Judenhass auf deutschen Straßen - Der arme Antisemit

Robert Habeck macht vor, wie Klartext zu antiisraelischen Demonstrationen geht. Gut so. Denn wer migrantischen Antisemitismus mit zu wenig Präventionsarbeit oder erlebtem Rassismus begründet, spricht Judenhassern die Eigenverantwortung ab.

Kann wegen Rassismuserfahrung vielleicht nicht anders: Protestantin fordert Israels Auslöschung / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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„Das Ausmaß bei den islamistischen Demonstrationen in Berlin und anderen Städten ist inakzeptabel“, sagte jüngst Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in einer Videobotschaft, die er über den X-Account seines Ministeriums in die Welt sendete. Und er forderte, Muslime müssten sich „klipp und klar von Antisemitismus distanzieren, um nicht ihren eigenen Anspruch auf Toleranz zu unterlaufen“.

Mit diesen Worten hat Habeck, wie mein Kollege Ferdinand Knauß in seinem Kommentar treffend schreibt, mal eben die Ehre der Bundesregierung gerettet, nachdem sich diese in Person von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kein „Nein“ zu einer Resolution der UNO-Hauptversammlung abringen konnte, die den Hamas-Terror gegen Israels Bürger nicht verurteilte. Stattdessen: Enthaltung. Und auch: Doppelmoral. Denn was soll diese „feministische Außenpolitik“ eigentlich sein, wenn man nach entführten, vergewaltigten, ermordeten Männern und Frauen nicht für Israel in die Bresche springt? 

„From the River to the Sea!“

Es ist daher dieser Habeck’sche Klartext, der sehr gut, aber auch zwingend ist nach dem barbarischen Pogrom der Hamas gegen Juden am 7. Oktober. Schon der Verhältnisse in Deutschland wegen: Im Land der Täter trauen sich jüdische Bürger mittlerweile nicht mehr, ein Taxi unter ihrem echten Namen zu bestellen. Im Land der Täter werden Häuser, in denen Juden wohnen, markiert. Im Land der Täter schicken Juden ihre Kinder nicht mehr zur Schule, weil sie Angst haben, dass ihnen etwas passieren könnte. Im Land der Täter trauen sich Juden in manchen Stadtteilen nicht mehr mit einer Kippa auf die Straße, weil sie Gewalt fürchten.

Im Land der Täter gingen am Wochenende des Hamas-Terrors zudem Tausende auf die Straße, um den Hamas-Terror zu feiern. Und im Land der Täter gehen nach wie vor Tausende auf die Straßen, um an Demonstrationen teilzunehmen, auf denen „From the River to the Sea!“ gerufen oder auf Schildern gefordert wird (s. Artikelbild); als wäre ein jüdischer Kleinstaat – acht Millionen Einwohner leben auf einer Fläche, die in etwa so groß ist wie Franken – ein einziger Sündenfall; Haram.

Deutschland ist nicht der Iran

Ja, der Nahostkonflikt ist kompliziert. Und ja, Kritik an der israelischen Siedlungspolitik ist legitim. Auch an Benjamin Netanjahu. Aber in Teilen der arabischen Welt ist es geradezu Folklore, Juden zu hassen, was zu einer milieuübergreifenden Indoktrinierung mit Antisemitismus führt; etwa mithilfe von Schulbüchern, die Landkarten der Region zeigen, auf denen Israel gar nicht existiert. Mit Politik hat das nichts zu tun.

Und Deutschland selbst ist nicht der Iran, ist nicht der Libanon. Deutschland ist ein liberales Land. Und wer davon profitiert, aber dennoch Terroristen direkt oder mindestens indirekt unterstützt, indem er oder sie deren Propaganda auf die Straßen Berlins oder Düsseldorfs trägt, den Hass jener Terroristen, die Zivilisten hinrichten und Babys köpfen, ist nicht nur irgendwo falsch abgebogen. Der hat nicht nur irgendwas irgendwie falsch verstanden. Nein, der ergreift bewusst Partei für das abgrundtief Böse, das aus irgendeinem Höllenloch gekrochen kam, um Juden zu massakrieren. 

Fanclub der Hamas

Eine billige Erklärung für diese Solidarisierung mit dem Bösen beginnt dort, wo man Judenhassern die Verantwortung für ihren Hass abnimmt, wenn man sie herauslaviert aus ihrem Handeln. Eine weitere billige Erklärung, nein, eine Frechheit ist es, wenn man obendrauf noch Täter-Opfer-Umkehr betreibt. Und das gilt ganz besonders auch für den Umgang mit jenen Demonstranten, die sich in Deutschland als Fanclub der Hamas outen, als Außenposten des arabischen Antisemitismus. Jene, die vorgeben, für „die palästinensische Sache“ zu demonstrieren, aber eigentlich gegen Israel auf die Straße gehen und dafür, dass das Land nicht nur in arabischen Schulbüchern nicht (mehr) existieren soll, vom Fluss bis zum Meer. Was hat die „palästinensische Sache“ denn bitte mit dem Existenzrecht Israels zu tun? 

 

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Auf denselben Demonstrationen: Keine Kritik daran, dass die Hamas die eigenen Leute als menschliche Schutzschilde missbraucht. Auch Kinder. Oder daran, dass Ägypten, das ebenfalls eine Grenze zum Gazastreifen hat, keine palästinensischen Flüchtlinge reinlässt, weil es sogar in Kairo Sicherheitsbedenken mit Blick auf Gaza gibt. Keine Kritik auch daran, dass Gelder, die in Gaza für das Humanitäre bestimmt sind, von der Hamas einkassiert und in Waffen und Raketen investiert werden. 

Kein bisschen Reflektieren darüber, dass die Israelis schon vor Jahren aus Gaza abgezogen sind, es den Menschen dort trotzdem nicht besser geht. Kein Nachdenken über die eigene Unlogik, wonach Israel als Reaktion auf den Hamas-Angriff nun angeblich einen Genozid an den Palästinensern begehe, während Israel wiederum die Bevölkerung zeitig vor einem großangelegten Militärschlag warnt, damit die sich in Sicherheit bringen kann. Sieht so ein Genozid aus? Wohl kaum. Obendrauf kommt noch, dass es die Hamas selbst war, die Menschen davon abgehalten hat, zu fliehen. Wer „Free Palestine!“ skandiert, der sollte „von der Hamas!“ anfügen. 

Rumms, Frau Kaddor! 

Aber zurück zu den billigen Erklärungen und Frechheiten: Wie die oben erwähnte Täter-Opfer-Umkehr funktioniert, hat die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor jüngst eindrucksvoll bei „Hart aber fair“ gezeigt. Dort sagte sie, als das Thema „Palästina-Proteste“, die eigentlich Anti-Israel-Proteste sind, auf deutschen Straßen zur Sprache kam: „Das sind Menschen, die auf unterschiedliche Dinge offensichtlich ziemlich wütend sind: gescheiterte Integrationspolitik, gescheiterte Möglichkeiten der Teilhabe. Vielleicht haben sie Rassismus erlebt. Und jetzt hat man endlich ein Ventil gefunden.“

Rumms! Laut Frau Kaddor freuen sich Menschen über islamistischen Terrorismus und tote Babys also deshalb, weil man hierzulande nicht nett genug zu ihnen war und ist. Auch Malte und Annika sind dabei. Der arme Antisemit! Interessant auch, dass das erlebte Leid in Deutschland wohl so schmerzhaft sein muss, dass man, nachdem man Israel ins Meer gewünscht hat, auf deutsche Polizisten losgehen muss.

Seltsam nur, dass die vielen jungen Männer und Frauen, die in Kapuzenpullovern gegen Israel hetzen, während sie sich mit ihren iPhones dabei filmen, gar nicht so wehrlos und von der bösen Mehrheitsgesellschaft gebrochen aussehen. Da wird nicht nur geschrien, sondern auch gelacht und gefeiert und der Starke markiert: „Free Palestine! Komm her, Bulle!“

Aber jeder verarbeitet Ausgrenzung eben auf seine Weise, finden wohl Kaddor und andere aus dem verwirrt-sozialpädagogischen-politischen Milieu: Die einen, die Juden, trauen sich kaum mehr aus dem Haus, organisieren friedliche Mahnwachen unter Polizeischutz. Die anderen finden, dass Israel und in der Folge auch alle Juden dort ausgelöscht gehören, und prügeln sich anschließend mit Polizeikräften. „Unser Land wird sich ändern. Und ich freue mich drauf“ (Katrin Göring-Eckardt).

Antisemitismus nach Herkunft

Nach meiner Wahrnehmung sind es in der öffentlichen Debatte über all dies glücklicherweise eher Minderheitenpositionen, aber es gibt sie: Migrantische Antisemiten können doch nichts für ihren Antisemitismus. Was wir jetzt brauchen, ist noch mehr Prävention und Bildungsarbeit. Sie wissen doch nicht, was sie tun. Wir müssen sie an die Hand nehmen. Der arme Antisemit. 

Ein, wenn Sie mich fragen, obskures Menschenbild, das sich da offenbart. Einige derselben Leute, die finden, man dürfe Menschen nicht auf ihre Herkunft reduzieren (was ich unterstütze), reduzieren menschliches Handeln, wenn es um migrantischen Antisemitismus geht, auf die Herkunft. Einige derselben Leute, die für Gleichberechtigung für alle Menschen im Land plädieren (was ich unterstütze), wollen migrantische Antisemiten anders behandeln als bio-deutsche Judenhasser. Der eine soll umarmt und geknuddelt werden. Um den anderen soll sich der Verfassungsschutz kümmern.

Kontextualisierung und Relativierung

Präventionsarbeit ist wichtig, Kontextualisierung auch. Aber Präventionsarbeit allein ist und bleibt ein schlechter Witz, reine Geldverschwendung, wenn man nur Wege aufzeigt, keine Grenzen. Und Kontextualisierung beim Nahostkonflikt darf nicht darin münden, dass man Hamas-Versteher versteht; sie gar in Schutz nimmt. Denn für den jüdischen Mitbürger spielt es keine Rolle, woher der Hass kommt, der ihn in Form von Faustschlägen oder Tritten oder Schlimmerem treffen kann, wenn seine Halskette mit dem Davidstern am falschen Ort zu sehen ist. In der Berliner Sonnenallee zum Beispiel.

Wer jüdisches Leben schützen will, darf Judenhass nicht kleinreden. Das ist die Basis, der eiserne Grundsatz, das Fundament gelebter Staatsräson. Fangen wir damit bei den antiisraelischen Demonstrationen in Deutschland an. Oder wie es Robert Habeck ausdrückte: „Während es schnell große Solidaritätswellen gibt, etwa wenn es zu rassistischen Angriffen kommt, ist die Solidarität bei Israel rasch brüchig.“ Und weiter: „Dann heißt es, der Kontext sei schwierig. Kontextualisierung darf hier nicht zu Relativierung führen.“ Möge dieser Satz auch Frau Kaddor und die anderen erreichen. Und dieser ebenso: Antisemiten auf deutschen Straßen sind a priori keine Opfer.

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