Saison für eine Fisch-Delikatesse - Skrei: Don‘t call it Kabeljau

Jahr für Jahr freut sich unser Genusskolumnist auf die winterliche Skrei-Saison. Ende März ist Schluss, und bis dahin wird noch so manches Stück von dem norwegischen Edelfisch in seiner Pfanne oder im Ofen landen.

Skrei: eine Delikatesse für den ganz besonderen Moment / picture alliance
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Skrei läuft in Deutschland unter der Rubrik: „Stell dir vor, es gibt gerade eine saisonale Spezialität, und (fast) keiner merkt es.“ Eine spontane Umfrage unter Bekannten ergab genau dieses Bild. Jedem Feinschmecker muss es in der Seele wehtun, dass dieser Edelfisch so schmählich missachtet wird.

Bevor der Skrei an der Fischtheke und schließlich auf dem Teller landet, hat er ein im wahrsten Sinne des Wortes bewegtes Leben hinter sich. Seine ersten Wochen als Larve hat er mit viel Glück überlebt, bevor er sich in nördliche und vor allem kühle Gewässer aufmacht. Als Jungfisch nennt man ihn meistens Dorsch, in den eigentlichen Fanggebieten im Nordostatlantik bis hin zur Barentssee läuft er dann unter der gattungsmäßig korrekten Bezeichnung Kabeljau.

Ein Fisch mit innerer Uhr

Dort frisst er sich dann allmählich ein paar Kilo an, und falls er nicht in irgendeinem Schleppnetz landet, klingelt nach ein paar Jahren bei dem nunmehr geschlechtsreifen Fisch der innere Wecker, und er macht sich auf den Weg zu seinen Laichplätzen, wobei die norwegischen Lofoten eine wichtige Destination sind. Die Reiseroute kann bis zu 1000 Kilometer betragen und wird stets im Winter absolviert.  

Und genau auf dieser Tour entwickelt der Kabeljau jenes vergleichsweise feste, fettarme Muskelfleisch, das ihn zur Fischdelikatesse der Extraklasse macht. In den Gewässern rund um die Lofoten wird er dann – streng kontrolliert und limitiert – abgefischt. Dort wird er dann als Skrei bezeichnet, was schlicht das norwegische Wort für Wanderer ist. Manchmal ist auch vom Winterkabeljau die Rede, denn die Saison ist kurz. Die beginnt meistens im Januar und endet Ende März.

Dem Kabeljau droht Überfischung

Der „ordinäre“ Kabeljau ist eher geschmacksarm, und wurde früher in großen Mengen eingesalzen und getrocknet. Besonders in Portugal hat sich der so genannte Stockfisch unter dem Namen Bacalhao zu einem identitätsstiftenden Nationalgericht mit unzähligen Zubereitungsarten entwickelt. Später wurde frischer Kabeljau auch vielfach zur Produktion von Fischstäbchen verwendet.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Mittlerweile ist er aber in einigen Gebieten von Überfischung bedroht. Einerseits durch den industriellen Fischfang mit schwimmenden Fischfabriken, aber auch durch die Schleppnetze der Schollen- und Garnelenfischer in der Nordsee. Zeitweise landeten rund 90 Prozent aller Jungkabeljaue der Nordsee als lästiger Beifang in deren Netzen und wurden tot oder sterbend über Bord geworfen, als Futter für die Möwen. Inzwischen gibt es internationale Regulierungen mit entsprechenden Fangquoten und -methoden. In der Ostsee gilt seit Januar 2024 sogar ein Fang- und Angelverbot für Dorsche, auch die erlaubten Beifangmengen wurden drastisch beschränkt.

Ein Edelfisch braucht keine „Veredelung“

Doch mit all dem hat der edle Skrei wenig zu tun. Zwar ist auch die Zahl der laichwilligen Kabeljaue vor den Lofoten zeitweilig gesunken, doch noch immer sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die norwegische Fischerei. Für Skrei gibt es ein eigenes Qualitätssiegel, das wichtigste Exportland ist Spanien, wo frischer Skrei als besondere Delikatesse gilt und zumeist in Olivenöl gebraten zubereitet wird. Die hohe Nachfrage und die relativ geringe Menge zertifizierten Skreis sorgen für ein stabiles Preisniveau. Auch in Deutschland ist Skrei deutlich teurer als „gewöhnlicher“ Kabeljau. Was auch qualitativ absolut berechtigt ist.

Natürlich hat auch der Skrei hierzulande längst die Fantasien jener kulinarischen Marodeure beflügelt, die nahezu zwanghaft alles irgendwie „veredeln“ und „neu interpretieren“ wollen, etwa mit „mediterranen“, „asiatischen“ oder „karibischen“ Zubereitungen. Aber während man sich bei vielen Seefischen wie Seelachs, Pangasius oder auch Kabeljau tatsächlich dringend etwas einfallen lassen sollte, damit die filetierte Protein-Platte nach irgendetwas schmeckt, hat der Skrei das nun wirklich nicht nötig. Hier gilt wie so oft in der Küche: Weniger ist mehr.

Einfach nur braten

Mein Skrei-Favorit sind Filets mit Haut. Das Filet leicht salzen und pfeffern, und die Fleischseite mit dünnen Zitronenscheiben belegen. Auf der Hautseite in der Pfanne anbraten, und wenn es fast durch ist, mit geschlossenem Deckel bei niedriger Temperatur noch etwas weiter garen lassen. Man kann das Filet auch einmal wenden, muss aber nicht sein. Skreikoteletts oder Schwanzstücke kann man auch pochieren, z.B. in Milch mit ein wenig Salz, was dem Fisch eine sensationelle Konsistenz verleiht. Im Ofen mit Niedrigtemperatur garen geht natürlich auch.

Ich gestehe, dass ich als absoluter Skrei-Freak, der sich Jahr für Jahr auf diese saisonale Delikatesse freut, auch ein paar andere, „verfeinerte“ Varianten probiert habe. Denn der aromatische Edelfisch lässt sich auch mit einigen recht kräftigen Duett-Partnern kombinieren. Etwa mit blanchierten Wirsingblättern zu einer Roulade gerollt im Dampfgarer zubereitet. Oder mit einer Blutwurstkruste im Ofen überbacken. Kann man alles machen, muss man aber nicht. Und wer diesen Fisch erst mal in seiner ganz eigenen geschmacklichen Eleganz kennenlernen will, sollte bei den Basics bleiben: Pfanne, Öl, Fisch, Salz, Pfeffer, Zitrone. Guten Appetit.

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