, die glaubten, mit woker Werbung garantiert Geld verdienen zu können

Die Werbeverantwortlichen bei Budweiser waren fest davon überzeugt, mit buntgeschminkten Queerpersonen, die einen leichten Hau zur Schau stellen, mehr Ware verkaufen zu können. Sie wollen Inklusivität stellen, die sich auch auf Transfrauen bezieht. Auf Hohn und Ärger waren sie nicht vorbereitet. Eine „Fake-Frau, die für ein Fake-Bier wirbt“, war noch der harmloseste Spruch (das alkoholarme Bud Light ist für den amerikanischen Markt konzipiert). Der Musiker Kid Rock besorgte sich ein paar Kisten Bud, um darauf zu schießen, weinend übrigens. Travis Tritt, ebenfalls ein amerikanischer Musiker, drohte, Budweiser zu boykottieren, während sich die queere und die liberale Presse für Mulvaney in die Bresche warf. 

 

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Auch der Radioschocker Howard Stern mischte sich ein, der Rock und Tritt „Transphobie“ vorwarf. Dass Donald Trump die Chance nutzte, sich zu Wort zu melden, war klar. „Money talks“, textete er. Aber auch die transfreundliche woke amerikanische Linke will ihr Geld sprechen lassen. Schwule Kneipen drohten mit Boykott, falls sich Anheuser-Busch nicht dezidiert hinter Mulvaney stellen sollte, und die Schwulenzeitung The Advocate rief zu einem Budweiser-Boykott auf. Und der britische Comedy-Darsteller John Oliver riet Budweiser: „Wenn frömmelnde Eiferer laut erklären, dass sie dein Bier nicht mehr trinken, das ist eine Gelegenheit zu sagen: Unser Bier ist nicht für euch.“ Andererseits meinte Oliver auch, Bud Light schmecke wie das Ejakulat der Märchenfigur Jolly Green Giant oder auch wie Katzenurin; also, für wen ist es dann? Für die schwule Kundschaft wohl kaum. 

Vermutlich sind nun auch die Verantwortlichen bei Nike und Maybelline nervös. Es gibt bereits Aufrufe, den Nike-BH, den Mulvaney bewirbt, öffentlich zu verbrennen, zumal Nike weibliche Werbeträger mies behandelt – so weigerte sich die Firma, mehrere Sportlerinnen während ihrer Schwangerschaft weiterzubezahlen. 

Bei Budweiser zog die Geschäftsleitung zügig die Reißleine, nachdem sie begriffen hatte, dass man mitten im führenden amerikanischen Kulturkampf gelandet war. Die verantwortlichen Werbechefs transitionierten in die unbefristete Freistellung, während sich Chefs von Bud Light händeringend an Biertrinker wandten, und versicherten, man wolle Menschen zusammenbringen und nicht spalten (oder ideologisch beschulen). Künftig wolle man sich darauf konzentrieren, Bier und Sport zu bewerben. 

Mulvaney spaltet ganz Amerika

Wie so vieles, spaltet auch Bud versus Mulvaney ganz Amerika entlang der üblichen Kampflinien, wo die eine Fraktion einen Angriff einer durchgeknallten, besserwisserischen woken Blase auf den Gewohnheiten der Arbeiterklasse sieht, die anderen halten Mulvaney nicht nur für eine Frau, sondern auch für ein Symbol für Transrechte und einer fortschrittlichen Lebensweise, die es zu beschützen gilt. Und das zieht immer noch Kreise. So wurde die New Yorker Stand-up-Künstlerin Chrissie Mayr in Dallas, Texas beschimpft, weil sie sich darüber lustig gemacht hatte, dass Mulvaney auch nach einem Jahr öffentlicher „Girlhood“ immer noch keine Titten habe. 

Wo Mulvaney selbst steht, ist nicht so ganz klar. Zwischendurch identifizierte er sich zwar als sechsjähriges Mädchen oder auch als Puppe, und es kursieren Bilder von ihm, wo er als Rosa Parks posiert, die Ikone der Bürgerrechtsbewegung (obwohl diese Bilder vermutlich von Kritikern gefakt wurden.). Aber er kann auch Zähne zeigen, und die Empörung der Biertrinker stachelt ihn noch an. Er habe gehört, dass ihn einige in Social-Media-Kommentaren immer noch „ihn“ oder einen „Mann“ nennen, verkündete er kürzlich auf Twitter. „Ich habe das Gefühl, so etwas sollte illegal sein.“ Während das in Deutschland durchaus noch passieren kann, steht dem in Amerika aber die in der Verfassung verankerte Meinungsfreiheit entgegen. 

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