Serie: Urlaub extrem - Bergwandern in Afghanistan

Ausgerechnet in den Bergen Afganistans bekam unsere Autorin das Gefühl, den Frieden auf Erden gefunden zu haben

Erschienen in Ausgabe
Wandern in den Bergen von Afghanistan? Warum nicht? / picture alliance
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Autoreninfo

Theresa Breuer ist Nahostkorrespondentin mit Sitz in Beirut

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Als ich vergangenes Jahr mit afghanischen Bergsteigerinnen wandern ging, war meine größte Sorge, in eine Gletscherspalte zu fallen. Dass ich auch aus dem Himmel fallen könnte, hatte ich ausgeblendet. Ich wusste zwar, dass wir von Kabul aus nach Bamyan fliegen müssen, denn der Landweg in die Region wird teilweise von Taliban oder Gangstern kontrolliert. Ursprünglich hatten wir deswegen Tickets der Fluggesellschaft KamAir gebucht. Die afghanische Airline fliegt mit geräumigen Maschinen, die zwar nicht in den europäischen Luftraum dürfen, aber immerhin so aussehen, als könnten sie einen auch von Frankfurt nach Berlin transportieren. Doch KamAir fliegt neuerdings nicht mehr nach Bamyan, weil bei einem Anschlag auf das Intercontinental-Hotel im Januar neun Crewmitglieder getötet wurden. Und so bleibt für Ausländer nur noch eine Möglichkeit, nach Bamyan zu reisen: in winzigen Privatflugzeugen.

Die Provinz nordwestlich von Kabul gilt als vergleichsweise sicher. Hier lebt die Volksgruppe der Hazara, verfeindet mit den Taliban und wohlgesonnen gegenüber Reisenden. Die Region ist übersät mit wunderschönen Bergen; Kulturliebhaber empfinden beim Erwähnen ihres Namens auch immer ein bisschen Wehmut: 2001 haben hier die Taliban gigantische Buddha-Statuen aus dem vierten und fünften Jahrhundert zerstört.

Frieden auf Erden in Afghanistan

In Bamyan-Stadt konkurrieren zwei Hotels um die Besucher. Sie beherbergen hauptsächlich Politiker- und NGO-Delegationen; Touristen sind keine da. Und so kann man die Ruinen der Buddha-Statuen meist ganz allein besuchen, die Steintreppen emporwandern und seinen Blick über den Basar, die Felder und Berge schweifen lassen. Wir aber ziehen weiter. In einem Minibus geht es vorbei an Dörfern, wo Kinder mit sonnenverbrannten Gesichtern über Kartoffeläcker rennen. Wenn man anhält, bieten einem Familien, die in Lehmhäusern wohnen, Tee an. Die asphaltierte Straße wird irgendwann zur Schotterpiste, und nach einer Stunde Fahrt endet sie an einem Feldrand. Wir schultern unsere Rucksäcke unter den neugierigen Blicken einiger Bauern. Wandern hat keine Tradition in Afghanistan. Berge werden höchstens von Hirten und Aufständischen genutzt.

Der Hindukusch ist ideal für Wanderer,  die nicht viel Gesellschaft brauchen. Für die Anreise musste unsere Autorin in ein Propellerflugzeug steigen / privat

Deshalb gibt es auch keine ausgewiesenen Wanderpfade. Am besten bringt man ein GPS-Gerät mit, wenn man den Weg zurück finden möchte. Es begegnet einem nämlich niemand in den Bergen, den man mal kurz nach dem Weg fragen könnte. Eine Woche lang sehen wir keinen einzigen anderen Menschen. Dafür kampieren wir ungestört neben einem plätschernden Flussbett, besteigen schneebedeckte Gipfel, die laut unserer Landkarte noch niemand benannt hat. Baden in einem eisblauen See, der so kalt ist, dass die Schreie von den Felswänden widerhallen. Afghanistan mag zwar ein Land sein, das durch jahrzehntelange Kriege zersetzt wurde. Wer in den Bergen von Bamyan wandern geht, hat aber auf einmal das Gefühl, den Frieden auf Erden gefunden zu haben.

Bisher erschienen in der Serie: Mit Prince Charles in SiebenbürgenWeintrinken in Moldawien, und „Baden in Somaliland“Detox in Tschetschenien, Angeln auf Poel“Bergwandern in Afghanistan.

Dieser Text stammt aus der Titelgeschichte der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.















 

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