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() Wer steckt hinter diesem Schild?
Zeitungsfürst von der Hüllsburg

Wem gehört die Süddeutsche Zeitung?

Ein Verleger, der nicht in der Öffentlichkeit auftaucht und sich nicht über sein Unternehmen äußert – ist das statthaft? Wenn dieser Verleger sich an der wichtigsten Tageszeitung der Republik beteiligt – sollte er sich zu seinen Absichten erklären? Und ganz prinzipiell: Darf schweigen, wer sein Geld mit der Recherche und Verbreitung von Informationen verdient? Es ist nicht bekannt, ob sich Dieter Schaub und seine Söhne Thomas und Michael diese Fragen stellen. Die Familie Schaub aus dem pfälzischen Neustadt an der Weinstraße, die eine Mehrheit an der Ludwigshafener Medien Union GmbH (unter anderem Rheinpfalz, Freie Presse Chemnitz) hält, gehört über eine Beteiligung an einer Stuttgarter Zeitungsholding mit dem Kürzel SWMH ab Ende Februar zu den neuen Mehrheitsgesellschaftern der Süddeutschen Zeitung. Als der Süddeutsche Verlag vor wenigen Jahren tief in die roten Zahlen geriet, stieg die SWMH bereits mit knapp 20 Prozent ein. Mit neuem Management und frischem Kapital gelang der Turnaround. Heute fährt der Verlag wieder einen Profit ein. Und dennoch ist das Misstrauen gegenüber den neuen Mehrheitseigentümern inner- und außerhalb des Verlags groß. Der Glaube daran, dass die SWMH ein Leitmedium wie die Süddeutsche Zeitung in die Zukunft führen kann, ist nur gering ausgeprägt. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: die Verschwiegenheit der SWMH-Gesellschafter und die Überheblichkeit, mit der politische und kulturelle Meinungsführer deutsche Regionalzeitungen insgeheim betrachten. Aber der Reihe nach: Die Strippenzieher hinter der SWMH sind Eberhard Ebner, der Verleger der Südwest Presse in Ulm, sowie Vater und Söhne Schaub. Der 70-jährige Dieter Schaub, der vor drei Jahren vom Manager Magazin auf 1,1 Milliarden Euro taxiert wurde, hat sich bereits Mitte der neunziger Jahre aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und die Führung des Verlags seinen Söhnen übertragen. Das Munzinger-Archiv, eine der maßgeblichen Datenbanken für Persönlichkeiten, führt keinen Vertreter der Familie. Aktuelle Fotos gibt es nicht. Zu den in Medienberichten beinahe zwanghaft wiederholten Zitaten gehört der Satz eines Mitarbeiters, der aus den achtziger Jahren stammen soll: „Schon seit Jahren leben wir in einem Informationszölibat, mit dem wir gut gefahren sind.“ Ein Beobachter, der den Verlag gut kennt, namentlich aber nicht genannt werden möchte, bemüht sich um eine Entmythologisierung: An den Schaubs sei rein gar nichts Geheimnisvolles. Die konservativ-liberale Familie habe nichts zu verbergen, sondern scheue einfach aus Gewohnheit das Licht der Öffentlichkeit. Die Fakten: Am 29.September 1945 erschien erstmals die Rheinpfalz. Zu den fünf Gründern zählte Josef Schaub. 1947 wurde die Medien Union gegründet, an der die Familie heute 50,7 Prozent der Anteile hält. Bereits 1964 überließ Josef seinem damals 26-jährigen Sohn Dieter die Führung der Geschäfte. Der kaufte sich 1969 bei der Stuttgarter Zeitung ein. Eine Übernahme des Mannheimer Morgen misslang. Ein Coup gelang dem damaligen MedienUnion-Geschäftsführer Jürgen Richter kurz nach dem Mauerfall, als er für 200 Millionen Mark die Chemnitzer Freie Presse kaufte. Die Schaubs waren damit die ersten westdeutschen Verleger einer ehemaligen SED-Zeitung. Auch wenn die Fliegerei zu den Hobbys von Thomas Schaub zählt: Glamouröses Verlegertum geht von den Schaubs nicht aus. Man pflegt keinen Champagner auf Empfängen zu schlürfen, und man schwingt keine großen Reden. Und damit zum zweiten Grund für das fehlende Vertrauen in die SWMH: Der Typus des Regionalzeitungsverlegers ist für deutsche Intellektuelle schlicht ein Graus. Mit Zeitungen, die in Ludwigshafen, Chemnitz oder Oberndorf im Schwarzwald erscheinen, mag der gehobene Bildungsbürger nicht in Verbindung gebracht werden. Freilich finden sich in den wenigsten Regionalzeitungen Essays von Habermas oder Leitartikel vom Schlage eines Heribert Prantl. Und zweifelsohne gibt es Regionalverleger im Land, die durch eine anhaltende Kostenreduktion die Qualität ihrer Zeitungen dramatisch nach unten geschraubt haben. Und doch: Die Lokal- und Regionalzeitung ist noch immer eine der Grundlagen einer funktionierenden Informations-Demokratie, Internet hin oder her. In Deutschland gibt es rund 330 lokale und regionale Tageszeitungen mit einer Auflage von 14,5 Millionen Exem­plaren und nur zehn überregionale Blätter mit einer Auflage von 1,6 Millionen. In Zeiten, in denen Großverlage wie Axel Springer, Burda, Gruner+Jahr oder Holtzbrinck sich schrittweise aus dem Zeitungsgeschäft zurückziehen und mit Macht ins Internet stürzen, wo sie lieber in soziale Netzwerke oder Reiseportale investieren als Geld für publizistische Innovationen auszugeben, und in denen Finanzinvestoren auf lange Sicht die eigentlichen Totengräber der Branche sind, stehen Regionalverlage nach wie vor für das Kerngeschäft: die Verbreitung der gedruckten Zeitung. Das kann so schlecht für die Süddeutsche nicht sein. Ihre Besitzer dürfen weiter schweigen. Christian Meier ist Medienjournalist und Kolumnist der Welt am Sonntag. Er lebt in Berlin (Foto: Picture Alliance)

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