Twitter heißt jetzt „X“ - Vorwärts ist eine gute Richtung

Mit der Umbenennung von Twitter zu „X“ stößt Elon Musk die bisher größte Veränderung beim Kurznachrichtendienst an. Gefragt wird nun: Warum eine bekannte Marke umbenennen? Bei Twitter gibt es dafür gleich mehrere gute Gründe.

Screenshot eines kurzen Teaser-Videos zum Twitter-Re-Branding / Autor
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Für die taz ist Elon Musk ein „rechter Ultrareicher“, der „derzeit aus einem ohnehin nur mittelmäßigen Medium ein unbenutzbares Chaos“ macht. Ich sehe das ein wenig anders. Abgesehen davon, dass Musk eher kein Rechter im republikanischen Sinne ist, sondern, wenn überhaupt, eher ein Libertärer, was in vermeintlich progressiven Kreisen – in denen man spätestens seit Corona ganz heiß auf Zucht und Ordnung ist – gerne verwechselt wird, finde ich den Begriff „Chaos“ reichlich überzogen.  

Die Marke Twitter gibt es mittlerweile seit 15 Jahren und vor der Übernahme durch Musk ist dort kaum etwas geschehen, das sich auch nur ansatzweise als Innovation oder entscheidenden Schritt hin zu einer Marke bezeichnen ließe, die irgendwann in ferner Zukunft endlich schwarze Zahlen schreiben könnte. Derzeit veröffentlicht Twitter zwar keine Zahlen, im Jahr 2021 machte der Kurznachrichtendienst allerdings rund 220 Millionen Dollar Miese.  

Keine Angst vor Veränderungen

Dem Tesla- und Space-X-Gründer Musk war das alles also offenkundig zu wenig – wie es wohl jedem Investor oder Besitzer bei jeder anderen Marke dieser Welt ebenfalls zu wenig wäre – weshalb er seit der Übernahme von Twitter an der Marke, dessen Auftritt und Funktionen schraubt (Rebranding“), und keine Angst hat, dafür auch Neues auszuprobieren. Was die taz als Chaos bezeichnet, ist daher letztlich nur Modifikation am bestehenden Objekt (mehr darüber, wie Musk so tickt, können Sie übrigens hier nachlesen). 

Musk hat etwa die kostenlose Verifikation (blauer Haken neben dem User-Namen) abgeschaft und ein Bezahlabo installiert. Außerdem lässt er das Filterblasen-Prinzip aufbrechen. Heißt konkret: Dem Nutzer werden mehr Inhalte außerhalb der eigenen Bubble angezeigt. Das führt nun unter anderem dazu, dass man sich, etwa bei der taz, beklagt, dass sich „rechtsextreme Accounts und Tweets auf Twitter vervielfachen“ würden. Das scheint mir jedoch primär Ausdruck einer anekdotischen Empirie zu sein, weil man mittlerweile – insbesondere in vermeintlich progressiven Kreisen – ganz schön von Meinungsvielfalt getriggert wird.

Lehren aus der Corona-Zeit

Was dran ist an der großen Rechtsextremismus-Offensive, ist daher schwer zu sagen, schließlich hat die Bewertung eines Accounts, wo der politisch konkret stehen soll, auch viel mit eigenen Ressentiments und den eigenen Maßstäben zu tun, die man dafür anlegt (gilt auch für Studien zum Thema übrigens). Und bekanntermaßen leben wir mittlerweile in einem Land, in dem Vieles, was früher links konnotiert war – Protest gegen die Regierung, Demonstrationen gegen Waffenlieferungen oder Kritik an zu viel Einmischung des Staates in das Leben der Leute – heute vermeintlich rechts bis rechtsextrem sein soll, was schon eine seltsame Entwicklung ist.

Heißt auch: Wenn mehr Moderation auf Twitter gefordert wird, heißt das bisweilen gar nicht, dass man mehr Moderation im Wortsinn möchte, sondern schlicht mehr Einschränkung von Inhalten, die man nicht mag – und genau das, da hat Musk seine Lehren aus der Corona-Zeit gezogen, will er eben genau nicht. Ich als regelmäßiger Twitter-Nutzer bekomme seit der Musk-Übernahme jedenfalls nicht mehr rechtsextreme Inhalte angezeigt als früher, die ich auch als solche wahrnehmen würde. Aber sei’s drum. 

Jetzt hat Elon Musk die bisher größte Veränderung beim Kurznachrichtendienst angestoßen. Der blaue Vogel, seit Beginn das Logo der Social-Media-Plattform, ist verschwunden, stattdessen prangt nun ein großes „X“ auf der Seite. Beklagt wird nun, vereinfacht ausgedrückt, Musk würde eine bekannte Marke kaputtmachen, indem er sie umbenennt und ihr Logo ändert. Eine Bewertung, die mir doch arg zu kurz greift.

Wissen Sie, ich habe mal zeitweise in der Werbebranche gearbeitet und bis heute beste Kontakte in selbige, und es gibt so ein paar Dinge, die dort schlicht Alltagsgeschäft sind. Dazu gehört auch das sogenannte Rebranding als ein ganz gewöhnlicher Vorgang in der Kommunikationswelt, der oft Folge neuer Besitzer, neuer Ziele und neuer (geplanter) Funktionen ist. Je nach Umfang ist damit gemeint, ein neues Logo oder neue Slogans zu entwerfen – oder das Corporate Design komplett zu ändern, was dann auch den Markennamen betreffen kann.

Bis zum Jahr 2018 zum Beispiel hieß die heute vor allem unter jungen Nutzern sehr beliebte App TikTok noch musical.ly. Nach dem Rebranding hat sich die App dann zu einer der beliebtesten Apps der Welt gemausert und der mit Abstand beliebtesten in Asien. Schon klar, musical.ly war einer breiten Masse damals nicht wirklich bekannt; in der Kommunikationsbranche allerdings sehr wohl schon Thema. Außerdem spricht der Bekanntheitsgrad einer Marke – um zurück zu Twitter zu kommen – nicht zwangsläufig dagegen, sie auch umzubennen. Auch Themen wie Markenvertrauen oder Markenvision spielen da eine Rolle. 

WeChat als Vorbild?

Nach seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes für 44 Milliarden Dollar hat Musk bereits angekündigt, dass genau dies auch geschehen wird; dass er Twittter konsequent weiterdenken und weiterentwickeln will. Einerseits inhaltlich, hin zu einer Plattform für „freie Meinungsäußerung“, worunter ein US-Liberaler, geboren in Südafrika, mehr versteht als das, was man in unseren Breitengraden unter „Meinungsfreiheit“ versteht („Freedom of Speech“, was letztlich heißt, dass jeder wirklich (fast) alles sagen respektive twittern darf). Andererseits will Musk, dass aus dem Kurznachrichtendienst eine Plattform wird, auf der deutlich mehr möglich sein wird als nur 280 Zeichen rauszuhauen.
 

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Ein Vorbild oder, sagen wir, eine Inspiration könnte die chinesische App WeChat sein. Die bietet nämlich viel mehr Funktionen als man dem Namen nach meinen könnte. Über die App lassen sich etwa Videotelefonate führen, Taxis und Lebensmittel bestellen und sogar Arzttermine buchen sowie Restaurant- und Stromrechnungen bezahlen. Das Geschäftsmodell von WeChat ist ziemlich genial – den Punkt, dass sie dem chinesischen Staat dabei hilft, die eigenen Leute besser zu überwachen, mal ausgeklammert, weil das mit Blick auf Twitter nicht das Thema ist: Anstatt zehn Apps auf dem Smartphone zu haben, um das eigene Leben digital zu organisieren, reicht mit WeChat eine einzige. 

Was perspektivisch noch alles möglich sein wird auf Twitter, wird sich freilich zeigen müssen. Vor dem Hintergrund, dass Musk laut eigener Aussage mehr aus Twitter machen möchte als einen reinen Kurznachrichtendienst, macht ein neues Logo und ein neuer Name aber Sinn. Damit unterstreicht Musk eben auch, dass Twitter spürbar weiterentwickelt werden soll. Hinzu kommt: Twitter ist keine Marke wie, sagen wir, das „Rote Kreuz“ oder „Aspirin“, die eine gewisse Integrität transportieren. Auch das kann ein guter Grund für ein Rebranding sein: Vertrauensverlust einer Marke in der Vergangenheit (Stichwort: Twitter-Files). 

Standesgemäße Markenkommunikation

Aus meiner Sicht spricht also kaum etwas gegen eine Umbenennung von Twitter, im Gegenteil. Ein weiterer guter Grund ist dieser: Musk wird eine gewisse Vorliebe für den Buchstaben „X“ nachgesagt, was sich unter anderem an der Namensgebung seines Raumfahrtunternehmens SpaceX zeigt. Mit der Umbenennung von Twitter zu „X“ schlägt Musk deshalb noch eine weitere Fliege mit einer Klappe: Der Markenname passt jetzt viel besser in sein bereits vorhandenes Markenportfolio – und macht deutlich, wer heute das Sagen beim Kurznachrichtendienst hat.

Und weil Musk eben Musk ist, hat er das neue Logo zum Start auch gleich mal an die Twitter-, pardon, X-Zentrale in Kalifornien projizieren lassen. Eine neue Marke will schließlich auch standesgemäß kommuniziert werden. Man darf also gespannt sein, was noch alles kommt. Auch, ob es Musk mit seiner Offensive gelingt, Twitter respektive X perspektivisch aus den roten Zahlen zu führen. Und auch, ob Medien wie die taz dann ein bisschen fähiger sind, das, was Musk tut, ein wenig pragmatischer zu betrachten. Denn die Abneigung gegen Musk scheint leider allzu häufig die Feder zu führen, wenn es um seine Projekte geht. 

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