Kurz und Bündig - Stefan Klein: Zeit. Der Stoff, aus dem das Leben ist

Stefan Klein meint es gut mit uns. Nicht nur, dass er sich den wirklich wichtigen Themen widmet, zum Beispiel dem Glück, dem Zufall und neuerdings der Zeit, nicht nur, dass er zum Vorteil des Lesers ganze Bibliotheken mit schwer zugänglicher und oft noch schwe­rer zu lesender Forschungs­literatur durchforstet, um sie in bekömmlicher Form auf­zubereiten – er versetzt seine Bücher auch noch mit jeder Menge gutem Rat.

Stefan Klein meint es gut mit uns. Nicht nur, dass er sich den wirklich wichtigen Themen widmet, zum Beispiel dem Glück, dem Zufall und neuerdings der Zeit, nicht nur, dass er zum Vorteil des Lesers ganze Bibliotheken mit schwer zugänglicher und oft noch schwe­rer zu lesender Forschungs­literatur durchforstet, um sie in bekömmlicher Form auf­zubereiten – er versetzt seine Bücher auch noch mit jeder Menge gutem Rat. Das geben schon die Titel zu erkennen: «Die Glücksformel oder Wie die guten Gefühle entstehen», hieß Kleins großer Bestseller. Und jetzt: «Zeit. Der Stoff, aus dem das Leben ist. Eine Gebrauchsanleitung». Dieser Autor holt die Leser an der Haustür des Common Sense ab: «Wir haben uns an die Herrschaft der Uhren so sehr gewöhnt, dass sie ganz selbstverständlich erscheint», schreibt er. Und: «Das Gefühl, ständig unter Druck zu stehen, bedeutet Stress.» Und: «Im Alltag richten wir uns nach Minuten und Stunden. Nach ihnen bemessen wir, wann wir uns verabreden und wie lange wir für eine Arbeit brauchen.» Wer hätte das gedacht? Wir erfahren, dass es «Lerchen» und «Eulen», Morgen- und Nachtmenschen gibt. Dass wir uns wacher und wohler fühlen, wenn wir viel Licht bekommen («Gehen Sie ans Tageslicht!»). Dass uns die Zeitdauer länger erscheint, wenn Einschnei­dendes passiert; das Zeitgefühl dagegen schwindet, wenn Nichtstun und Wiederholung drohen: der Hans-Castorp-Effekt. Wenn wir glücklich sind, fliegt die Zeit; wenn wir leiden, dehnt sie sich unerträglich. Und stundenlanger Fernsehkonsum, warnt Klein, sei pure Zeitvernichtung; er schaffe «erinnerungslose Zonen». Klein präsentiert diese Einsichten, ob neu oder nicht, auf der Basis von biowissenschaftlicher und psychologischer Forschung, mit manchem in­ter­essanten Seitenblick etwa auf die Entstehung von Gedächtnis. Nebenbei klopft er Autoren wie Thomas Mann und Marcel Proust auf die Schulter. Was die schon alles von der Zeit wussten! Cees Nooteboom dagegen «irrte», als er schrieb: «Die Erinnerung ist ein Hund, der sich hinlegt, wo er will.» Vielmehr lässt sich das Gedächtnis trainieren: Der Hund hört auf unseren Befehl! Das menschliche Gehirn sei so wandlungsfähig wie kein anderes System; es lasse sich mittels guter Gewohnheiten umprogrammieren. So wie wir im ho­hen Alter noch eine schwierige Fremdsprache lernen können, ist es auch nie zu spät, das Glücklichsein einzuüben. «Für einen entspannten und bewussten Umgang mit der Le­benszeit gilt das nicht minder.» Womit wir bei der tückischen Beschleunigung in der mo­dernen «Ereignisgesellschaft» sind. Klein wirkt wie der Apotheker unseres Vertrauens, der vor Quacksalberei warnt. Diese ganze grassierende Ratgeber-Literatur zum Thema «Zeitmanagement» – alles er­wie­senermaßen ineffektiv, allenfalls Placebo-Effekte. Multi-Tasking, also mehrere Dinge gleichzeitig erledigen, sei ebenfalls ein Irrweg, der nur zu Unkonzentriertheit und Leistungseinbußen führe. Lieber mal die Uhr vergessen und «Muße kultivieren», «den Augenblick erleben». Das Beste gegen die Hektik sei allerdings Kontrolle. Weshalb Manager wider Erwarten viel seltener die «Managerkrankheit» (Herz­infarkt, Magengeschwüre etc.) erleiden als andere Männer ihres Alters. Sie haben eben die Fäden in der Hand. Gegen den Stress hilft also vor allem eins: Karriere machen. Take it easy!

 

Stefan Klein
Zeit. Der Stoff, aus dem das Leben ist. Eine Gebrauchs­anleitung
S. Fischer, Frankfurt a. M. 2006. 320 S., 18,90 €

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